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Noémie Schwaller kam in London zu ihrer Berufung

Die Schweizerin Noémie Schwaller lebt in England und hat in London ein eigenes Modemagazin aufgebaut. Sie markierte auf Instagram ihre Bilder mit #WeAreSwissAbroad. Wir reposteten ein Foto von ihr auf unserem Instagram-Account und baten sie, swissinfo.ch ihre Geschichte zu erzählen.

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swissinfo.ch: Aus welchem Grund haben Sie die Schweiz verlassen? Wann war das? Wie waren die ersten Monate in London?

Noémie Schwaller: Wie das Leben so spielt, kommt nichts wie geplant. Es zog mich im Sommer 2010 nach Grossbritannien, um – nach einer Redaktionsstelle im Bereich Design und Architektur – am London College of Fashion ein “Master in Fashion Journalism” zu absolvieren.

Der September ist auch, oder gerade, in London sonnig, aber der Winter ist hart, wenn man sich geheizte und gut isolierte Wohnungen gewohnt ist. Es hat mich schon davor in alle Ecken der Welt gezogen, um der Schweiz mit ihrem kleinen Geist zu entfliehen. Heimaten habe ich einige, aber auch mit vielen temporären Zuhause bleibt Zürich das Eigentliche.

swissinfo.ch: Aus Ihrer Abschlussarbeit in London wurde das Modemagazin “DASH”Externer Link, das Preise gewinnt, auch an Schweizer Kiosken erhältlich ist und dessen Chefredaktorin Sie sind. Wie kam es dazu?

N.S.: Das war eine wundervolle Reise, die vor allem aus Arbeit bestand. Ich möchte nichts schönreden. Aber die Kreativität, das Umfeld, das Feedback – das möchte ich nicht missen.

Ich hatte das Glück, mit wunderbaren Menschen Synergien zu nutzen und spannende, aufregende Sachen zu gestalten. Es wäre schön, die Welt wäre in dieser Hinsicht auch in anderen Bereichen etwas freier.

swissinfo.ch: War von Anfang an klar, dass es eine Reise ohne Rückkehr wird?

N.S.: Aus den geplanten 15 Monaten wurden 84. Das verflixte siebte Jahr spielte mir auch mit meiner Beziehung zu London einen Strich durch die Rechnung, die eigentlich eine Minusgleichung war und noch nie aufgegangen ist. Dafür könnte ich mich inzwischen für die britische Staatsbürgerschaft bewerben, minus “Brexshit”.

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swissinfo.ch: Wie war es für Sie, die Schweiz zu verlassen?

N.S.: Es war an der Zeit.

swissinfo.ch: Wo leben Sie heute, wie ist das Leben, die Küche dort?

N.S.: Ich lebe in einem Europa, das es zu verteidigen gilt. Das Leben ist voller Sorgen, viele davon auferlegen wir uns selber, während wir aus internationalen Töpfen speisen.

Solange das Essen inklusive Wein und Gesellschaft stimmt, bin ich trotzdem glücklich. Alles trägt dazu bei, das Bestreben beizubehalten, sich selbst und den Alltagsknatsch nicht so ernst zu nehmen. Gelingt aber nicht immer.

swissinfo.ch: Wie ist die politische Lage nach dem Brexit, gegen den sich besonders London ja stark eingesetzt hatte?

N.S.: Kritisch, unsicher und verlogen, nach wie vor.

swissinfo.ch: Was ist in England attraktiver als in der Schweiz?

N.S.: Diese Frage möchte ich auf London beziehen und antworten: die Offen- und Zuvorkommenheit einer multi-ethnischen, vielfältigen und immer aufs Neue zusammengewürfelten Bewohnerschaft sowie das unausdenkbar breite Angebot an relevanten Ausstellungen und exzellenten Restaurants.

Machen Sie die globale Schweiz sichtbar: Markieren Sie Ihre Instagram-Bilder mit #WeAreSwissAbroad Wir werden ausgewählte Bilder und Videos auf unserem Instagram-Account reposten und hoffen, dass wir beim Stöbern im #WeAreSwissAbroad-Stream viele interessante Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer und ihre Geschichten entdecken. Es ist uns ein grosses Anliegen, auf swissinfo.ch Ihnen und Ihren Erlebnissen in Form von Porträts, Anekdoten und Geschichten eine Plattform zu geben. swissinfo.ch

swissinfo.ch: Wie denken Sie heute aus der Ferne über die Schweiz?

N.S.: Niedlich, aber stark, leider oft auch unfreundlich und unaufgeschlossen. Es ist zu bedauern, dass die Schweizer Bevölkerung nicht wahr zu haben scheint, was – und wieviel davon – sie hat. Je weniger und je kleiner die Probleme, desto grösser erscheinen sie im Kontext der Betroffenen. Es tut gut, über den eigenen Tellerrand zu schauen und zu reflektieren, was einem dort vor Augen kommt.

swissinfo.ch: Nehmen Sie an Wahlen und Abstimmungen teil?

N.S.: Immer, das verstehe ich als Bürgeraufgabe. Es wäre stupide, den Luxus einer direkten Demokratie, wie wir ihn in der Schweiz haben, nicht mitzugestalten. Aufgewachsen bin ich in einem politisch sehr aktiven Umfeld, und das möchte ich auch weiterleben.

swissinfo.ch: Was vermissen Sie von der Schweiz am meisten?

N.S.: Vieles, wie die frische Luft, die lustigen Sprachausdrücke, den Sommer an der Limmat; die kurzen Reisezeiten; den bequem hohen Lebensstandard; Anblick, Besteigung und Downhills der Alpen; meine Liebsten; die Sauberkeit und nicht zuletzt die grosszügigen, gut isolierten Wohnungen. Schweizer Schokolade muss ich nie missen, die kriegt man ja an jedem Flughafen.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten, unter anderem zum Gastland und über dessen Politik, sind ausschliesslich jene der porträtierten Person und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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155 Meter über über den Dächern Londons: Der noch ziemlich neue Sky Garden.

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