Wahlkampf: Die amerikanischen Rezepte
Mehr Emotionen und mehr Professionalität: Die Schweizer Parteien können von den USA lernen.
Von links bis rechts: Die Parteien haben den Wahlkampf um die Präsidentschaft in den USA mit Interesse verfolgt.
Allerdings, die vier Schweizer Regierungsparteien weisen sofort auch auf die wesentlichen Unterschiede in den politischen Kulturen der beiden Länder hin.
"Wir sind beeindruckt von der schieren Grösse der Präsidentschafts-Kampagne, von deren Professionalität und den Geldmitteln, die eingesetzt werden", sagt Christian Weber von der Freisinnig-demokratischen Partei der Schweiz (FDP).
Die Sozialdemokraten (SP) und die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), die sich als Mittepartei bezeichnet, warnen vor allzu viel "amerikanischem" Wahlkampf für die Schweiz.
"Die Stimmberechtigen in der Schweiz würden es kaum schätzen, wenn sie zu Hause von den Parteien angerufen und Wahlkämpfer an der Haustüre auftauchen würden", sagt Reto Nause, Generalsekretär der CVP.
Der Politwissenschafter Gerog Lutz von der Universität Bern sieht zwei grundsätzliche Unterschiede: "Einmal erhalten die politischen Parteien in der Schweiz viel weniger Geld für ihren Wahlkampf, und dann beruht das Schweizer Politsystem auf dem Konsens und weniger auf Konfrontation zwischen den Parteien."
"Dies obwohl die Schweizerische Volkspartei (SVP) vermehrt einen Konfrontationskurs fährt", sagt Lutz weiter.
Unvermeidlich?
Lutz anerkennt jedoch, dass die SVP ihre Erfolge einer langfristigen Strategie-Planung und der konsequenten Öffentlichkeitsarbeit verdanke.
Er warnt jedoch die andern Parteien, diese Strategie einfach zu übernehmen. Eine zu starke Vereinfachung und eine ständige Aggressivität in den Sachfragen zahle sich nicht notwendigerweise aus. "Besonders für Parteien der Mitte ist es auch eine Frage des Stils."
Für Nause von der CVP müssen Stil und Aussage zusammenpassen. Schlussendlich stehe die Glaubwürdigkeit und die politische Kultur der Partei auf dem Spiel.
Jean-Philippe Jeannerat, Sprecher der SP Schweiz, findet Emotionen ein wichtiges Element der politischen Auseinandersetzung. "Aber es ist ein Akt auf dem Hochseil. Die Gefahr, dass dies auf Kosten von andern, zum Beispiel Ausländern, geht, ist gross."
Emotionen
Jeannerat ist der Meinung, es brauche Regeln und ein unabhängiges Monitoring (Kontrolle), um Auswüchse zu verhindern.
Christian Weber von der FDP findet, die Emotionen sollten nie der Lösung eines politischen Problems im Wege stehen. Die SVP, so Weber, würde diesen neuen Trend der "Emotionalisierung" in die Schweizer Politik einbringen.
"Sie müssen schreien, um gehört zu werden. Auch die andern Parteien bewegen sich in diese Richtung, ob sie es zugeben oder nicht", sagt Roman Jäggi, Sprecher der SVP gegenüber swissinfo.
Im übrigen weist Jäggi die Kritik der anderen Parteien zurück und weist darauf hin, dass die SVP eine klare Aussage habe und es nicht nötig habe, ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
"Politik in der Schweiz ist gekennzeichnet durch ständige Kampagnen; dies weil wir laufend Wahlen und Volksabstimmungen haben", sagt Jäggi.
Interessant
Die meisten Parteien sind einverstanden, dass die Wahlkampfmethoden, wie sie in den USA üblich sind, in angepasster Form auch in der Schweiz eingeführt werden könnten. Beispielsweise um Parteitage spannender zu gestalten.
Die SVP denkt, dass mit Fahnen und Plakaten solche Anlässe medienwirksamer zu gestalten wären und auch jüngere Leute anziehen würden.
Die Sozialdemokraten wiederum könnten sich vorstellen, dass mehr prominente Parteimitglieder oder andere politische VIPs an den Kongressen anwesend wären, um so den potentiellen Wähler anzusprechen.
Sie denken auch, dass die Politikerinnen und Politiker besser geschult werden sollten im Umgang mit den Medien. "Unsere Politiker werden sich an harte Befragungen durch private Fernseh- und Radiostationen zu gewöhnen haben", sagt Jean Philippe Jeannerat.
Die CVP will sich vermehrt um die Zielgruppe kümmern, darunter auch um die eingeschriebenen Parteimitglieder. Zu diesem Zweck wurde eine landesweite Datenbank eingerichtet.
Finanzierung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem amerikanischen und Schweizer Wahlkampf liegt in der Finanzierung der Parteinen mit öffentlichen Geldern.
Das wird sich auch in nächster Zukunft nicht ändern.
Zwischen dem 1. Januar und dem 13. Oktober haben Republikaner und Demokraten in den USA mehr als 1 Mrd. Dollar an Wahlkampfgeldern gesammelt. Dagegen sind die Gelder, welche die Partei in der Schweiz zusammenbringen, nichts.
Die Sozialdemokraten treten denn auch für eine staatliche Parteinfinanzierung in der Schweiz ein. Die bürgerlichen Parteien wollen aber davon nichts wissen.
Sie schlagen vor, dass die Parteien logistische Unterstützung der Behörden erhalten. Die FDP ist für eine stärkere staatliche Beihilfe für die Parlamentsmitglieder. Staatsgeld für Kampagnen oder Wahlkämpfe lehnt sie aber ab.
Auch Experten sind der Meinung, dass letztlich auch die Schweiz nicht darum herumkommt, eine Art staatliche Finanzierung der Parteien einzuführen.
Die Gelder sollten nicht die abnehmenden privaten Zuwendungen auffangen oder die Kampagnen teuerer machen. Aber sie sollten die Parteien für ihre wichtige Arbeit im politischen System der Schweiz honorieren.
swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)
Fakten
Politische Parteien in der Schweiz erhalten keine staatliche finanzielle Unterstützung.
Die Schweizer Regierung und der Bundespräsident – ein rein repräsentatives Amt – werden vom Parlament gewählt.
Parlamentarierinnen und Parlamentarier in der Schweiz üben kein Vollamt aus (Milizsystem). Sie arbeiten weiterhin in ihrem angestammten Beruf.
Die Parteien in der Schweiz sind dezentral in Kantonalparteien organisiert

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