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Vergleich UBS-USA: Zu früh zum Jubeln

Reuters

Der aussergerichtliche Vergleich im Steuerstreit UBS-USA lässt nicht nur die UBS und die Schweizer Regierung aufatmen, sondern auch die Schweizer Presse. Aber zum Jubeln ist es noch zu früh, lautet das Fazit.

“Ambivalentes Ergebnis”, titelt die Neue Zürcher Zeitung, im Berner Bund heisst es gross “Der bittere Nachgeschmack”, “Frohbotschaft mit Vorbehalt”, lautet die Schlagzeile im Zürcher Tages-Anzeiger, und die Berner Zeitung mahnt: “Zu früh zum Jubeln”.

Weniger skeptisch tönen die Schlagzeilen im Blick – “Durchbruch um Mitternacht” – und in der Tessiner Zeitung La Regione Ticino “Endlich gut”. Für die Westschweizer Zeitung Le Temps ist es “der Vergleich, der das Schlimmste verhindert”. Doch gleichzeitig erinnert die Genfer Zeitung daran, dass es sich dabei um einen “aufgezwungenen Präzedenzfall” handelt.

Noch nicht “Ende gut, alles gut”

Die Zeitungen fragen sich, wie weit durch den Vergleich das Bankgeheimnis ausgehöhlt wird. Und weil der Inhalt des Abkommens unbekannt sei, lasse sich nichts über den Preis sagen, “den die UBS und die Schweiz für die Einigung bezahlt haben”. Deshalb bleibt für die NZZ “bei aller Genugtuung eine bedeutende Unwägbarkeit”. Und weiter: “Wird der Inhalt des Abkommens einmal bekannt, könnte die Genugtuung durchaus der Ernüchterung weichen.”

Auch die Berner Zeitung mag nicht jubeln. Denn: “Muss die UBS die Daten von Tausenden von Kunden ohne Verfahren herausgeben, wäre dies ein erneuter Kniefall vor den USA.”

Für den Tages-Anzeiger ist ein “Ende gut, alles gut” zu früh. “Noch ist nicht bekannt, wer welchen Preis zahlt, damit die USA bereit sind, die Daumenschraube zu lockern.”

Den Banken sei offenbar alles lieber als ein Gerichtsverfahren oder der Fortbestand der Rechtsunsicherheit, in der sie sich derzeit befänden, schreibt die Basler Zeitung und meint: “Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass die Amerikaner erhalten, was sie fordern.”

Rüge an die UBS…

Selbst wenn den schweizerischen Unterhändlern ein guter Deal geglückt sein sollte, bleibe ein schaler Nachgeschmack, schreibt der Tages-Anzeiger. “Die UBS hat mit ihrem fahrlässig illegalen Verhalten in den USA nicht nur sich selbst in grösste Schwierigkeiten gebracht. Sie hat Kunden desavouiert, dem Finanzplatz Schweiz einen Imageschaden zugefügt und den Staat in eine äusserst delikate Situation hineingezogen. Ein Gesamtschaden, der sich letztlich nicht beziffern lässt und für den niemand geradestehen wird.”

Noch schärfer ins Gericht mit der UBS geht der Berner Bund: “Die offizielle Schweiz hat sich die Wunden zu lecken: Sie musste es zulassen, zur Geisel eines einzigen Unternehmens zu werden – nur weil dieses Kraft seiner nationalen Bedeutung nicht untergehen durfte.” Das hinterlasse einen “enorm bitteren Nachgeschmack – selbst wenn man die weitere Schwächung des ohnehin schon durchlöcherten Bankgeheimnisses als Preis für den UBS-Vergleich schlucken mag.” Für den Bund bestätigt die Erkenntnis aus der Finanzkrise, dass das Grössenproblem der Schweizer Grossbanken einer Lösung bedürfe.

…und an die Schweizer Regierung

Die Freiburger La Liberté erinnert daran, dass seit der von den Schweizer Behörden angeordneten Aushändigung von 255 Namen von UBS-Konteninhabern in den USA an die US-Steuerbehörde im Februar alles anders ist. Ob man für oder gegen das Bankgeheimnis sei, man müsse hier schlicht von einem “Akt des Verrates” sprechen. “Die Schweiz hat einen Schritt zu viel gemacht. Ihr Bankgeheimnis wird sich davon nie mehr erholen. Ihr Status als Steuerparadies auch nicht.”

Für Le Temps war und ist die Schweiz in der Defensive. “Sie reagiert völlig im Geheimen, ohne dass man eine klare Strategie dahinter sehen kann.” Fazit: “Schon zu lange führen wir einen Abwehrkampf.”

Jean-Michel Berthoud, swissinfo.ch

Im Mai 2008 war den US-Behörden ein Fisch ins Netz gegangen, auf den sie lange gewartet hatten: Eine Untersuchung der Steuerbehörde IRS zu den Tätigkeiten des russischen Immobilienhändlers Igor Olenicoff trug den Ermittlern den Namen seines Privatbankiers Bradley Birkenfeld ein.

Dem ehemaligen Direktor der Private-Banking-Abteilung konnte nachgewiesen werden, im Ausland betrügerische Anlagefonds und Firmen gegründet zu haben, um rund 150 Mio. Dollar an Vermögen reicher Klienten wie Olenicoff zu verbergen.

Im Februar 2009 beugte sich die UBS dem Druck. Nach einer Finma-Verfügung übergab die Bank Daten von rund 250 Kunden, die des Steuerbetrugs verdächtigt wurden. Zudem zahlte sie eine Busse von 841 Mio. Fr.

Danach doppelten die US-Behörden mit der nun hängigen Zivilklage nach. Sie verlangen von der UBS Angaben zu 52’000 Konten, deren Besitzer der Steuer-Hinterziehung verdächtig werden.

Die UBS argumentierte, mit einer Herausgabe der Daten würde Schweizer Recht(Bankkundengeheimnis) verletzt. Die Klage sollte daher aus Respekt vor Rechtssprechung und Souveränität eines anderen Staates nicht weiter verfolgt werden.

Dies vertritt auch die Schweizer Regierung, die selber juristisch nicht Prozesspartei ist.

Am 13. Juli erreichten die Parteien im Rechtsstreit einen Aufschub des Prozessbeginns bis am 3. August. Dieser sollte eine aussergerichtliche Einigung erleichtern.

Am 31. Juli traf Aussenministerin Micheline Clamy-Rey in Washington mit ihrer US-Amtskollegin Hillary Clinton zusammen. Dabei ging es unter anderem um den Rechtsstreit.

Am 7. August gewährte US-Richter Alan Gold einen weiteren Aufschub im UBS-Steuerstreit.

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