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Welthandel: Agrarbereich bedrückt die Bauern

Viele Nahrungsmittel können in der Dritten Welt günstiger hergestellt werden. swissinfo/Lisa Schäublin

Im Welthandel mit Agrar-Produkten hapert es mit der Marktöffnung. Dieser Aspekt der Weltwirtschaft bedrückt die Schweizer Bauern.

Zwar spielt der Agrarsektor in der Schweiz wirtschaftlich keine grosse Rolle mehr. Aus politischen Gründen jedoch gehen die Emotionen hoch.

Seit die grossen Agrarproduzenten aus der Dritten Welt auf Gegenrecht im Welthandel pochen, ist es mit dem Konsens in der Weltwirtschaft vorbei. Früher waren sich die Industrieländer trotz gelegentlichen Händeln untereinander einig, dass ihnen die Dritte Welt ihre Märkte zu öffnen hätte, wenn es um Industrieprodukte ging.

Pochen auf Gegenrecht

Die Landwirtschaft der Industrieländer wurde aus der vielverlangten Liberalisierung jedoch ausgenommen. Sie wird geschützt und stark subventioniert, obschon sie viel teurer produziert als die Agrarländer der Dritten Welt.

Mit der zunehmenden Globalisierung der Weltwirtschaft kam die Agrarfrage immer häufiger auf die Agenda der Handelsrunden. Die Macht-Gewichte verschoben sich, die Industrieländer müssen ihre Märkte inzwischen immer stärker auch für landwirtschaftliche Produkte der Dritten Welt öffnen.

Der Schweiz bereitet diese Konstellation besondere Mühe. Einerseits ist sie als globales Dienstleistungszentrum und als Standort vieler global agierender Unternehmer wie kein zweites Land auf offenen Welthandel, Weltmarktzugänge und Liberalisierung angewiesen.

Andererseits “ist die geschützte Landwirtschaft dem hiesigen Verbraucher in doppelter Hinsicht teuer”, wie Dieter Ruloff sagt. Der Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Zürich meint damit: “Doppelt – sowohl hinsichtlich der Sympathie als auch der hohen Preise”.

Produktionsvorteile

Ruloff sagt, dass die grossen Länder der Dritten Welt im landwirtschaftlichen Bereich tatsächlich Produktionsvorteile besitzen. “Und so muss man sich in der Tat fragen, ob die Schweiz und anderen Industrieländer nicht Gegenrecht halten sollen. Und ihre Märkte für Agrarprodukte aus dem Süden öffnen.”

Die Schweiz kann nicht gleichzeitig im Industrie- und Dienstleistungsbereich die Liberalisierung fordern und forcieren und im Agrarbereich die Grenzen schliessen.

Hier existiert noch keine freier Handel, auch bei den anderen Industrieländern nicht. Die Forderungen der Dritten Welt richten sich nicht nur an Europa. Auch Nordamerika und Japan sind angesprochen.

Welthandel: Kein Nullsummenspiel

Wirtschaftlich fällt für das Industrieland Schweiz der Agrarbereich nicht gross ins Gewicht. Für die Produzentenländer aus dem Süden hingegen schon. Der Welthandel sei ja kein Nullsummenspiel, so Ruloff, wo einer nur dann gewinnen kann, wenn ein anderer etwas verliert.

“Die Industrieländer haben alles Interesse daran”, so Ruloff, “dass die Dritte Welt auf die Beine kommt.” Erst wenn diese Länder Geld verdienen, können sie auch als Kunden auftreten.

Ruloff sieht die meisten Konzessionen im landwirtschaftlichen Bereich auf die Schweiz zukommen. “Verlierer der Globalisierung sind jene, die sich anpassen müssen. Und das sind in der Schweiz die Landwirte.”

Deshalb ziehen sie auch die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung auf sich. “Man muss ihnen in ihrem Anpassungsprozess helfen, man darf sie nicht allein lassen.”

Die wahren Interessen sind anderswo

Denn die wahren Interessen der Schweiz in Sachen Weltwirtschaft liegen anderswo. “Für die Schweiz ist am wichtigsten, dass das offene Welthandelssystem intakt bleibt, auch wenn das die hiesige Landwirtschaft ihre Privilegien kostet.”

Als Standort für viele globale Dienstleistungsunternehmen liegt es im Interesse der Schweiz, dass die Liberalisierung in den aktuell wichtigen Bereichen Dienstleistungen, Investitionen und geistiges Eigentum weiter geht.

Deshalb führe an Konzessionen in der Landwirtschaft kein Weg vorbei. “Das muss aber sozialverträglich geschehen”, sagt Ruloff. Dies geschehe ja zum Teil bereits. Die Subventionierung der Landwirte laufe immer weniger über die Produkte, da immer mehr Direktzahlungen erfolgen.

“So kommt man endlich weg vom unglücklichen Subventionssystem über hohe Preise.”

Ausserdem ermuntere man die Bauern zu mehr Qualität und Ökologie, was von ihnen unternehmerisches Denken abverlangt. Sogar der bauernnahe Bundesrat Christoph Blocher habe an der Agrarmesse Olma in St. Gallen gefordert, der Schweizer Landwirt müsse etwas mehr Unternehmer werden – “was zu einem Sturm der Entrüstung geführt hat”, wie Ruloff sagt.

swissinfo, Alexander Künzle

Die Anzahl landwirtschaft-licher Betriebe hat sich in der Schweiz von 1990 von 92’815 auf 65’866 im Jahr 2003 reduziert.

Die Anzahl der Beschäftigten nahm im gleichen Zeitraum von 253’561 auf 193’179 Personen ab.

Die landwirtschaftliche Nutzfläche reduzierte sich im gleichen Zeitraum von 1,068 auf 1,067 Mio. Hektaren.

Die Anzahl Grossvieheinheiten sank von 1,429 auf 1,287 Millionen.

Laut Bundesbeschluss über die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft in den Jahren 2004 bis 2007 sind in diesen vier Jahren rund 14 Mrd. Franken Subventionen vorgesehen.
Das entspricht jährlich rund 3,5 Mrd. Franken.
Der Grossteil davon entfällt auf Direktzahlungen, die von 2,487 Mrd. Franken im Jahr 2004 langsam auf 2,538 Mrd. für 2007 zunehmen.
Gegenüber dem Zahlungsrahmen 2000 bis 2003 wuchsen die Direktzahlungen um 5,4%, während die Subventionen für Produktion und Absatz um 15,6% abnahmen.

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