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Wer will noch ein Schweizer Banker sein?

Bankangestellte sinnieren über ihre Karrieren in Zürich. Keystone

Die Beschäftigungslage im Schweizer Bankensektor ist im Wandel, die Banken bauen Stellen ab, definieren Anforderungsprofile neu. Wer will heute noch in einem Sektor arbeiten, der unter Imageschaden und ungewisser Arbeitsplatzsicherheit leidet?

Wer auf Stellensuche ist, sollte sich bewusst sein, welche Fähigkeiten im Moment am meisten gefragt sind. Angesichts der neuen regulatorischen Vorgaben, die auf sie zukommen, sind die Banken vor allem interessiert an Leuten, die Erfahrung im juristischen Bereich oder für die Umsetzung der neuen Regeln mit sich bringen.

Doch einige Banken, die ihre Vermögensverwaltung noch ausbauen wollten, stellten weiter auch Kundenberater, Portfolio-Manager oder Strategie-Experten an, sagt Menai.

Denise Chervet räumt ein, gut qualifizierte, erfahrene und mehrsprachige Banker könnten im Bankensektor noch immer eine Anstellung finden. “Der Unterschied ist, wenn man heute eine Stelle findet, weiss man nie, wie lange man sie behalten kann”, fügt sie hinzu.

Job-Hopping ist passé

Die Zeiten, als man im Finanzsektor auf der Suche nach ein paar Tausend Franken mehr Salär immer wieder von einem Job zum anderen wechselte, sind laut Menai vorbei.

“Stellenbewerber schauen heute viel mehr darauf, für welche Marke sie arbeiten, für welche Aufgaben sie zuständig sein werden und in welcher Umgebung sie sich weiter entwickeln können”, sagt Menai.

Zusammengenommen haben UBS und Credit Suisse im letzten Jahr weltweit 7000 Stellen abgebaut, davon etwa 1500 in der Schweiz. Er gehe davon aus, dass die Schweizer Banken in den kommenden Jahren etwa 20’000 Arbeitsplätze verlieren würden, rund 20% der Stellen, sagte UBS-Konzernchef Sergio Ermotti jüngst in einem Zeitungsinterview.

Denise Chervet, Generalsekretärin des Schweizerischen Bankenpersonal-Verbands, sagt gegenüber swissinfo.ch, sie befürchte noch in diesem Jahr die Ankündigung eines weiteren Stellenabbaus. “Die Banken bereiten sich darauf vor, dass die schärferen, neuen Regulierungsvorgaben greifen werden. Dabei ist eine beunruhigende Tendenz zur Auslagerung zu beobachten.”

Trotz des verbreiteten Personalabbaus finde man immer noch Inserate für Stellen in der Schweizer Bankenbranche, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen, heisst es bei der auf Personalrekrutierung im Finanzsektor spezialisierten Firma Robert Walters.

Die Banken haben allerdings ihre Suchkriterien eingeengt. Sie sind heute vor allem an Leuten mit mehr Erfahrung interessiert, wie der Berater Benjamin Menai gegenüber swissinfo.ch sagt. “Sie wollen Leute anstellen, die vom ersten Tag an loslegen können.”

Stabile Nummern

Der 28 Jahre alte Philipp Zogg stiess im letzten Jahr zum Graduate Training Programm (GTP) der UBS. Dies war zu einer Zeit, in der schlechte Finanzergebnisse einen Stellenabbau nach sich gezogen hatten und das wechselnde regulatorische Umfeld dazu geführt hatte, dass Banken Kosten senken mussten.

Zogg hatte auch eine Karriere als Berater oder im öffentlichen Sektor in Betracht gezogen, bevor er schliesslich auf den Bankensektor setzte. Er ist einer von derzeit 1000 Personen (200 davon in der Schweiz) im GTP der UBS. Das sind etwa gleich viel wie in den Jahren vor der Krise.

“Ich hatte die negativen Aspekte rund ums Bankenwesen in meine Evaluierung der verschiedenen Möglichkeiten miteinbezogen, aber es stellte sich heraus, dass dies nicht die entscheidenden Kriterien waren”, sagt Zogg gegenüber swissinfo.ch. “Es gab zwar viel negative Presse, aber der Bankensektor bleibt ein wesentlicher Bestandteil der Schweizer Wirtschaft.”

Es mag überraschen, aber die Zahl der Beschäftigten der Banken in der Schweiz ist nach Angaben der Schweizerischen Nationalbank in den ersten zwei Jahren nach der Finanzkrise um weniger als 2% gesunken. Im Vergleich mit 2006 gab es in der Schweiz Ende 2010 sogar 4000 mehr Angestellte in der Branche. Allerdings umfassen die vorliegenden  SNB-Zahlen die jüngsten Stellenverluste noch nicht.

Kleinere Kantonalbanken und Privatbanken, Finanzinstitute mit Besitzern im Ausland sowie die Raiffeisen-Genossenschaften haben, in starkem Kontrast zu den zwei Grossbanken, in den vergangenen Jahren mehr Personal angestellt.

Aufschwung und Abschwung

Ein Teil dieses Wachstums ging darauf zurück, dass Kunden Vermögen von den grossen Banken zu lokalen, weniger prominenten Rivalen verschoben. Ein weiterer Faktor war die robuste Gesundheit des Schweizer Immobiliensektors. Mehr und mehr wurde in Immobilien investiert, was zu einem Boom im Hypothekargeschäft führte.

Aber auch für diese Banken werden die “guten Zeiten” möglicherweise nicht mehr viel länger andauern. Beim weltweiten Vorgehen gegen Steuerhinterziehung sind unterdessen auch kleinere Banken ins Visier geraten. So führte eine in den USA erhobene Klage Anfang Jahr zum Niedergang der Bank Wegelin.

Und der Boom im Hypothekargeschäft hat Ängste vor einer Immobilien-Blase in Schlüsselregionen geschürt. Falls die Blase platzt, könnte das böse Folgen für das ganze Land haben.

“Der Boom im Hypothekargeschäft hat seinen Höhepunkt erreicht, die Zinsen können nicht mehr sehr lange so niedrig bleiben”, erklärt Denise Chervet.

Philipp Zogg lässt sich aber von den Unsicherheiten im Schweizer Bankensektor nicht erschüttern. Das Training bei der UBS erschliesse ihm zumindest neue Fähigkeiten und erweitere seinem Lebenslauf um einen positiven Eintrag, so seine eher philosophische Antwort.

“Ob ich in 10 Jahren noch im Bankenwesen oder als Berater tätig sein oder meine eigene Firma führen werde, weiss ich jetzt nicht. Wichtig ist, eine solide Grundlage zu haben und die Dinge Schritt um Schritt anzugehen”, erklärt er. “Im heutigen Umfeld muss man flexibel sein, denn man weiss nie, wie einem das Leben mitspielen oder wo man enden wird.”

Der Bankensektor der Schweiz ist nicht der einzige, bei dem seit der Finanzkrise von 2008 massiv Stellen verloren gingen.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg wurden im Finanzsektor insgesamt im letzten Jahr 200’000 Stellen gestrichen.

HSBC kündigte im August 2011 den Abbau von 30’000 Stellen an, Lloyds wird insgesamt 15’000 Stellen abbauen, Barclay’s wird seinen Stellenbestand um 3000 verringern, Bank of Scotland um 3500.

Die niederländische Bank ABM Amro entschied im letzten Jahr, 2350 Stellen abzubauen.

In den USA leitete die Bank of America vergangenen September ein Sparprogramm ein, das 30’000 Stellen betrifft; im Mai wurde der Abbau von weiteren 2000 Stellen angekündigt.

Citigroup kündigte im Dezember 2011 den Abbau von 4500 Stellen an, Goldmann Sachs plant eine Reduktion um 1000 Stellen, Morgan Stanley um 1600.

Nach Angaben der Schweizer Nationalbank (SNB) ist die Zahl der Angestellten von Schweizer Banken zwischen 2006 und 2010 trotz der Finanzkrise recht stabil geblieben:

2006: 104’245

2007: 108’820

2008: 110’122

2009: 107’546

2010: 108’000

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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