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UBS-Staatsvertrag: Alle Probleme mit den USA gelöst?

Am 17. Juni 2010 stimmte das Schweizer Parlament dem UBS-Staatsvertrag nach langem Hin und Her ohne Referendum definitiv zu. Keystone

Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat die
Amtshilfeprüfung von rund 4450 UBSKundendossiers fristgerecht abgeschlossen. Mit dem umstrittenen Staatsvertrag von Mitte 2009 hat die Schweiz ihr lange gehütetes Bankgeheimnis aufgegeben.

Wie viele Fälle von mutmasslichen Steuersündern noch zur Bearbeitung anstehen, konnte Mario Tuor vom zuständigen Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) Anfang Woche nicht sagen. Die Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) sei mit der Prüfung aber “auf Kurs”. An der Beurteilung der Datensätze arbeiten etwa 40 Experten.

Die Schweiz hatte sich im August 2009 nach einer monatelangen diplomatischen Krise verpflichtet, die Dossiers von 4450 US-Kunden der UBS zu prüfen. Die betroffenen Kunden der Grossbank, von den US-Behörden der Steuerhinterziehung verdächtigt, bekamen die Möglichkeit, die Herausgabe ihrer Daten gerichtlich anzufechten.

57 Rekurse hängig

In rund 300 Fällen sei – mit Stand Ende Juli – entweder der gerichtliche Weg noch nicht abgeschlossen, oder habe die Prüfung der Daten zum Entscheid geführt, die Informationen nicht auszuhändigen, sagte SIF-Sprecher Tuor.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) sind derzeit 57 Rekurse von US-Kunden der UBS hängig. Ein Pilotentscheid dürfte für 40 dieser verbleibenden Fälle wegweisend sein: Das BVG wies Mitte Juli eine Beschwerde ab, mit der eine Kundin die Herausgabe ihrer Daten verhindern wollte.

Zwischen Mai und August seien beim Gericht 120 Beschwerden eingegangen, sagte Gerichtssprecher Andrea Arcidiacono und bestätigte entsprechende Medienberichte.

Langer Steuerstreit UBS-USA

Die US-Steuerbehörde IRS erklärte Anfang April, man zähle darauf, dass die Schweiz die Umsetzung des Vertrages, 4450 UBS-Kontendaten über ein Amtshilfeverfahren an die USA auszuhändigen, einhalte. Andernfalls stehe den US-Behörden weiter der Rechtsweg offen.

Insgesamt umfasst die Zusammenstellung der IRS 17 juristische Schritte und reicht zurück bis Dezember 2007, als sich der russisch-amerikanische Milliardär Igor Olenicoff als erster schuldig bekannte, über UBS-Konten Gelder am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Olenicoff bezahlte saftige Bussgelder und verklagte dann seinerseits die Bank.

Auf die Spur Olenicoffs kam die IRS durch den ehemaligen UBS-Banker Bradley Birkenfeld, der den Steuerbehörden die unlauteren Geschäfte der Bank offenlegte, seine Rolle dabei aber vertuschte und deshalb nun eine 40-monatige Haftstrafe absitzt.

Im Juni 2008 reichte das Justizdepartement vor Gericht in Florida den sogenannten John Doe Summons ein – die Forderung, von der Bank Auskunft über bis zu 52’000 UBS-Konten zu erhalten.

Im November 2008 wurde der UBS-Spitzenmanager Raoul Weil angezeigt. Er soll sich mit anderen Managern und wohlhabenden Kunden zum Betrug an den USA verschworen haben.

Bankgeheimnis adieu

Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat das Abkommen mit den USA, das den Streit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 ursprünglich verlangten fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen. Damit war auch das Bankgeheimnis gelüftet.

Doch im Januar 2010 erklärte das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal. Dennoch stimmte das Schweizer Parlament in der Sommersession im Juni 2010 nach langem Hin und Her dem Staatsvertrag zu, sogar ohne diesen einer fakultativen Volksabstimmung zu unterstellen.

Klare Linie gezogen?

Laut dem in Harvard lehrenden Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson entging die Schweiz im Oktober 2008, als die UBS am Abgrund stand, nur knapp einer Katastrophe. Am 16. Oktober wurde die Grossbank dank einer staatlichen Finanzspritze von über 60 Milliarden gerettet.

Das seither angeschlagene Image der UBS und damit auch des Schweizer Finanzplatzes versucht die Grossbank derzeit mit einer Milliarden schweren Werbekampagne wieder aufzumotzen. “Weil wir eine ‘klare Linie’ gezogen haben”, heisst es in den einseitigen Zeitungsinseraten. Und: “Wir setzen neue Standards.” Oder: “Weil wir Vergangenes aufarbeiten und mit Zuversicht in die Zukunft blicken wollen.”

Und dennoch: Während sich Experten weltweit einig sind, dass die Grösse von Banken wie zum Beispiel der UBS ein Klumpenrisiko für den Staat sei (“Too big to fail”-Problem) und sich ein internationaler Konsens abzeichnet, dass die Banken mehr liquide Anlagen und mehr Eigenkapital in ihrer Bilanz halten sollten, blocken die Banken, inklusive UBS und auch Credit Suisse, bereits wieder ab.

Sie lobbyieren intensiv gegen solche Reformvorschläge. So warnte UBS-Konzernchef Oswald Grübel im Juni in Interviews mit Schweizer Zeitungen, schärfere Eigenkapitalvorschriften würden Arbeitsplätze vernichten und künftiges Wachstum behindern.

Zweiten Fall UBS verhindern

Nach dem UBS-Desaster ist sich die Politik einig: Der Schweizer Staat soll nie mehr eine Grossbank retten müssen, die sich mit Hochrisikogeschäften in den Schlamassel manövriert hat. Der Bundesrat hatte auf Ende August konkrete Vorschläge für eine stärkere Bankenregulierung angekündigt. Auf diesen Zeitpunkt sollte die von ihm eingesetzte Expertengruppe unter der Leitung von Peter Siegenthaler, Ex-Chef der Eidg. Finanzverwaltung, ihren Schlussbericht zum “Too big to fail”-Problem vorlegen. Jetzt verzögert sich der Expertenbericht.

Ziel sei es, “einen zweiten ‘Fall UBS’ zu verhindern”, sagte Michael Ambühl, der seit März das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) leitet. Es gelte zu vermeiden, dass die Schweiz “jede zweite Woche” auf einer schwarzen Liste lande.

Das SIF macht sich auch Gedanken in Sachen Boni-Besteuerung und berät den Bundesrat bei entsprechenden Beschlüssen – “obwohl wir kein Think Tank der Regierung sind”, wie Ambühl gegenüber swissinfo.ch betonte.

Und die Probleme mit den USA scheinen für den SIF-Chef infolge des UBS-Staatsvertrages gelöst zu sein. Auf die Frage, ob ähnliche Schwierigkeiten auf andere Schweizer Banken zukommen könnten, sagte Ambühl, dafür gebe es keine Hinweise.

Jean-Michel Berthoud, swissinfo.ch

Ungefähr 20% aller ausländischen Investitionen, 150 Mrd. Fr., investieren Schweizer Unternehmen direkt in den USA. Das ist mehr als von deutschen, französischen, italienischen und österreichischen Unternehmen zusammen. Diese bringen etwa 15% auf.

Im Jahr 2008 beschäftigten Schweizer Unternehmen 350’000 Personen auf US-amerikanischem Boden. Die Schweiz ist damit der sechstgrösste ausländische Investor in den USA.

Aus der Sicht der Schweiz waren die USA 2008 der zweitgrösste Investor, nach den Niederlanden (86,5 Mrd. Fr.), das sind 18,5% des Volumens ausländischer Investitionen in der Schweiz.

Die UBS, die zweitgrösste Bank der Schweiz nach der Credit Suisse, ist ein Schwergewicht in der Vermögensverwaltung: Das Unternehmen beschäftigt laut eigenen Angaben 64’000 Leute auf der ganzen Welt. Davon arbeiten 37% in den USA und in Kanada.

Die Grossbank UBS wird Sponsor der Formel 1. Das Engagement passe zur Strategie der Bank, insbesondere dank der globalen Ausstrahlung der Sportart und deren starker Präsenz in den Wachstumsmärkten in Asien, Mittlerer Osten und Lateinamerika, teilte die UBS mit.

Wie viel sich die UBS das Sponsoring kosten lässt und für wie viele Jahre sich die Bank verpflichtet hat, wurde nicht bekanntgegeben. Offiziell wird die Partnerschaft zwischen der Rennserie und dem Finanzkonzern am Grand-Prix-Wochenende von Singapur Ende September lanciert.

“Die UBS war auf der Suche nach einer globalen Sponsoring-Plattform, auf der sich die Marke weltweit vermarkten lässt und die kommerziell sinnvoll ist”, wird UBS-Chef Oswald Grübel im Communiqué zitiert. Die Partnerschaft mit der Formel 1 erfülle diese Kriterien.

Vor der Krise hat die UBS das Alinghi-Segelteam von Ernesto Bertarelli gesponsert. Der Sponsoring-Vertrag wurde im Frühling 2009 aber nicht mehr erneuert. Begründet hatte dies die UBS, die einige Monate zuvor in eine arge Finanznot geraten war, mit der strikten Kostenkontrolle innerhalb der Bank.

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