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Volk will Rütlifeier

Das Rütli aus der Vogleschau: Wird es sich am 1. August auch so menschenleer präsentieren? Keystone

Das Schweizer Volk ist für eine offizielle 1.-August-Feier auf der Schweizer Nationalwiese, dem Rütli, wie eine Umfrage des SonntagsBlick zeigt.

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey lässt sich jedenfalls trotz Kritik nicht von einem Rütli-Besuch am Nationalfeiertag abhalten. Sie will vor Extremisten keinen Kniefall machen.

Ein Nationalfeiertag ohne Feier auf dem Rütli kommt für eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung nicht in Frage: 57,5% sprechen sich für eine Rütlifeier aus, 35,7% sind dagegen, wie die repräsentative Umfrage des SonntagsBlick zeigt.

Gut die Hälfte (56,2%) der Befragten findet, der Bund müsse sich finanziell an den Sicherheitskosten beteiligen. 39,4% sprachen sich in der Umfrage gegen eine solche Beteiligung aus.

Feiern Ja , Reden Nein

Für fast zwei Drittel (64,3%) ist das Rütli ein “Symbol für die Schweiz”. Damit erteilte die überwiegende Mehrheit der Befragten Ueli Maurer, dem Präsidenten der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), eine Abfuhr: Nur gerade 6% finden, das Rütli sei “nur eine Wiese mit Kuhdreck”, wie Maurer gesagt hatte.

Die Mehrheit der Befragten wünscht sich auf dem Rütli aber ein Familienfest ohne Reden (53%). Nur 26% bevorzugen den bisherigen Ablauf einer Feier mit Reden.

“Es geht um die Redefreiheit”

Genau dies hat aber Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey vor. Sie wolle aufs Rütli und dort sprechen, sagte sie in einem Interview mit der Sonntagszeitung. Es gehe inzwischen um mehr als einen einfachen Auftritt der Bundespräsidentin.

“Jetzt geht es um die Rede-, Meinungs- und Bewegungsfreiheit in unserem Land.” Dies seien Grundwerte der Gesellschaft, die auf dem Spiel stünden. Denn extremistische Bewegungen wollten die Äusserungsfreiheit der anderen verbieten. “Das ist undemokratisch und inakzeptabel.”

Wenn sie nicht auf das Rütli ginge, wäre dies ein Kniefall vor den Extremisten, sagte Calmy-Rey. “Dann werden wir Mühe haben, auch anderswo unsere Freiheit zu bewahren.” Wenn das Rütli ausgerechnet am Nationalfeiertag gesperrt werde, sei dies eine “Schande”.

Aufruf ans Volk

In einem Interview mit der Westschweizer Sonntagszeitung Le Matin Dimanche rief die Bundespräsidentin die Schweizerinnen und Schweizer auf, mit ihr aufs Rütli zu pilgern. So könne den Extremisten klar gemacht werden, dass die Schweiz an den Grundwerten festhalte.

Calmy-Rey wehrte die Kritik ab, dass sie mit dem Appell Familien gefährden könnte, weil diese auf dem Rütli zwischen die Fronten von Rechts- und Linksextremen geraten könnten. Sie glaube nicht, dass man sich auf der Rütliwiese prügeln könnte.

Im Interview betont Calmy-Rey auch, das Rütli stehe für die Gründung der Eidgenossenschaft und für die Freiheit. “Daraus hat sich die demokratische, kulturell vielfältige Schweiz entwickelt. Das Rütli gehört allen.”

Kein Geld vom Bund – keine Feier

Die Rütlikommission hatte am Donnerstag nach langem Hin und Her die Feierlichkeiten abgesagt. Zu gross waren die Hindernisse für eine Durchführung. Die Anrainerkantone des Vierwaldstättersees fürchteten den grossen Aufwand, um die Rechtsextremen vom Rütli fernzuhalten.

Sie baten deshalb den Bund um Hilfe. Der Bundesrat lehnte es aber ab, sich an den Kosten zu beteiligen. Im vergangenen Jahr beliefen sich diese auf rund zwei Millionen Franken.

Geplant war für dieses Jahr eine traditionelle patriotische Feier mit den beiden höchsten Schweizerinnen, Bundespräsidentin Michelin Calmy-Rey und Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi. Sie wäre zusammen mit der Frauenorganisation Alliance F organisiert worden.

swissinfo und Agenturen

Die im Kanton Uri am Vierwaldstättersee gelegene Rütliwiese gilt als die Geburtsstätte der Eidgenossenschaft.

Am 1. August 1291 beschworen laut der Sage die drei Abgesandten der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden, nämlich Walter Fürst, Werner Stauffacher und Arnold von Melchtal, den ewigen Bund der Waldstätte.

Der Chef der Schweizer Armee, General Guisan, hielt 1940 vor den höchsten Offizieren eine historische Rede auf dem Rütli, wo er zum Widerstand gegen eine allfällige Invasion der deutschen Truppen aufrief.

Jedes Jahr findet auf dem Rütli am 1. August eine kleine Nationalfeier statt. Zweimal, 2000 und 2005, wurde die Feier von rechtsextremen Demonstranten gestört, welche die Reden der jeweiligen Bundespräsidenten unterbrachen.

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