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Volk unterstützt Regierungspolitik

Die Schweizer Regierung konnte mit den Abstimmungs-Ergebnissen zufrieden sein. Keystone

Die Stimmenden erteilen der Linken eine schallende Ohrfeige, sämtliche sieben Volksinitiativen scheitern deutlich. Armee und Zivilschutz werden wie geplant verkleinert.

Die Regierung zeigt sich erfreut über den Sukkurs am Abstimmungssonntag.

Das Scheitern von Volksinitiativen ist eigentlich beinahe die Regel: Seit 1891 wurde auf Bundesebene über 157 Initiativen abgestimmt: Nur 13 wurden von Volk und Ständen angenommen, 144 verworfen.

Diesen Sonntag erteilten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger allen sieben Initiativen eine Abfuhr. Am deutlichsten Schiffbruch erlitt die Gesundheits-Initiative der Sozialdemokraten. Doch auch die Moratoriums-Initiative für Kernkraft-Anlagen, der im Vorfeld gewisse Chancen eingeräumt worden waren, blieb chancenlos.

Die Landesregierung war hoch erfreut über den Ausgang der eidgenössischen Abstimmung. Das Volk habe Vertrauen bewiesen in Bundesrat und Parlament, sagte Bundespräsident Pascal Couchepin, der gemeinsam mit seinen Regierungskollegen Samuel Schmid, Ruth Metzler, Moritz Leuenberger und Joseph Deiss vor die Medien trat. Es habe Reife gezeigt und bewiesen, dass es “kein müdes Volk” sei.

Hohe Stimmbeteiligung

Die Stimmbürger seien nicht geflohen vor der Fülle so vieler Vorlagen – so viele wie seit dem Jahr 1866 nicht mehr, erklärte Couchepin vor den Bundeshausmedien. Im Gegenteil: Mit 48% liege die Stimmbeteiligung höher als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre.

Im Vorfeld des Mammut-Abstimmungssonntags war immer wieder spekuliert worden, dass die Fülle der Vorlagen die Bürgerinnen und Bürger überfordern und zu Stimmverweigerung führen könnte. Nun zeigte sich klar: Die grosse Zahl der Themen hat nicht demobilisiert, sondern mobilisiert.

Mit “sehr grosser Befriedigung” nehme die Landesregierung auch zur Kenntnis, dass die Abstimmung keine Barrieren zwischen den Sprachregionen zeigte, so Couchepin weiter.

67% Nein zur Mieter-Initiative

Einzig im Kanton Genf fand diese Initiative eine knappe Mehrheit. Am wuchtigsten wurde sie in der Zentral- und in der Ostschweiz abgelehnt.

Die Initiative “Ja zu fairen Mieten” hatte verlangt, dass Hypothekarzins-Senkungen automatisch an die Mieter weitergegeben werden. Ausserdem sollte der Kündigungsschutz ausgebaut werden.

62% Nein zur Sonntags-Initiative

In keinem Kanton fand die Sonntags-Initiative Zustimmung. Nach jahrelangen Versuchen, autofreie Sonntage einzuführen, ist die Idee mit dem klaren Verdikt des Bundes wohl definitiv vom Tisch. Weiterhin werden Erlebnistage bloss regional durchgeführt werden.

Die Initiative “für einen autofreien Sonntag pro Jahreszeit – ein Versuch für vier Jahre (Sonntagsinitiative)” hatte für einen Sonntag pro Jahreszeit den motorisierten Privatverkehr von allen öffentlichen Plätzen und Strassen verbannen wollen.

73% Nein zur Gesundheits-Initiative

Ihren Hauptakzent setzten die Sozialdemokraten in ihrem Abstimmungskampf auf die Gesundheits-Initiative. Doch nach einem Zahlen-Hickhack im Vorfeld über die künftige Umverteilung der Gelder wollten die Stimmenden von der Initiative nichts wissen.

Deutlicher als erwartet schickten sie die Vorlage bachab, am Klarsten war die Ablehnung in der Zentralschweiz.

Die Initiative “Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)” hatte die Kopfprämien abschaffen und so die Gesundheitskosten stabilisieren wollen.

62% Nein zur Behinderten-Initiative

Während bei den anderen Vorlagen kaum Unterschiede zwischen den Sprachregionen auszumachen sind, erhielt die Behinderten-Initiative bei den Stimmenden in der lateinischen Schweiz etwas mehr Unterstützung. Zu einer Ja-Mehrheit reichte es allerdings nur in den Kantonen Tessin, Jura und Genf.

Die Initiative “Gleiche Rechte für Behinderte” hatte Menschen mit Behinderungen Nicht-Behinderten gleichstellen wollen. Sie hätten Zugang zu öffentlichen Bauten, Anlagen, Einrichtungen und Leistungen haben sollen, soweit dies wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre.

66% Nein zum Ausstieg aus der Kernenergie, 58% Nein zum Moratorium

Die Schweizer Stimmberechtigten sind weniger kritisch gegenüber der Atomenergie als noch vor 13 Jahren. Sie lehnten beide Vorlagen deutlich ab. Ja-Mehrheiten gab es nur in Baselstadt zu beiden Vorlagen, in Baselland gab es Zustimmung zur Moratoriums-Initiative.

Die Initiative “Strom ohne Atom” hätte alle Schweizer Kernkraftwerke schrittweise stilllegen wollen. Die Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente wäre verboten worden. Die Initiative “MoratoriumPlus” hätte die Betriebsdauer für die bestehenden Kernkraftwerke begrenzen wollen, über Verlängerungen hätte das Volk entscheiden können.

68% Nein für Lehrstellen-Initiative

In der lateinischen Schweiz sind mehr Menschen, auch junge Personen, von Arbeitslosigkeit betroffen als in der Deutschschweiz. Entsprechend war die Ablehnung der Lehrstellen-Initiative in der Romandie und im Tessin weniger deutlich. Allerdings fand die Vorlage in keinem Kanton eine Mehrheit.

Die Initiative “für ein ausreichendes Berufsbildungsangebot (Lehrstelleninitiative)” wollte das Recht auf eine ausreichende berufliche Ausbildung in der Bundesverfassung verankern. Wenn die Wirtschaft nicht genügend Lehrstellen bereitstellt, hätten Bund und Kantone einspringen und Berufsbildungsmöglichkeiten anbieten sollen.

76% Ja zu Armee-, 81% Ja zu Bevölkerungsschutz-Reform

Armee und Bevölkerungsschutz werden modernisiert und verkleinert. Die Stimmenden aller Kantone haben den beiden Gesetzen mit grosser Mehrheit zugestimmt. Das Referendums-Komitee hatte vergeblich betont, mit den Reformen würde die Armee allzu sehr beschnitten.

swissinfo, Eva Herrmann

Schlussresultat der Bundeskanzlei:

Stimmbeteiligung: 48,3%

Armeereform:
Ja: 76,0% Nein: 24,0%

Zivilschutzreform:
Ja: 80,5% Nein: 19,5%

Mieterschutzinitiative:
Ja: 32,7% Nein: 67,3%

Sonntagsinitiative:
Ja: 37,6% Nein: 62,4%

Gesundheitsinitiative:
Ja: 27,2% Nein: 72,8%

Behinderteninitiative:
Ja: 37,7% Nein: 62,3%

Strom ohne Atom:
Ja: 33,7% Nein: 66,3%

MoratoriumPlus:
Ja: 41,6% Nein: 58,4%

Lehrstelleninitiative:
Ja: 31,6% Nein: 68,4%

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