Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Unispitäler sind infektiöser als kleine Kliniken

Auch Infusionen sind Infektionsquellen. imagepoint

Die Gefahr, sich in einem Universitätsspital eine Infektion zuzuziehen, ist deutlich höher als in einer kleineren Klinik. Zu diesem Schluss kommt Comparis in einem weiteren Spitalvergleich.

Experten kritisieren die Studie als unwissenschaftlich, betonen aber ein generelles Bedürfnis nach Informationen und Transparenz zum Thema Spitalhygiene.

Nach der Studie von Anfang August über die Beliebtheit von Spitälern hat der Internet-Vergleichsdienst jetzt die Infektions-, Fehler- und Wiedereintrittsraten untersucht.

Gemäss der neuen Studie infiziert sich jeder neunte Patient bei der Behandlung in einem grossen Spital.

Während in den Unispitälern 11% aller Patienten nach eigenen Angaben eine Infektion erlitten, beträgt die Rate in den Grundversorgungsspitälern nur 6%. Im Durchschnitt aller Spitäler klagt etwa jeder 14. Patient über eine Infektion, das sind 7%.

Für comparis.ch ist die Tendenz klar: “Je grösser das Spital, umso grösser auch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion.” Besonders Patienten aus der Romandie beklagten sich, bei der Behandlung im Spital eine Infektion erlitten zu haben.

Durchschnittlich war jeder vierte Patient, der sich in einem Unispital behandeln liess, von einem Fehler betroffen.

Durchschnittlich kam es bei jedem fünften dieser Patienten zu einem ungeplanten Wiedereintritt.

Mehr Transparenz

Patientenorganisationen und der Spitalverband H+ begrüssen grundsätzlich die grössere Transparenz von Daten zur Qualität der Behandlung in Schweizer Spitälern. Die Aussagekraft der Comparis-Studie wird jedoch stark in Frage gestellt.

“Die Befragung zeigt auf, dass Patientenzufriedenheit und die Komplikationsrate eines Spitals zusammenhängen”, sagte die Präsidentin Patienten-Organisation (SPO), Margrit Kessler. “Wir verlangen seit längerem, dass Spitäler ihre Daten transparent machen.”

Auch der Spitalverband H+ spricht sich für mehr Transparenz bei den Patientendaten aus. Die Studie sei ein Anstoss, um mögliche Verbesserungen in die Wege zu leiten, sagte Geschäftsführer Bernhard Wegmüller. Er betonte jedoch, dass die Comparis-Studie nur die Wahrnehmung der Patienten widerspiegle und nicht die medizinische Qualität.

Mangelnde Wissenschaftlichkeit

“Die Studie hat grosse Unschärfen”, sagte Marc-Anton Hochreutener, Geschäftsführer der Stiftung für Patientensicherheit.

Er habe vor allem methodische Bedenken bei dieser Form von Befragung. So werde bei der Frage nach Behandlungs- und Betreuungsfehlern ein “gemischter Salat” zwischen harmlosen und einschneidenden Fehlern gemacht.

Namentlich das Berner Inselspital wehrt sich gegen das Ranking. “Die Art der Präsentation und Interpretation ist unprofessionell”, sagte Kathrin Mühlemann, Infektiologin am Inselspital Bern.

So werde die Methode, mit der Comparis die Daten erhoben und ausgewertet habe, nicht richtig publik gemacht. Das Inselspital werde mit ungenügenden Daten in ein schlechtes Licht gerückt.

swissinfo und Agenturen

Für die Studie hat Comparis über 5800 Patientinnen und Patienten aus 53 Spitälern befragt, unter anderem auch zu ihrer Zufriedenheit mit dem Spital.

Daneben wurde gefragt, ob es bei der Behandlung oder Betreuung zu Fehlern gekommen war und ob die Patienten unerwartet oder notfallmässig wegen der gleichen Krankheit ins Spital zurückkehren mussten.

Infektionen traten bei 15% aller Patientinnen und Patienten im Spital La Chaux de Fonds auf.

13% waren es im Inselspital Bern.

In der Westschweiz waren insgesamt 9% der Patienten von Infektionen betroffen, in der Deutschschweiz 7%, im Tessin 5%.

Zu Fehlern bei Behandlungen kam es am häufigsten in den Unispitälern Zürich und Aarau (26%). Im Unispital Basel waren es 25%.

Insgesamt kommt es in der Deutschschweiz am häufigsten zu Behandlungsfehlern (18%), in der Romandie sind 17% der Patienten betroffen, im Tessin 8%.

Zu ungeplanten Wiedereintritten nach der Behandlung kam es am häufigsten im Universitätsspital Genf (29%), gefolgt vom Unispital Lausanne (24%) und dem Kantonsspital Liestal (22%).

In der Romandie beträgt die Rate 17%, in der italienischen Schweiz 15% und in der Deutschschweiz 12%.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft