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verlagerung: zwischen vorsatz und realität

Hupac ist Pionier in Sachen intermodaler Verkehr in Europa. (Bild: Hupac) Foto: Hupac

Seit Jahren setzt sich die Schweiz für eine nachhaltige Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene ein.

Der kombinierte Verkehr hat in dieser Strategie eine besonders wichtige Bedeutung. Trotzdem wächst der Anteil des Güterverkehrs via Strasse stärker als auf der Schiene.

In keinem anderen europäischen Land werden so viele Güter auf der Schiene transportiert wie in der Schweiz: Im Jahr 2005 waren es 65% des Güteraufkommens im Transitverkehr.

Zum Vergleich: Im Nachbarland Österreich erreicht der Anteil des Bahngüterverkehrs im Transit gerade mal 24%. Für ganz Europa beträgt der Durchschnitt 16%.

Die Situation in der Schweiz ist kein Zufall. Die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene ist ein entscheidender Bestandteil der Schweizer Verkehrspolitik.

Nach der Zustimmung zur so genannten Alpeninitiative im Jahr 1994 hat die Eidgenossenschaft das

Verlagerungsziel sogar in der Bundesverfassung festgeschrieben.

Um die Bahn gegenüber der Strasse konkurrenzfähig zu halten, werden grosse Investitionen ins Schienennetz getätigt. Am Lötschberg und Gotthard entstehen zur Zeit die neuen Alpentransversalen mit den jeweiligen Basistunnels.

Schwerverkehrs-Abgabe

Für Camions wurde eine Schwerverkehrsabgabe eingeführt. Bern unterstützt zudem den intermodalen oder kombinierten Verkehr sehr kräftig.

Bedeutende Container-Terminals zum Umladen von Lastwagen auf Güterzüge sind in Busto Arsizio

(Italien) und Singen (Deutschland) mit Schweizer Geldern verwirklicht worden.

“Wir gehören zu den Pionieren des kombinierten Verkehrs in Europa”, sagt Irmtraut Tonndorf, Sprecherin von Hupac. Die in Chiasso angesiedelte Firma ist Marktleader im kombinierten Verkehr und wickelt europaweit zirka 200 Güterzüge pro Tag ab.

Die Idee des intermodalen Verkehrs ist 1964 in den USA entstanden. “Wir haben sie aufgenommen und an unsere geografischen und logistischen Realitäten angepasst”, so Tonndorf.

Diese Realität beinhaltet in der Schweiz etliche Bergstrecken und Tunnels mit geringer Profilhöhe.

“In den letzten Jahren haben wir uns ständig erneuert, sowohl in kommerzieller als auch in technischer Hinsicht”, führt Tonndorf aus.

Zum Beispiel mit dem Service “Shuttle Net”, einem System für Nonstop-Verbindungen in ganz Europa. Oder mit technischen Veränderungen am Rollmaterial, um den Transport hoher Lastwagenanhänger durch Tunnels zu ermöglichen.

Begleitet oder unbegleitet?

Im Jahr 2005 beförderte Hupac rund 520’000 Strassensendungen auf der Schiene. Dies entspricht einem Zuwachs von 15,9% gegenüber dem Vorjahr. Der Löwenanteil wird im transalpinen Verkehr zwischen

Italien und Deutschland/ Nordeuropa abgewickelt.

95% der Transporte erfolgen im unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV), bei dem Container und LKW-Anhänger von Terminal zu Terminal reisen und dort auf Camions umgeladen werden.

Nur 5% der Transporte erfolgen über die so genannte “Rollende Landstrasse”, bei der ganze Lastwagen auf einen Zug geladen werden und die Chauffeure mitreisen. Dieses Modell ist aber rückläufig.

Laut Experten ist der kombinierte Verkehr Strasse/Schiene heute die effizienteste Transportform. Ihre Effizienz ist vor allem bei Entfernungen von mehr als

600 Kilometern in flachem Gelände oder bei 300 Kilometern im Alpenraum gegeben.

“Sicherlich stellt der Transport von Containern und LKW-Anhängern via Schiene über lange Distanzen eine Lösung für die Zukunft dar”, meint Beat Keiser, Sprecher des Schweizerischen Nutzfahrzeug- Verbands (Astag). Doch man dürfe nicht vergessen, dass diese Art Transport nur dank grosszügigen Subventionen attraktiv sei.

Paradox, aber wahr: Trotz zweistelliger Zuwachsraten bei Hupac wächst der kombinierte Verkehr zu wenig. Die Strasse hat auch in der Schweiz wieder Marktanteile gut gemacht. Denn in den letzten 10 Jahren hat der Transport auf der Strasse

gegenüber dem Bahngüterverkehr gewonnen. Der Marktanteil für die Bahn fiel von 73% (1995) auf 65% (2005).

Das Verhältnis hat sich den letzten vier Jahren stabilisiert und die Zahl der Lastwagen ist seit 2000 leicht zurückgegangen. Betrachtet man die Gesamtentwicklung des Gütertransports geht trotzdem die Strasse als Gewinner hervor.

“Die Verlagerung kommt langsam voran”, stichelt Hansruedi Müller, Präsident des Verbandes Schweizerischer Strassenbau- Unternehmer (Vespra), “nur in die falsche Richtung”.

swissinfo, Marzio Pescia (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Schweizerische Verkehrspolitik verfolgt das erklärte Ziel, den Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern.

Die Zahl der alpenquerenden Camions muss von heute 1,2 Millionen (2005) bis zum Jahr 2009 auf 650’000 reduziert werden. Dieses Ziel kann unmöglich erreicht werden.

Beim kombinierten oder intermodalen Transport werden diverse Transportmöglichkeiten kombiniert: Lastwagen, Bahn, Schiff, Flugzeug. Die Strasse wird nur zur lokalen Auslieferung benutzt.

In den letzten 20 Jahren hat sich der Güterverkehr in der Schweiz verdoppelt.
1981 wurden 90% der Waren via Bahn transportiert.
Trotz der enormen Anstrengungen zugunsten des Bahngüterverkehrs ist dieser Anteil auf 65% geschrumpft.
Gleichwohl bleibt die Schweiz mit diesem Anteil europäischer Spitzenreiter im Bahngüterverkehr.

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