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Unsicherheit nach Sharons Schlaganfall

Ariel Scharons Gesundheit dominiert weltweit die Schlagzeilen. Keystone

Bundespräsident Moritz Leuenberger hat Israel nach dem zweiten Schlaganfall von Premier Scharon das Mitgefühl der Schweiz ausgedrückt.

Beobachter befürchten negative Auswirkungen auf den Nahost-Friedensprozess. Auch die getrübten schweizerisch-israelischen Beziehungen dürften sich nicht verbessern.

Ihn einem Telegramm vom Donnerstag wünscht Bundespräsident Leuenberger Ariel Scharon nach dessen Notoperation eine rasche Genesung.

“Die Schweizer Regierung und das Schweizer Volk teilen die Sorgen des israelischen Volkes und der israelischen Regierung um Ihre Gesundheit”, steht im Telegramm.

Beobachter sind der Ansicht, nach den für Ende März angesetzten Wahlen würden Scharons Pläne aufgeschoben, jüdische Siedler von der Westbank zurückzuziehen und so den Friedensprozess voranzutreiben.

Pascal Crousaz, ein Schweizer Experte für israelisch-palästinensische Beziehungen befürchtet, der Friedensprozess werde einen Rückschlag erleiden, wenn Scharon sterben oder gezwungen sein sollte, sich aus der Politik zurückzuziehen.

Scharon habe einen Plan für einen israelischen Rückzug aus dem Westjordanland. Dieser würde etwa 80% des bisher besetzten Territoriums umfassen, sagte er gegenüber swissinfo.

“Dies wäre ein Schritt in Richtung Frieden, den ausschliesslich Scharon machen könnte. Wer ausser ihm kann die Israelis dazu bringen, minimale Zugeständnisse zur Friedensförderung zu machen?”

Crousaz ist überzeugt, dass Scharons einseitige Bemühungen zu einer Vereinbarung mit den Palästinensern geführt hätten. “Ohne ihn wäre das kaum möglich gewesen.”

Vertrauen in Scharon

Victor Kocher, Nahost-Korrespondent der “Neuen Zürcher Zeitung”, ist der Ansicht, Scharon sei die einzige Person, die den Israelis die umstrittenen Pläne glaubwürdig “verkaufen” könnte, trotz der palästinensischen Weigerung, ihre Waffen abzugeben.

“Israel hat gesagt, es werde mit den Palästinensern keine Einigung geben, bevor diese nicht ihre Terrororganisationen entwaffnet und illegale Waffen eingesammelt hätten. Scharon ist die einzige Person, von der erwartet werden könnte, dieses Veto zurückzunehmen”, sagt Kocher gegenüber swissinfo.

“Er wird vom israelischen Volk als jene Person angesehen, die wegen ihrer militärischen Vergangenheit Sicherheit garantieren kann. Allein deshalb konnte er den israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen durchdrücken”, ist Kocher überzeugt.

“Es gibt keinen wichtigen Sicherheitspolitiker in der Gegend, der machen könnte, was Scharon getan hat.”

Schweizerisch-israelische Blockade

Kocher glaubt nicht, dass Scharons Rückzug aus der israelischen Politik die schweizerisch-israelischen Beziehungen beeinflussen würde.

Scharon hat in der Vergangenheit die von der Schweiz angeregte Genfer Initiative, welche 2003 als alternativer Friedensplan für den Nahen Osten bezeichnet wurde, als “gefährlich” zurückgewiesen.

Und die Schweizer Bedenken über die so genannte Sicherheitsmauer, die Israel von den palästinensischen Gebieten trennen soll, hat die diplomatischen Beziehungen auch nicht gerade verbessert.

Kocher denkt nicht, dass die Genfer Initiative zu neuen Ehren käme, sollte Scharon in der israelischen Politik keine Rolle mehr spielen.

“Ich glaube, die Schweiz sollte Israel an einige Paragraphen des Internationalen Rechts erinnern, das ein Orientierungspunkt dafür sein sollte, wie ein Friedensvertrag aussehen sollte”, so Kocher.

“Auch wenn der Friedensprozess in Zukunft vorankommt, wird er sich nicht an den Vorschlägen der Schweizer Regierung orientieren. Ich erwarte, dass jede künftige israelische Regierung strenger sein wird als Scharon.”

Und so meint Kocher abschliessend: “Die einzige Hoffnung für eine Verbesserung der schweizerisch-israelischen Beziehungen ist, dass beide Seiten ihre Andersartigkeit akzeptieren.”

swissinfo

Ariel Scharon erlitt am 18. Dezember 2005 einen ersten Schlaganfall. Er konnte das Spital aber nach wenigen Tagen wieder verlassen.
Am Mittwoch erlitt er einen noch schwereren Schlaganfall, einen Tag bevor er sich einer Herzoperation hätte unterziehen sollen.
Scharon war seit 2001 israelischer Ministerpräsident. Er trennte sich aber von seiner Likud-Partei und gründete 2005 eine eigene Partei.
Er strebte bei den Wahlen vom März seine Wiederwahl an.

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