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Weinproduzenten müssen ihr Marketing verbessern

In der Schweiz wird vor allem Pinot Noir, Gamay, Merlot und Chasselas angebaut. Keystone

Die Zeiten für Schweizer Weinproduzenten sind hart: Billige Importe, der starke Franken, neue Trinkgewohnheiten und eine tiefe Nachfrage im Ausland nach den wenig bekannten Schweizer Tropfen machen ihnen das Leben schwer.

Die Qualität der Schweizer Weine hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, und es gibt gar herausragende Weingüter. Die meisten Winzer müssen jedoch ein zweites Metier dazulernen, um überleben zu können, sagen Experten: nämlich das Marketing.

Letzte Woche kamen Produzenten, Önologen und andere Weinprofis an der Fachmesse Agrovina in Martigny im Kanton Wallis zusammen, um über die neuesten Geräte, Anbautechniken und Traubensorten zu diskutieren. Ein Thema war aber auch die Gesundheit der Weinindustrie.

2011 brachten die Winzer eine Rekordernte ein, die in mehr als 110 Millionen Liter Wein resultierte. Das sind 4,3 Prozent mehr als die durchschnittliche Menge der letzten fünf Jahre.

“Die Traubenernte 2011 ist wirklich hervorragend, ähnlich jener von 2003, aber ausgewogener und mit einem besseren Säuregehalt”, sagte Claude Bocquet-Thonney, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung der selbsteinkellernden Weinbauern (ASVEI) gegenüber swissinfo.ch.

Die in Schweizer Kellern gärenden Weine haben vielleicht ein ausgezeichnetes Potential, aber ASVEI-Mitglieder haben andere Sorgen.

Vergangenen Dezember wandten sie sich mit einem Schreiben an Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und verlangten angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten die Einführung einer Exklusivitätsklausel gemäss der Welthandels-Organisation WTO.

“In den letzten Monaten haben starke Importe zu tiefen Preisen (1€ pro Liter) die bereits schleppende Marktlage verschlechtert”, erklärte die Vereinigung. 

Wegen hoher Löhne in der Schweiz könnten die Produzenten mit solchen Importen nicht mithalten, so die ASVEI. Während die hervorragende Traubenernte 2011 eingebracht wurde, hätten viele Winzer noch Weinvorräte aus vorangegangenen Jahren an Lager gehabt. Vielen unter ihnen würden mit knappen finanziellen Mitteln in die Saison 2012 starten, so die Winzervereinigung.

Der Antrag der ASVEI wurde vom Bund abgelehnt, da die Höhe des Weinimports aus dem Ausland 2011 (162,5 Mio. Liter) unter der auf 170 Millionen festgelegten Menge lag.

Die Vereinigung lässt sich allerdings nicht abschrecken und will ihren Kampf fortsetzen, da die Quote vor 20, 30 Jahren festgelegt worden war, als der Weinkonsum noch viel höher war.

Das Image aufpolieren

Der Weinkonsum hat in den letzten Jahren in der Schweiz stetig abgenommen, da Cafés und Bars angesichts von Rauchverbot und neuen Trinkgewohnheiten der jungen Leute versuchen, sich neu zu erfinden.

Die Schweizer tranken 2010 280 Millionen Liter Wein, 62 Prozent davon stammten aus dem Ausland. Exportiert hingegen wurde lediglich ein Prozent Schweizer Wein.

“Schweizer Wein wird nur in der Schweiz getrunken”, sagt der Weinkenner Pierre Thomas. “Wir können unser billiges Überangebot nicht verkaufen, und gewisse ausgezeichnete Weine, die ein hohes Preisniveau haben, können wir auch nicht verkaufen, da man sie nicht kennt.”

Das Problem sei, dass der Schweiz das Image als Wein produzierendes Land fehle, klagte er.

“Wenn man einen Schweden, Dänen, Briten oder Chinesen fragt, ob die Schweiz Wein anbaue, werden sie laut herauslachen und sagen: ‘Nein, sie hat Berge, Schnee, Banken, Schokolade und Uhren’.”

Zerstückeltes Angebot

Gemäss Jacques Perrin, Chef der Weinhandlung Cave SA, trinken die Konsumenten eindeutig “bessere Schweizer Weine, aber weniger”.

“Schweizer Wein erhält im Ausland wenig Anerkennung, weil die besten Weine nicht exportiert werden. Das Angebot ist zu zerstückelt. Es ist nicht einfach, kleine Mengen auszuführen, weil es viele Handelsschranken gibt, da wir nicht zur EU gehören”, sagte er.

“Die Produzenten müssen sich zusammentun und gemeinsame Plattformen schaffen. Wir müssen an Anlässen im Ausland die allerbesten Weine präsentieren und sie zusammen mit dem Tourismus verkaufen, dazu sind aber viele Ressourcen nötig.”

Luzius Wasescha, Schweizer Botschafter bei der WTO, der an der Agrovina eine Präsentation machte, war ebenfalls der Meinung, der Alleingang von Schweizer Weinproduzenten bringe nichts. “Die Leute aus Epesses (in der Region Lavaux) wissen, dass ihr Wein der beste ist, da sie keine anderen kennen – das ist das Problem.”

Nationaler Fokus

Die Promotion von Schweizer Weinen im In- und Ausland ist ein Dauerthema. Drei Viertel des Schweizer Weins wird im französisch-sprachigen Landesteil hergestellt, aber zwei Drittel der Konsumenten sind Deutschschweizer.

“Die Romands müssen sich aufraffen und in die Deutschschweizer Märkte exportieren. Die Weinproduzenten der französisch-sprachigen Schweiz können nicht einfach in ihrem Keller darauf warten, dass der Deutschschweizer zu ihm kommt. Er muss einen grossen Effort machen, um die Leute in diesem Landesteil zu überzeugen”, sagte Thomas.

Einige Beobachter werfen auch den beiden Grossverteilern Migros (via Denner) und Coop vor, Verkauf und Import zu stark zu kontrollieren. “Weinproduzenten jammern immer”, spottet Weinexperte Thomas.

Promotion und Marketing

Im letzten Dezember hatte eine parlamentarische Motion verlangt, die Regierung solle die Schweizer Vertretungen im Ausland dazu anweisen, an offiziellen Empfängen nur Schweizer Wein auszuschenken.

Im Oktober rief der Verband der Schweizer Weinexporteure Bundesrat Schneider-Ammann auf, die Bundessubventionen für die Weinförderung bis 2014 auf 4 Millionen Franken zu verdoppeln. Mangels “Flexibilität” im laufenden Agrarbudget wurde der Antrag abgelehnt.

In den Augen von Simone de Montmollin, Direktorin des Verbands der Schweizer Önologen, die an der Agrovina ein Marketing-Seminar organisiert hatte, braucht die Branche klarere Gesamtstrategien.

“In den letzten 20 Jahren hat sich die Branche umstrukturiert, ihr Angebot angepasst und ist authentischer und moderner geworden. Wir müssen aber viel mehr tun und den Markt viel proaktiver beobachten”, sagte de Montmollin.

“Wir konzentrieren uns auf Kreativität und versuchen, Identität und Image der Produkte zu definieren. Es fehlt aber an Zusammenhalt.”

Die Weinproduzenten müssten ein neues Metier lernen – das Marketing. “Ihre Verantwortung hört nicht auf, wenn das Produkt fertig ist. Sie müssen mehr an Positionierung und Identität denken. Diese Dinge sind zwar bekannt, aber schlecht integriert”, sagte de Montmollin.

2010 wurden in der Schweiz 275,7 Millionen Liter Wein getrunken, das sind 0,9% weniger als im Jahr zuvor.

Schweizer Weine machten rund einen Drittel aus. Ihr Anteil ging um 4,5% zurück, während der Konsum ausländischer Weine um 1,3% zunahm, insbesondere bei den Rotweinen. Beliebt sind vor allem Weine aus Italien, Frankreich und Spanien.

Die Weinbaufläche in der Schweiz erstreckt sich über 14,800 Hektaren. Die Traubensorten Pinot Noir, Chasselas und Gamay gehören zu den beliebtesten, Merlot und Gamaret sind jedoch am Aufholen. Rotweine machen 53% der Gesamtproduktion aus.

(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

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