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Überlebenshilfe für weissen Flussdelphin

Baiji, die frühere Jangtse-Flussgöttin, wurde zum Symboltier für Chinas Gewässerschutz. (Leatherwood/baiji.org) Leatherwood/baiji.org

Eine Schweizer Stiftung will der bedrohtesten Säugetierart der Welt, den Baiji-Flussdelphinen im Jangtse-Fluss, das Überleben sichern.

Mittels internationaler Vernetzung von Wissenschaftern, Know-how und Informationen soll die chinesische Regierung Grundlagen für eine Rettungsstrategie erhalten.

Baijis Geschichte beginnt vor rund 25 Millionen Jahren – und sie könnte in diesen Tagen enden. Der weisse Flussdelphin, der im Jangtse, dem längsten Fluss Asiens und drittlängsten Fluss der Welt, lebt, droht auszusterben.

Das seltene Säugetier lebt endemisch, das heisst nur im Gebiet des Jangtse mit einem Einzugsgebiet von 1,8 Mio. Quadratkilometern (rund 43 Mal die Fläche der Schweiz).

Vor 30 Jahren tummelten sich mindestens 5000 Baijis in den trüben Wassern des Jangtse-Flusses. Heute schätzt man den Bestand auf 20 bis 100 Tiere. Damit ist der chinesische Flussdelphin das gefährdetste Säugetier auf dem Erdball.

Der Schweizer August Pfluger versucht, mit seiner Stiftung baiji.org das drohende Verschwinden des Fluss-Säugers zu verhindern. “Wir sind ein Netzwerk von Wissenschaftern aus aller Welt, das von der Schweiz aus ‘gemanaged’ und finanziert wird”, erklärt Pfluger gegenüber swissinfo.

“Neben sehr vielen hochkarätigen Wissenschaftern aus China selbst haben wir verschiedene Organisationen und Wissenschaftsgremien aus Übersee und auch der Schweiz im Team”, so Pfluger.

Erkundungs- und Rettungs-Expedition

“Wir führen im November eine Expedition durch, um herausfinden, ob und wo noch Baiji leben”, sagt Pfluger. “Wir werden mit drei Schiffen 2000 km den Jangtse runterfahren und wieder rauf.”

Da dies ein komplexes Unterfangen ist, hat man vor kurzem eine Probe-Expedition veranstaltet. “Wir haben Limnologen (Wissenschafter, die Binnengewässer als Ökosysteme erforschen), Flusswissenschafter und Walwissenschafter für diese 300 km lange Testfahrt auf dem Jangtse eingeladen und mit ihnen die Beobachtungsmethodik optimiert”, erklärt Pfluger.

Aus der Schweiz war der Chemiker und Limnologe Beat Müller an Bord. Er forscht für die Eawag, das Wasserforschungsinstitut der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Müller arbeitet mit seinem mobilen Labor mit den Wissenschaftern des Instituts für Hydrologie und Biologie in Wunan zusammen, das beim Baiji-Projekt federführend ist.

Müller hat das Flusswasser in Bezug auf eine mögliche Aussiedelung von Baijis in einen Altlauf des Jangtse analysiert.

Aussiedeln gegen Aussterben

“Sollten wir im November wirklich Baijis in einer nur kleinen Anzahl finden, werden wir versuchen, sie in einen 30 km langen Altlauf umzusiedeln”, so Pfluger. Die chinesische Regierung hat dafür das Reservat Tian’ezhou in der Provinz Hubei vorgesehen. Dort wurde eine frühere Flussschleife des Jangtse unter Naturschutz gestellt.

“In diesem Reservat spielt die Wasserqualität eine sehr wichtige Rolle. Es darf kein vergiftetes Wasser sein, es muss bestimmten Richtlinien entsprechen. Das ist ein grosses und wichtiges Forschungsprojekt”, erklärt Pfluger.

Die Eawag wird dort die Wasserqualität überwachen und ein Monitoring zusammen mit ihren chinesischen Partnern entwickeln. Damit soll gewährleistet werden, dass die Wasserqualität stets den Anforderungen der Tiere genügt.

Denn bei der weiter steigenden Verschmutzung des Jangtse durch Abfälle aus Industrie, Landwirtschaft und Siedlungen ist nicht damit zu rechnen, dass dessen Wasserqualität in nächster Zeit besser wird.

Genauso tödlich wie verschmutztes Wasser sind aber auch die Zehntausende von Schiffen, die den Jangtse befahren. Weil sie viel Lärm verursachen, können sich die fast blinden Baiji-Delphine nicht mehr orientieren.

Der Baiji soll die Zeit, bis sich der Jangtse wieder etwas erholt hat, in seinem Reservat überleben.

Weitere Konsequenzen

Aber nicht nur der Flussdelphin ist bedroht. Auch der Bestand des Jangtse-Glattschweinwals, dessen Existenz vor Jahren noch nicht als gefährdet galt, ist von über 7000 auf weniger als 2000 zurückgegangen.

Im Reservat gibt es “bereits eine Population von Glattwahlen, die sich dort prächtig entwickeln und sich sehr wohl fühlen”, sagt Pfluger. Und diese Chance möchte er den Baijis auch geben.

August Pfluger geht es aber nicht allein um die Rettung des Flussdelphins und des Glattschweinwals. “Mit unserem Projekt wollen wir der chinesischen Regierung Informationsgrundlagen und Ressourcen zur Verfügung stellen, damit diese die bestmögliche Rettungsstrategie für den Jangtse einschlagen kann.”

Denn im Jangtse tummeln sich nicht nur ein paar Delphine und Wale. In seinem Einzugsgebiet leben auch 400 Millionen Menschen, für die der Fluss auch die Lebensader ist.

swissinfo, Etienne Strebel

Der Baiji (Lipotes vexillife) ist ein 2 bis 2,5 m langer und 125 bis 167 kg schwerer Flussdelphin. Er kann bis 30 Jahre alt werden.

Die nur im Jangtse vorkommende Tierart ist gefährdet wegen Verletzungen durch Schiffsschrauben, Fischfang, (sie wird selber nicht gefangen; die Fangmethoden der chinesischen Fischer führen aber zu Verletzungen), Lebensraumzerstörung, Nahrungsmangel (ev. verursacht durch Staudämme).

Der Baiji frisst kleine Fische und lebt in Gruppen von 3 bis 4 Tieren.

Er ist in China seit 1975 total geschützt.

China macht Reklame mit/für den Baiji: Briefmarken, Warenhäuser, Schuhe, Baiji-Bier.

August Pfluger (44) studierte Wirtschafts-Wissenschaften und Biologie.
Zunächst arbeitete er als Journalist und später als Berater für verschiedene Unternehmen, auch in China.
Pfluger ist Geschäftsführer der baiji.org Stiftung, Partner einer Kommunikations-Agentur in Zürich und Teilhaber einer Beratungsfirma.
Für den November organisiert die baiji.org-Foundation die Jangtse Freshwater Dolphin Expedition 2006.

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