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Volksinitiative für Minarett-Verbot

Das Minarett in Zürich steht seit 1963.

Der Bau von Minaretten in der Schweiz soll untersagt werden. Rechtsaussen-Politiker haben in Bern eine entsprechende Volksinitiative lanciert.

Bis zur Volksabstimmung über das Minarettverbot fordern die Initianten ein Moratorium für islamische Bauwerke auf allen Staatsebenen.

Mit ihrer Volksinitiative “Gegen den Bau von Minaretten” wollen Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) “religiös-politischen Machtanspruch” des Islams zurückweisen.

Dem Komitee gehören unter der Führung der Nationalräte Ulrich Schlüer (SVP), Walter Wobmann (SVP) und Christian Waber (EDU) 35 der 55 SVP-Nationalräte, ein SVP-Ständerat und die beiden Nationalräte der EDU an. Das Komitee hat bis zum 1. November 2008 Zeit, die nötigen 100’000 Unterschriften beizubringen.

Die Initiative dürfte ein Thema der SVP-Delegiertenversammlung vom 30. Juni sein. Die Partei ist wegen der Baugesuche für Minarette in Wangen (SO), Langenthal (BE) und Wil (SG) und wegen der Pläne für ein muslimisches Zentrum im Berner Nordquartier besorgt. Sie fürchtet eine “islamische Parallelgesellschaft”.

Bis zur Volksabstimmung über das Minarettverbot müsse ein Moratorium für islamische Bauwerke auf allen Staatsebenen gelten, sagte Schlüer. Bevor weitere Bauten bewilligt würden, sei das demokratische Mitbestimmungsrecht der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sicherzustellen.

“Nichts mit Religion zu tun”

Schlüer sagte weiter gegenüber swissinfo: “Minarette haben nichts mit Religion zu tun: Sie werden weder im Koran noch in anderen wichtigen islamischen Texten erwähnt. Sie symbolisieren lediglich einen Platz, in dem islamisches Recht herrscht.”

Niemand in der SVP sei gegen die Muslime, sagte Schlüer weiter. “Meiner Ansicht nach haben alle Muslime in der Schweiz das Recht, hier zu leben. Aber sie haben zu respektieren, dass wir westlich orientierte liberale Gesetze haben. Und diese Gesetze sind für alle hier Lebenden gültig.”

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Verletzte Muslime

Den Argumenten des Initiativkomitees kann Adel Méjri, führendes Mitglied der Liga der Muslime der Schweiz, nicht folgen. Er entgegnet, der Bau von Minaretten sei nicht nur für die Schweizer Muslime eine Priorität.

“Als eine Organisation, die Muslimen hilft, sich zu integrieren, sind wir geschockt über diese Initiative. Unserer Meinung nach stehen wichtigere Dinge auf der Tagesordnung. Aber die Lancierung dieser Initiative blockiert die Möglichkeit eines Dialogs.”

Nur mit einem Dialog könnten Lösungen gefunden werden, so Méjri. “Aber die aggressive – oder soll ich sagen ‘islamophobe’ – Art, mit der Minarette bekämpft werden, könnte unvorhergesehene Konsequenzen haben. Denn diese Initiative bedroht den Frieden und verletzt die Muslime.”

Völkerrechtliche Bedenken

Der ehemalige Bundesgerichtspräsident Giusep Nay meldet zudem völkerrechtliche Bedenken an. Seiner Ansicht nach tangiert die Initiative sehr wohl die Religionsfreiheit. Sie verletze die Europäische Menschenrechtskonvention und damit Völkerrecht.

In einem Interview mit der “Mittelland Zeitung” vom Donnerstag empfiehlt Nay dem Parlament, die Initiative dereinst für ungültig zu erklären.

Bischöfe nicht gegen Minarette

Im Streit um den Bau von Minaretten hat sich auch die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) eingeschaltet: Angst sei in dieser Frage ein schlechter Ratgeber.

Der Bau eines Minaretts solle erlaubt sein, wenn er mit den Gesetzen in Einklang stehe. Er solle verboten werden, wenn mit dem Bau offensichtlich oder unterschwellig Ziele verfolgt würden, die den Religionsfrieden in der Schweiz gefährden könnten.

Es nütze aber wenig, gegen den Bau eines Minaretts zu kämpfen, ohne zu wissen, welche Aktivitäten in der Moschee angeboten würden. Wichtiger als das Minarett sei darum die Kontrolle der Aktivitäten in einer Moschee.

Etwas deutlicher hatte sich bereits letztes Jahr der Basler Bischof und heutige SBK-Präsident Kurt Koch für den Bau von Minaretten ausgesprochen. Ein Minarett sei für die Muslime ein Zeichen der Identität. Es liege im Interesse der Religionsfreiheit, Muslimen Moscheen mit Minaretten zuzugestehen.

swissinfo und Agenturen

Ein Minarett ist ein Turm mit einem Balkon, von dem der Muezzin die Muslime zum Gebet aufruft. Das Minarett ist traditionsgemäss Teil einer Moschee. In modernen Moscheen ist das Minarett mit Lautsprechern ausgerüstet.

In der Schweiz haben lediglich die Moscheen von Genf und Zürich ein Minarett. Zum Gebet aufgerufen wird von dort aber nicht.

Das Christentum zählt weltweit 2,1 Milliarden, der Islam 1,3 Milliarden, das Judentum 15 Millionen, der Hinduismus 850 Millionen, der Buddhismus 375 Millionen und die Baha’i 7 Millionen Anhänger.

In der Schweiz gehören über drei Viertel der Wohnbevölkerung einer christlichen Konfession an: 42% sind Katholiken, 35% Protestanten und 2,2% gehören anderen christlichen Religionen an.

Der Islam ist mit über 310’000 Anhängern (4,3%) die zweitwichtigste Religion des Landes. 12% von ihnen haben einen Schweizerpass. Die meisten Muslime in der Schweiz kommen aus dem Balkan oder der Türkei.

Die jüdische Gemeinde zählt in der Schweiz nur knapp 18’000 Mitglieder (0,2%). 80% von ihnen sind Schweizer Bürger.

Ferner leben 28’000 Hindus, 21’000 Buddhisten und rund 1000 Baha’i im Land.

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