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Vom American Dream zur Erotik

John Bernhard und sein 'Texas Dream'. swissinfo.ch

John Bernhard, 1980 von der Schweiz in die USA ausgewandert, hat ein breitgefächertes Ziel: Der Fotograf hält die nicaraguanische Armut, den texanischen Cowboy und eine sehr trügerische weibliche Nacktheit fest.

Die Bilder des Schweizers sind jetzt in Genf zu sehen.

Mitten im internationalen Sektor Genfs, unweit der UNO und nahe der in ein befestigtes Lager umgewandelten Diplomatischen Mission der USA, gibt es einen grossen Park und eine prunkvolle Villa, das Château de Penthes. Hier befindet sich seit 1978 das “Musée des Suisses dans le monde” (Auslandschweizermuseum).

Der Ort ist den Schweizerinnen und Schweizern gewidmet, die sich im Ausland in Kunst, Politik oder Technik einen Namen gemacht haben. Denn die Schweiz war erst ein Auswanderungsland, bevor sie zum Einwanderungsland wurde.

Im Château de Penthes wird vieler berühmter Verstorbener gedacht. Und seit einigen Tagen auch eines noch sehr lebendigen Schweizers, der in Houston im US-Bundesstaat Texas lebt: John Bernhard bereiste ein Jahr lang die USA als Tourist, bevor er sich 1980 entschloss, dort zu bleiben. Für ihn ist der amerikanische Traum zur wunderbaren Wirklichkeit geworden.

Nicaragua

Die Ausstellung im Château de Penthes zeigt den Weg des Fotografen in sechs chronologisch und thematisch aufgebauten Teilen. Ein sehr abwechslungs- und kontrastreicher Weg, der vielleicht auch ein wenig widersprüchlich erscheinen mag – was ihn dafür umso interessanter macht.

Am Anfang standen soziale Anliegen: Das Nicaragua der 1980er-Jahre, die Epoche, in der die Sandinisten von den “Contras” bekämpft wurden, die ihrerseits von Amerika Unterstützung erhielten. Es war auch die Epoche der von den selben Amerikanern auferlegten Wirtschaftsblockade.

“Es war eine Epoche, in der ich mich engagierte, wie viele Junge damals”, erzählt Bernhard. Revolutionen faszinierten mich, und in Nicaragua fand für mich die letzte Revolution statt. Ich wollte sie dokumentieren, sehen, was die Contras bewirkten”, fährt er in einer Sprache weiter, in der sich angelsächsischer Tonfall und Spuren seines Genfer Akzents vermischen.

Wie kann man gleichzeitig Anhänger der USA sein und jene fotografieren, welche unter den Auswirkungen der interventionistischen Politik Amerikas leiden? “Das ist das Schöne an Amerika. Man kann auf beiden Seiten stehen. Man kann links und rechts Freundschaften haben, seine politischen Ideen äussern, ohne die Freundschaft der anderen Seite zu verlieren”, erwidert der Fotograf.

Rodeo

Im zweiten Teil ist seine zweite “grosse Reportage” zu sehen: Das jährliche Rodeo in Houston. “Diese Reportage hängt mit dem berühmten Kindheitstraum jener zusammen, die mit den Fernsehfilmen von John Wayne aufgewachsen sind. Der amerikanische Cowboy wird in Amerika wie ein Held verehrt und in der ganzen Welt bewundert”, so Bernhard.

“Ich habe den amerikanischen Traum mit seiner Idee des Erfolgs – aber nicht des finanziellen Erfolgs – aufgenommen. Ich denke, der Cowboy lebt seine Leidenschaft aus. Es ist ihm vollständig egal, ob er Geld hat oder nicht.”

American Dream, Cowboys, Texas … Aber heute gibt es doch die Gleichung Texas gleich Bush, die in unseren Breitengraden nicht gerade auf grosse Beliebtheit stösst. Wie erlebt dies Bernhard? “Es stimmt, unser Präsident hat dieses Bild des Cowboys getrübt. Es ist wohl der einzige Präsident, der mehr in den Ferien auf seiner Ranch, mit diesem Hut auf dem Kopf, als im Weissen Haus weilt.”

Versteht man denn in Texas die Vorwürfe an die Adresse Bushs? “Nein. Die Leute wissen zu wenig. Sie sind ziemlich naiv. Sie verstehen nicht, dass man in Europa, das sie lieben, gegen seine Ideen sein kann.”

Ärgern diese Scheuklappen den gebürtigen Genfer nicht? “Doch. Aber es ist auch ärgerlich, wenn ich nach Genf zurückkomme und einige Leute von Amerika sprechen, als ob sie drüben zuhause wären, während sie gar nie dort waren und ihre Meinung aufgrund von zwei oder drei Zeitungen gemacht haben. Es ist auch auf europäischer Seite eine gewisse Naivität vorhanden.”

Nacktheit und Metamorphosen

In den 1990er-Jahren macht John Bernhard keine Reportagen mehr. Er beginnt sich vielmehr für den weiblichen Körper zu interessieren, einen nackten, jedoch mittels Projektionen bekleideten Körper.

In der Serie “Nude Metamorphs” hat der Künstler verschiedene Reliefs auf Körper projiziert, die sich dort mit der Materie vermischen, so Struktur erhalten, faszinieren und zugleich beunruhigen. Mit “Evanescence – a spiritual Journey” spielt er zwar immer noch mit Projektionen.

Es geht ihm aber mehr um die besondere Atmosphäre. Verschwommen und strahlend wird die Nacktheit weicher, erinnert eher an Glanzpapier, wird zur Softerotik.

“‘Metamorphs’ hat einen eher intellektuellen Ansatz. Einige Bilder sind verwirrend. ‘Evanescence’ dagegen verlangt keine Interpretation. Es geht vielmehr um die Schönheit der Linien, die Sinnlichkeit des Körpers. Es ist eine Träumerei. In Amerika stösst ‘Evanescence’ auf mehr Anklang, in Europa ‘Metamorphs’.”

Spiel mit den Ebenen

Aber nun scheint Bernhard dem Weg der Konfrontation der Bilder zu folgen. So deckt “Diptyque” alle Epochen seiner Arbeit ab und spielt mit den Zufälligkeiten der formellen Übereinstimmungen zwischen zwei Fotos, um Parallelen, Gegensätze oder semantische Überraschungen hervorzurufen.

So sind auf dem Plakat der Ausstellung der Kopf eines Nashorns und ein schwangerer Frauenkörper nebeneinander abgebildet. Und das scheint nicht so unmotiviert, wie man meinen könnte.

Und schliesslich spielt “Transformation – mystic apparitions”, seine jüngste Serie, mit der Nacktheit, der Materie und dem Nebeneinanderstellen. Mehrere Fotos nebeneinander, 5 oder 6 Bilder. Und die Landschaft, ein Ast, eine tote Eidechse werden zu einem Körper.

Es ist eine Art Synthese des Vorangegangenen. So, als ob jede Periode, jeder Ansatz bei Bernhard die Grundlage für seine nächste Etappe ist.

swissinfo, Bernard Léchot
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Das Musée des Suisses dans le Monde befindet sich seit 1978 in Penthes bei Genf.
Es zeigt Objekte von historischem oder künstlerischem Wert von Auslandschweizerinnen und -schweizern vom 15. Jahrhundert bis heute.
Die Ausstellung John Bernhard dauert vom 25. September bis zum 12. Dezember.

John Bernhard wurde 1957 in Genf geboren.

Er wandert 1980 in die USA aus und erhält 1984 ein Diplom vom New York Institute of Photography.

Er lebt heute in Houston, Texas.

Sein Studio, seine Galerie und sein Haus hat er selber entworfen und gebaut.

Der Berufsgrafiker und -fotograf arbeitet selbständig, erhält aber auch Aufträge von Firmen.

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