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Vekselberg und Victory steigen bei Sulzer ein

Sulzer-Hauptsitz in Winterthur. Keystone

Der russische Milliardär Viktor Vekselberg und die österreichische Victory greifen nach weiterem Schweizer Industriekonzern. Nach der Übernahme von Oerlikon und Saurer halten sie nun 32% an Sulzer.

Über den Einstieg war seit Monaten spekuliert worden. Eine vollständige Übernahme sei aber nicht geplant, hiess es.

Die Beteiligung setzt sich zusammen aus 18% Aktien und 14% Optionen, wie Vekselbergs Industrieholding Renova am Freitagabend mitteilte. Sie werden in der Everest Beteiligungs GmbH platziert, die Vekselberg und Victory je zur Hälfte kontrollieren. Der Kaufpreis wurde nicht genannt.

Würde Everest mehr als ein Drittel an Sulzer halten, wäre die Firma zu einem öffentlichen Kaufangebot verpflichtet. Sulzer bestätigte am Freitagabend den Einstieg, gab aber keinen weiteren Kommentar ab.

Die österreichische Victory um Ronny Pecik hat in der Schweiz bereits den Technologiekonzern OC Oerlikon und dann den Maschinenbauer Saurer übernommen.

Vekselbergs Renova-Gruppe ist nach Victory die zweitgrösste Aktionärin von OC Oerlikon. Victory ist zudem beim Telekom-Zulieferer Ascom eingestiegen.

Die Sulzer-Angestellten müssen sich wegen des neuen Grossaktionärs keine Sorgen machen. Es werde sich für sie nichts ändern, ein Stellenabbau sei nicht geplant, versicherte ein Renova-Sprecher. Ein Sitz im Verwaltungsrat von Sulzer sei derzeit kein Thema.

“Industrielle Perle”

“Wir sehen uns als industriellen und langfristig orientierten Investor”, erklärte Renova-Investmentchef Vladimir Kuznetsov. Der neue Grossaktionär steht auch hinter der geplanten internationalen Expansion der Winterthurer.

Sulzer beabsichtigt, die britische Bodycote zu übernehmen. Renova und Victory unterstützen das 2,6 Mrd. Franken teure Übernahmeangebot.

Sulzer sei ein sehr gut positioniertes und geführtes Unternehmen mit fähigem Management, einer soliden Strategie und grossem Potenzial. Vekselberg sprach von einer “industriellen Perle”.

Lob für Standort Schweiz

Dass er in ein weiteres Schweizer Industrieunternehmen investiere, zeige, dass die Schweiz ein guter Standort für Wachstums- und Zukunftsunternehmen sei, die international in der ersten Liga spielten.

Sulzer sei bereits stark auf dem russischen Markt vertreten. Mit ihrem Einstieg leiste die Renova einen Beitrag, um die industrielle und technologische Basis in Russland zu verbreitern.

Fehlende Transparenz

Pecik hatte Ende März erklärt, er habe eine kleine Beteiligung an Sulzer erworben. Die nun erfolgte rasche Aufstockung auf 32% wirft einmal mehr Fragen im Zusammenhang mit den Schweizer Meldepflichten auf.

Weil sich solche Fälle häufen, will die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) mehr Transparenz schaffen und auch Optionen der Meldepflicht unterstellen. Sie eröffnete dazu am Donnerstag eine Anhörung zur dringlichen Revision der Börsenverordnung. Die Anhörung soll bereits am 7. Mai abgeschlossen werden.

Allerdings wurde der Deal bei Sulzer offenkundig erst am Freitag abgewickelt. Gegen Mittag wechselten in mehreren Paketen 786’000 Aktien oder über ein Fünftel des Sulzer-Kapitals die Hand.

Der Preis betrug 1730 Franken je Aktie oder insgesamt rund 1,2 Mrd. Franken. Am Freitag schloss die Sulzer-Aktie 4% höher auf 1800 Franken. Zeitweise wurde ein Rekordhoch von 1814 Franken erreicht.

swissinfo und Agenturen

Die 1834 gegründete Zürcher Sulzer-Gruppe ist ein klassisches Beispiel für die traditionelle Industrie der Schweiz, die in den letzten Jahre unter Druck kam und sich zu Umstrukturierungen gezwungen sah.

Im Maschinen- und Anlagebau sowie in der Oberflächentechnik tätig, beschäftigt Sulzer heute rund 10’000 Mitarbeiter und nimmt in diesen Bereichen weltweit Spitzenpositionen ein.

In der Schweiz arbeiten rund eine Million Menschen im Industriesektor, der aus zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen und einigen multinationalen Konzernen besteht.

Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM), zu der Sulzer gehört, beschäftigt 300’000 Mitarbeiter und produziert rund 40% der Schweizer Exporte.

Die Leichtigkeit, mit der private Beteiligungsgesellschaften wie Victory und Renova Schweizer Traditionsunternehmen übernommen haben, führte zum Ruf nach strengeren Übernahme-Gesetzen.

Heute kann ein Käufer unbekannt bleiben, wenn er maximal 4,99% der Aktien einer Firma gekauft hat. Weitere 4,99% an Optionen – Verträge, die dem Besitzer den Aktienkauf zu einem späteren Zeitpunkt erlauben – sind ebenfalls erlaubt, ohne die Identität preiszugeben.

Zudem können Käufer theoretisch eine unbegrenzte Anzahl von Barauszahlungs-Optionen einer Schweizer Firma kaufen – Verträge, die gegen Bargeld oder Aktien umgetauscht werden können.

Die neuen Vorschläge würden die Identität eines Käufers ab 3% von Aktien und Optionen zusammen verlangen und das Schlupfloch mit den Barauszahlungs-Optionen schliessen. Diese Regeländerungen könnten ab Herbst in Kraft treten.

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