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Wahlbarometer: Politische Stabilität in der Pandemie

Das Fresko Die Landsgemeinde
Das Fresko "Die Landsgemeinde" im Ständeratssaal. Die mittelalterliche direktdemokratische Institution hat sich als politisch robust erwiesen und existiert weiterhin in zwei Kantonen in der Schweiz. Keystone/Peter Klaunzer

Die schweizerische Parteienlandschaft dürfte die Pandemie ohne schwere Schäden überstehen: Zwei Jahren vor den Parlamentswahlen bleiben die Stimmabsichten im Land erstaunlich stabil, wie das SRG-Wahlbarometer zeigt.

Es ist Halbzeit in der laufenden Schweizer Legislatur, die vier Jahre dauert: In zwei Jahren finden wieder nationale Parlamentswahlen statt. Während die Pandemie in manchen Ländern die Karten völlig neu gemischt hat, scheint sich in der Schweizer Politik Beständigkeit durchzusetzen: Stand heute ist nicht mit grossen Verwerfungen in der Bundesversammlung zu rechnen.

Klar stärkste Partei bleibt weiterhin die SVP, wie das Wahlbarometer des Forschungsinstituts Sotomo (siehe Box) zeigt. Nachdem sie bei den letzten Wahlen 2019 einen Einbruch von fast 3 Prozentpunkten einbüsste, scheint sie aus ihrem Tief herauszufinden und wieder leicht zuzulegen (+1%). Verglichen mit der letzten Wahlumfrage vom Herbst 2020 legt die rechtskonservative Partei sogar um 2,5 Prozentpunkte zu. Auf den zweiten Platz der Stimmabsichten kommt die SP, die eine leichte Einbusse verzeichnet (-1%) und damit ihren Abwärtstrend bestätigt.

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Spannend wird es um den dritten Platz: Aktuell bieten sich FDP, Die Mitte und die Grünen einen Dreikampf, da alle drei Parteien praktisch gleichauf liegen. Das hat vor allem mit dem anhaltenden Sinkflug der Freisinnigen zu tun: Die Umfrage sieht einen Rückgang des Wähleranteils um 1,5 Prozentpunkte vor, den grössten unter den Parteien. Aber auch mit der Fusion von CVP und BDP, aus der heraus Die Mitte entstanden ist. Die neue Partei scheint jedoch nicht ganz die Summe der Wähleranteile der beiden Vorgängerparteien zu erreichen (-0,5%).

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In der Umfrage kommen die Grünliberalen (GLP) als Sieger hervor: Im Vergleich zu den Wahlen 2019 sieht das Barometer für diese Partei einen Zuwachs von 2 Prozentpunkten. Damit geht der Aufwärtstrend für die GLP weiter. Die Grünen können den massiven Zuwachs der letzten Parlamentswahlen behalten.

Die eidgenössischen Parlamentswahlen haben nur indirekten Einfluss auf die Zauberformel, die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrats. Sollten aber in den Wahlen 2023 die Sitze in der Bundesversammlung gemäss dem Wahlbarometer verteilt werden, scheint eine neue Austarierung der Zauberformel – wie das verschiedentlich gefordert wurde – durchaus möglich.

Freiheit versus Klimawandel

Für das gute Abschneiden von Grünliberalen und Grünen spielt der Klimawandel eine Rolle: Fast die Hälfte der Befragten gaben an, dass dieser gegenwärtig die wichtigste politische Herausforderung im Land ist – und zwar noch vor der Pandemiebekämpfung. Die Fortschritte der Impfkampagne und die damit einhergehende Normalisierung des Alltags scheinen hier die Dringlichkeit des Themas etwas abgeschwächt zu haben. Nach dem Scheitern des Rahmenabkommens ist das Verhältnis zur EU wieder verstärkt in den Fokus geraten, wobei das Thema angesichts der politischen Sprengkraft noch immer verhältnismässig wenig Beachtung findet.

Die Pandemie hat allerdings durchaus Auswirkungen auf die politischen Sorgen der Bevölkerung: So haben die Schutzmassnahmen zu Kritik an der Einschränkung der persönlichen Freiheiten geführt. Neu nennen ein Sechstel aller Stimmberechtigten den Schutz der Freiheitsrechte als eine der zentralen Herausforderungen. Die SVP scheint dank der Kultivierung des Freiheitsthemas wieder zulegen zu können, nachdem ihre Kernthemen Europa und Zuwanderung in den letzten Jahren an Bedeutung verloren haben.

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Es gibt eine weitere wichtige Verschiebung: Noch vor einem Jahr war die Angst vor Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise stark ausgeprägt, was nun weitgehend verflogen zu sein scheint. Das hat vor allem Auswirkungen für die FDP und die SP: Die Wirtschaft und das Soziale sind jeweils die Kernthemen der Parteien – dass sie an Bedeutung verloren haben, spiegelt sich nun auch in den Wahlabsichten der Stimmberechtigten. Ironischerweise scheinen ausgerechnet sie Opfer der erfolgreichen wirtschaftlichen Krisenpolitik des Bundes zu werden.

Sympathien der Regierung

Im Zuge der Pandemiebekämpfung ist der Bundesrat ins Fadenkreuz der Kritik geraten. Es ist eine kleine, aber lautstarke Minderheit, die seit Monaten energisch gegen die von der Regierung verhängten Massnahmen protestiert. Der Gesundheitsminister Alain Berset, der am meisten kritisiert wird, wird denn von den Befragten auch als der einflussreichste Einzelbundesrat eingestuft. Am anderen Ende findet sich Aussenminister Ignazio Cassis.

Die Sympathiewerte haben sich bei den meisten Bundesratsmitglieder seit 2019 nur wenig verändert. Ein deutliches Plus weist einzig Guy Parmelin auf: Offenbar konnte er als Bundespräsident im zweiten Pandemiejahr seinen Rückhalt in der Bevölkerung deutlich verbessern. Demgegenüber hat die Anfang 2019 mit viel Vorschusslorbeeren ins Amt gestartete Karin Keller-Sutter weiter an Sympathiewerten eingebüsst.

Die Umfrage wurde vom Forschungsinstitut SotomoExterner Link im Auftrag von SRG SSR durchgeführt, zu der auch swissinfo.ch gehört.

Zwischen dem 29. September und dem 3. Oktober 2021 haben 27’967 Stimmberechtigte aus der ganzen Schweiz teilgenommen. Der Fehlerbereich liegt bei +/- 1,3 Prozentpunkten.

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