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Von Goethe bis zum Deutschen Schlager

Prominenter Auslandschweizer: Josef Ackermann, CEO der Deutschen Bank. Keystone

Finanzkrise, Goethe, Deutscher Schlager: Josef Ackermann, gegenwärtig der wohl prominenteste Schweizer in Deutschland, erzählte Mitte Woche in Zürich aus seinem Erfahrungsschatz.

Auch als Auslandschweizer sollte man gewisse Eigenarten beibehalten und sich nicht unnötig dem Gastland anbiedern: Als Schweizer könne man das, was einen in der Heimat besonders in jungen Jahren geprägt hat, nicht verleugnen. Sei es der Akzent in der Sprache, das Verbindliche im Charakter oder das Bedächtige im Auftreten.

Dies konstatiert der Spitzenbankier Josef Ackermann nach 14 Jahren Erfahrungen im Ausland.

Als CEO der Deutschen Bank und ausgewiesener Finanz- und Führungs-Fachmann hat er, selbst um Konstanz und Bedacht bemüht, viel Auf und Ab in seiner Popularität durchmachen müssen.

Den Deutschen, die in der Schweiz leben, empfiehlt der erprobte Expat deshalb, ein zu bundesdeutsch gefärbtes “Grüützi” lieber sein zu lassen…

Auch sein helvetisches Deutsch habe in Frankfurt zu Beginn zu vielen fragenden Blicken geführt. Sogar im Sprachalltag des Sitzungsdeutschs sei er zuerst nicht immer verstanden worden: Bei Begriffen wie “Traktandenliste”, “Pendenzen” oder dem “Äufnen” von Kapital hätten ihn die Leute mit grossen Augen angeschaut.

Schweizer in Deutschland wirken, so Ackermann, häufig auf Grund ihrer weniger geschliffenen Ausdrucksweise “etwas schwarz-weisser” als Einheimische. “Aber wir stehen zu dem, was wir sagen – und sagen genau das, was wir denken.”

“Unglaublich offene Gesellschaft”

Der in Wirtschafts- und Politkreisen verkehrende Bankier bescheinigt den Deutschen, eine “unglaublich offene Gesellschaft” zu haben. “Man wird auch sehr früh schon ermuntert, sich kritisch zu äussern.” Er sei zu Beginn als Schweizer sehr zurückhaltend gewesen, so etwa in Bezug auf Äusserungen zur deutschen Innenpolitik.

Andererseits sei natürlich jeder Nebensatz, den er gesagt habe, mit Argusaugen beobachtet und kommentiert worden. Böse Artikel habe es gegeben. Und dennoch habe er im Alltag oft unerwartete Liebenswürdigkeiten erfahren, obschon “auch in Deutschland die Banker zur Zeit nicht zur beliebtesten Sorte von Menschen gehören.”

Besonders, wenn man wie er schon frühzeitig unangenehme Wahrheiten anzusprechen pflege. Schon im Frühstadium der Finanzkrise hatte Ackermann die Notwendigkeit einer konzertierten Aktion zwischen Notenbanken, Regierungen und Banken betont.

“Da schrien alle auf: Der ruft ja nach mehr Staat!” Als sich diese Notwendigkeit später wirklich einstellte, ausgerechnet die Deutsche Bank aber keine Staatsgelder brauchte, sei Ackermann wiederum kritisiert worden: Er wolle ja den Staat nicht …

Spannungsgeladenes Verhältnis

Vom spannungsintensiven Verhältnis zwischen Schweizern und Deutschen habe Ackermann in Deutschland selbst nichts zu spüren bekommen: “Weil Deutschland einen hohen Respekt vor der Schweiz hat.”

In einer Umfrage hätten sogar 35% der befragten Deutschen der Schweiz zugestanden, die besten Banker hervorzubringen – mehr als sie sich selber zuschrieben, aber dafür kombiniert mit Langsamkeit und eingeschränkter sprachlicher Gewandtheit.

Umgekehrt kenne man ja die Vorurteile der Schweizer gegenüber ihrem grösseren Nachbarn bestens. Wobei laut Ackermann Deutsche und Schweizer viel enger beieinander stehen als man vielerorts annimmt. Seine Jugend sei zumindest medial und kulturell stark deutsch geprägt gewesen.

“Gewisse Diskussionen am deutschen Fernsehen waren bei uns zu Hause fast ein Ritual. Auch die Bundesliga oder deutsche Schlager gehörten dazu”, so Ackermann. “Kulturell war damals die Verbindung sehr eng. Wir lasen von Goethe bis zu den Zeitgenossen dieselben Autoren wie die Deutschen.”

Börsenchefs und Zoodirektoren

Bei aller Dominanz, die das Thema “Deutsche in der Schweiz” prägt, sei er doch erstaunt gewesen, wie viele Schweizer in Deutschland wichtige Schlüsselpositionen einnehmen. “Wir haben eine Heimweh-Schweizergruppe in Frankfurt. Da machen neben dem Konsul zum Beispiel auch der Zoodirektor oder der Börsenchef mit.”

Was aber nicht heissen soll, Deutschland sei für Schweizer ein einfaches Pflaster. “Schweizer müssen sich in Deutschland am Arbeitsplatz generell auf einen stärkeren Wettbewerb einstellen. Nicht alle können sich da bewähren. Und ein Schweizer, der nach Deutschland will, muss bereit sein, sich dem zu stellen.”

Andererseits sei es für einen Schweizer in Deutschland auch faszinierend zu spüren, was für ein Gewicht und welchen Einfluss das Land innerhalb Europas und der EU einbringe.

Globalität der Finanzkrise

Ackermann kam in Zürich auch auf die Finanzkrise zu sprechen. Das Neue an dieser jüngsten Krise sei das Ausmass ihrer Globalität gewesen. Und der Sachzwang, keine Grossbank mehr in Konkurs gehen lassen zu können, ohne gleich zu riskieren, dass weitere Banken mit abstürzen.

Der Chef der Deutschen Bank führt dieses hohe Ausmass der Globalität unter anderem auf die verstärkte Verbriefung und Stückelung der Risiken zurück. Diese hatten eine weltweite Streuung der US-Hypothekarkredite zur Folge. Die hohen Kreditrisiken seien dadurch so global wie noch nie zuvor gestreut worden.

Deshalb sei die Finanzkrise dieses Mal eher als eine Serie von Erdbeben mit verschiedenen Epizentren zu sehen und nicht als ein “Finanz-Tsunami” in Form eines einmaligen Ereignisses.

Vorbei sei die Finanzkrise sicher noch nicht, so Ackermann: “Eine Stabilisierung des Abwärtstrends bedeutet noch keinen Aufwärtstrend.”

Die nächste Welle in der Krise dürften wohl die Kreditausfälle verursachen.

Alexander Künzle, swissinfo.ch

Mit Josef Ackermann hat die deutsche Wochenzeitung Die Zeit in Zürich ihren “Schweizer Gipfel” eröffnet.

Ihr Chefredaktor Giovanni di Lorenzo stellte am Donnerstag in Zürichs Kaufleuten-Saal den 61-jährigen Josef Ackermann als den wohl prominentesten Auslandschweizer vor.

Die Zeitung, die in ihrer Ausgabe jeweils einige Seiten Schweizer Themen widmet, will diese “Gipfel” fortsetzen.

Ackermanns Vertrag bei der Deutschen Bank ist vor wenigen Tagen um drei Jahre verlängert worden, womit der Schweizer wohl noch vier Jahre an der Spitze dieses Instituts bleiben dürfte.

Im Höhepunkt der UBS-Bankgeheimnis-Krise war sein Name auch in der UBS-Nachfolge ins Spiel gebracht worden.

Der St. Galler aus Mels ist der erste Ausländer, der die Spitze der Deutschen Bank erklommen hat.

Ackermann startete als 30-jähriger Volkswirtschafter der Uni St. Gallen 1978 seine Bank-Karriere bei der Schweizerischen Kreditanstalt SKA (heute Credit Suisse, CS) als Assistent von Rober Jeker.

Nach Abstechern ins Ausland folgte 1990 die Ernennung zum SKA-Generaldirektor, 1993 zum Präsidenten und Geschäftsleitungs-Mitglied der CS Holding.

Er galt als möglicher Nachfolger von CS-Verwaltungsratspräsident Rainer Gut. 1996 wurde die Bank radikal umgebaut. Ackermann verliess wegen Differenzen mit seinem Förderer Gut die CS.

Nur drei Monate später wurde er in den Vorstand der Deutschen Bank nach Frankfurt berufen, wo er für das Investment-Banking zuständig war. Im September 2000 wurde er offiziell als Nachfolger von Rolf Breuer für die Bankspitze nominiert.

Im Mai 2002 wurde Ackermann als erster Ausländer zum Vorstands-Chef gewählt.

Dann kamen die Vorwürfe rund um das Genehmigen überhöhter Abfindungszahlungen und Boni im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone.

2004 wurde er freigesprochen, 2006 musste er nochmals vor Gericht. Bei den Deutschen kam er zuerst gut an, wurde dann zum Buhmann und ist jetzt wieder zum Liebling geworden.

Unter seiner Führung erzielte die Deutsche Bank konstant gute Resultate; sie ging bisher ohne Staatshilfe durch die internationale Finanzkrise.

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