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Wer auswandert, wird im Inland nicht rechtlos

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Rund 676'000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger leben im Ausland. Damit zählt die «Fünfte Schweiz» nahezu gleich viele Bewohner wie der drittgrösste Kanton der Schweiz. Aber im Parlament haben die Auslandschweizer (noch) keine direkten Vertreter.

Auch wer ausserhalb der Schweiz lebt, kann seine politischen Rechte ausüben, wenn auch unter gewissen Bedingungen und mit Einschränkungen.

Seit 2000 sind die Rechte und Pflichten der Auslandschweizer in einem eigenen Artikel in der Bundesverfassung verankert.

Um an eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen teilnehmen zu können, müssen sich Auslandschweizer bei der zuständigen Vertretung der Schweiz im Ausland anmelden.

Ausserdem müssen sie alle vier Jahre die Eintragung im Stimmregister der Heimat- oder letzten Wohnsitzgemeinde in der Schweiz erneuern lassen. Eine Teilnahme an kantonalen Urnengängen ist nur dann möglich, wenn dies die Gesetzgebung des Kantons vorsieht. Das ist erst in elf Kantonen der Fall.

Eine grosse Erleichterung brachte die Möglichkeit der brieflichen Stimmabgabe. Bis 1992 konnten Auslandschweizer ihre Stimme nur auf einer Schweizer Vertretung oder auf Heimaturlaub abgeben. Von den insgesamt knapp 500’000 stimm- und wahlberechtigten Auslandschweizern machen nur gut ein Fünftel von ihren politischen Rechten tatsächlich Gebrauch.

Auswanderungsland

Ob der teils aufgeregten Debatten über die Einwanderung in die Schweiz geht gerne vergessen, dass die Schweiz auch ein Auswanderungsland ist; historisch, aber auch noch in der Gegenwart. Im 18. und 19. Jahrhundert verliessen gegen 200’000 Schweizerinnen und Schweizer das Land. Und auch heute melden sich jährlich mehr als 25’000 Menschen in ihrem Wohngemeinden ab mit dem Vermerk «Abreise ins Ausland».

Mehr als 60% der Auslandschweizer leben in einem europäischen Land, weitere 25% auf dem amerikanischen Kontinent. Der Rest verteilt sich über den ganzen Globus. Selbst auf den entlegensten Südseeinseln residieren Schweizer Bürger.

Die grösste Gemeinschaft befindet sich mit über 170’000 Personen in Frankreich, gefolgt von Deutschland (72’000). Gleichviel Schweizerinnen und Schweizer leben in den USA. Fast drei Viertel der Auslandschweizer sind auch Bürger ihres Aufenthaltslandes.

Bindeglied und Sprachrohr

Seit der Revision der Bundesverfassung 1999 steht im Grundgesetz festgeschrieben, dass der Bund „die Beziehungen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer untereinander und zur Schweiz” fördert.

Offizielles Bindeglied zwischen der Eidgenossenschaft und ihren Bürgerinnen und Bürgern ausser Landes ist der Auslandschweizerdienst, der beim Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA angesiedelt ist. Der Dienst steht mit Ratschlägen, aber auch konkreten Hilfestellungen in Not- und Krisensituationen bereit.

Eine enge Zusammenarbeit besteht zudem zwischen dem EDA und der Auslandschweizer-Organisation ASO, die 1916 gegründet wurde und seither die Interessen der Auslandschweizer in der Schweiz vertritt. Getragen wird die ASO von 750 schweizerischen Institutionen auf der ganzen Welt.

Förderung junger Auslandschweizer

Rund um die ASO sind zahlreiche weitere Institutionen angesiedelt, die sich speziellen Fragen und Bedürfnissen der Auslandschweizer widmen. Einige Stiftungen ermöglichen es jungen Auslandschweizern, Ferien in der Schweiz zu verbringen, um ihre Heimat kennen zu lernen. Andere Organisationen fördern die Ausbildung junger Auslandschweizer.

Als Sprachrohr der «Fünften Schweiz» fungiert der Auslandschweizerrat. Zwei Mal im Jahr trifft das rund 160-köpfige Gremium in der Schweiz zusammen. Der Auslandschweizerrat setzt sich zusammen aus Delegierten der Schweizervereine im Ausland und Vertretern aus dem Inland, die eine Affinität zur «Fünften Schweiz» haben – zum Beispiel als ehemalige Auslandschweizer oder als Repräsentanten einer Organisation, die sich für Anliegen der Auslandschweizer einsetzt.

Ein 27. Kanton?

Einen Quantensprung in der Beziehung zwischen der Eidgenossenschaft und ihren Bürgerinnen und Bürgern im Ausland hätte ein politischer Vorschlag bringen sollen, der die Auslandschweizer gleichsam als 27. Kanton konstituiert hätte.

Gemäss dem Vorstoss, den SP-Nationalratsmitglieder im Sommer 2007 einreichten, hätte der Ständerat um zwei und der Nationalrat um sechs Sitze vergrössert werden sollen, die von Auslandschweizer bestellt worden wären. Damit hätte die «Fünfte Schweiz» de facto den Status eines Kantons erlangt.

Der Nationalrat hatte die Initiative im September 2008 zwar angenommen, aber der Ständerat schickte sie im März 2009 bachab.

Trotzdem will die Auslandschweizer-Organisation (ASO) ihren Kampf zur Verstärkung der politischen Partizipation der Fünften Schweiz fortführen.

“Die Tatsache, dass der Nationalrat die Initiative gutgeheissen hat, zeigt die wachsende Anerkennung des Gewichtes der Auslandschweizer, nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch ganz allgemein”, sagt ASO-Sprecherin Ariane Rustichelli.

Andere Länder, wie etwa Italien, Frankreich, Portugal oder Kroatien, kennen das Prinzip von ständigen Parlamentsvertretern durch Landsleute im Ausland.

676’000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger leben im Ausland.

Jedes Jahr verlegen 25’000 Schweizerinnen und Schweizer ihren Wohnsitz ins Ausland.

Die Mehrheit der Auslandschweizer lebt in einem europäischen Land.

Gemäss Bundesverfassung ist es Aufgabe des Bundes, die Beziehung der Schweiz zu ihren Bürgerinnen und Bürgern im Ausland zu fördern.

Die 1916 gegründete Auslandschweizer-Organisation ASO vertritt in vielfältiger Weise die Interessen der so genannten Fünften Schweiz.

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