Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Wandert durch die Schweiz und sprecht miteinander!

Fünf Wochen zu Fuss unterwegs, um die Mehrsprachigkeit der Schweiz zu erwandern. Get Together

Die Vielsprachigkeit mit beiden Händen zu fassen ist das Ziel einer Gruppe von Jugendlichen. Im Projekt Get-Together werden die Schweiz zu Fuss durchwandert, die Sprachgrenzen abgebaut und der Dialog gefördert.

“Wie viele Sprachen sprecht Ihr Schweizer denn?” Mindestens zwei, vielleicht drei oder sogar vier, könnten wir mit etwas Stolz antworten. Eine polyglotte Schweiz öffnet sich da, mit vier nationalen Sprachen und einer fünften, der englischen, die immer präsenter wird. So zumindest will es das Klischee.

Zum Bild der Schweiz aus der Sicht des Auslandes zählt nach der direkten Demokratie, den Banken, den Kühen und der Schokolade auch das Vorhandensein verschiedener Sprachen.

Ein Image der Vielsprachigkeit, auf das man stolz sein könnte, auch wenn diese erst 1996 offiziell anerkannt wurde. Die Schweiz gilt demnach als viersprachiges Land – der einzelne Schweizer ist es jedoch weniger.

Sicher: Die Schüler lernen obligatorisch mindestens eine weitere Landessprache. Doch wird diese oft als fremd und ohne Bezug zum täglichen Leben wahrgenommen.

Trotz gutem Willen bleiben Sprachgrenzen bestehen – und das Gespenst des Englischen als “Lingua franca” drängt sich immer mehr auf.

Zudem breite sich seit einigen Jahren in der Schweiz ein allgemeiner Monolinguismus aus, wie das Forum Helveticum diesen Frühling kritisiert hat. Und: Falls Sprachkenntnis auch eine Annäherung an eine Kultur und Mentalität bedeutet, wie steht es dann mit der so genannten nationalen Kohäsion?

Über die Sprachgrenzen hinaus…

Um einer Schweiz vorzubeugen, der die eigenen Idiome abhanden gekommen sind, ist Anfang dieses Jahres ein neues Sprachgesetz in Kraft getreten. Die Botschaft dabei ist klar: Der Kontakt zwischen den Sprachregionen muss gefördert werden.

Weshalb also nicht gleich Seite an Seite von einem Teil des Landes zum anderen wandern, um sich kennen zu lernen und miteinander zu sprechen?

Genau dies schlägt das Projekt Get-Together vor, das von einer Gruppen unternehmungslustiger Jugendlicher lanciert wurde – mit Hilfe des Bundes und verschiedener sozio-kultureller Institutionen.

“Mit dieser Wanderung durch die Schweiz möchten wir in den Teilnehmenden das gegenseitige Bewusstsein für die verschiedenen Sprachen und Kulturen in unserem Land wieder wecken”, erklärt Ramona Schneider, Initiantin des Projekts.

“Wir zielen nicht den so genannten Röschtigraben an, sondern die Entdeckung des Anderen und Allem, das uns gemeinsam ist.” Schliesslich könne man sich nicht erlauben, diesen Reichtum vor der Weltöffentlichkeit an die grosse Glocke zu hängen, ihn dann aber nicht zu pflegen, so Schneider.

“Nur genügenGesetze, Kommissionen und Subventionen nicht, um zwischen den einzelnen Sprachregionen ein Gleichgewicht zu erreichen. Da muss man schon die Leute, und zwar die richtigen, miteinander in Kontakt bringen.”

Kommt es denn einer Provokation gleich, die helvetische Vielsprachigkeit im Wanderschritt, auf englisch parlierend, zu verteidigen? “Englisch kommt in der Schweiz immer mehr auf. In einigen Kantonen ist Englisch bereits erste obligatorische Fremdsprache in den Schulen”, sagt die 25-jährige Zürcherin.

“Deshalb schien es uns in Sinne einer bewussten Provokation angebracht, unser Projekt “Get-Together” zu nennen. Damit streichen wir die Risiken heraus, die sich ergeben, wenn Englisch dominanter als die nationalen Sprachen würde.”

Marsch auf Bern

Die Grundidee des Projekts ist einfach, erklärt der Tessiner Oscar Brändli: “Am 12. Juli sind zwei Wanderer-Gruppen aufgebrochen. Eine von Chancy in Genf und eine von Müstair in Graubünden, wo man rätoromanisch spricht. Die Gruppen haben fünf Wochen Zeit, die Schweiz zu Fuss zu durchqueren, und in dieser Zeit die Sprach- und Kulturbarrieren zu überwinden.”

Am 8. August treffen sich die Gruppen in Engelberg in der Zentralschweiz und wandern gemeinsam bis nach Bern weiter. Mitte August werden sie in der Hauptstadt ankommen. Während ihrer Wanderung gibt es Zwischenstopps in verschiedenen Städten, wobei Themenanlässe organisiert werden.

“Nicht alle haben die Möglichkeit, uns bei diesem Erlelbnis zu begleiten”, so Brändli. “Deshalb haben wir diese Zwischenstopps eingelegt. So lässt sich der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung organisieren und ihre Traditionen kennen lernen. Das ermöglicht allen, ihren Anteil zum Projekt beizusteuern.”

So haben die Jugendlichen in Lausanne einen Raum für Passanten eingerichtet, für Tanz, Konzerte oder einfach einen Schwatz. Ältere Leute haben sich besorgt darüber geäussert, dass sich Sprachen ausbreiteten, die nicht die ihren seien. Junge besuchten das Programm mit Neugierde und wohl auch etwas Neid.

Ein Projekt im Entstehen

“Wir sind zu viert von Genf aus aufgebrochen und zu zehnt aus Graubünden”, sagt Oscar. “Aber täglich treffen wir auf neue Leute, die bereit sind, uns für eine Etappe oder gar länger zu begleiten.”

Gary ist einer davon. “Eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Schweiz kennen zu lernen und Deutsch zu üben”, sagt der junge Schotte, dem die Schweizer Landschaft stark ans Herz gewachsen ist.

Ausser dem sprachlichen Aspekt hat das Projekt Get-Together auch ein weiteres Ziel: Die Initianten planen die Lancierung einer Studie über die sprachliche Vielfalt und darüber, wie diese von den neuen Generationen wahrgenommen wird.

Sehen sie die Viersprachigkeit eher als Chance, oder wirkt sie eher als Hindernis? Wo liegt das Potenzial, wo gibt es Grenzen?

Auf diese Fragen sollen in den nächsten Wochen noch Antworten gefunden werden. Die Resultate werden in Bern Mitte August während des Abschlussfestes veröffentlicht.

Die positiven Botschaften der Besucher und Passanten deuten darauf hin, dass dieses Unternehmen Erfolg haben könnte.

Bleibt nur noch, die Wanderschuhe anzuziehen und sein Mundwerk in Gang zu setzen, um – wie ein Mädchen schreibt – “parlare different langues te abre the window du monde…”

Stefania Summermatter, Lausanne, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Zwei Gruppen von Jugendlichen sind am 12. Juli von Chancy und von Müstair aus aufgebrochen, um die Schweiz auf der Suche nach der Sprachenvielfalt zu durchqueren.

Während der Wanderung sind acht Thementage eingeplant, um sich mit Kultur und lokaler Tradition bekannt zu machen und den Dialog vor Ort zu pflegen.

Am 8. August treffen sich die beiden Gruppen in Engelberg.

Gemeinsam begeben sie sich dann bis am 15. August nach Bern.

Von einer Gruppe Jugendlicher lanciert, wird das Projekt Get-Together vom Bund und von weiteren Institutionen unterstützt.

Am 4. Juni 2010 hat der Bundesrat die Verordnung über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften (Sprachenverordnung SpV) verabschiedet.

Sie trat am 1. Juli 2010 in Kraft.

Das Gesetz regelt den Gebrauch der Amtssprachen durch die Bundesbehörden, die Förderung der Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften,
die Unterstützung der mehrsprachigen Kantone, die Unterstützung von Graubünden und Tessin zu Gunsten des Rätoromanischen und der Italienischen Sprache.

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