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Wichtiger Schritt im Nahen Osten

Ein Hamas-Anhänger schwingt während einer Wahlveranstaltung im Westjordanland eine grüne islamische Fahne Keystone

Alle politischen Kräfte in den Palästinenser-Gebieten sollten in den demokratischen Prozess einbezogen werden. Dies erklärte das EDA gegenüber swissinfo.

In den palästinensischen Autonomie-Gebieten finden die ersten Parlamentswahlen seit zehn Jahren statt. Rund 1,4 Mio. Menschen können ihre Stimme abgeben.

Die radikal-islamische Gruppierung Hamas ist zum ersten Mal dabei. Sie könnte der Fatah des amtierenden Präsidenten Abbas gefährlich werden.
Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat im Vorfeld der Wahlen in den palästinensischen Gebieten gegenüber swissinfo Stellung genommen.

swissinfo: Was hat das EDA bei den Vorbreitungen für die zweiten parlamentarischen Wahlen in den palästinensischen Gebieten beobachtet?

Carine Carey, Sprecherin EDA: Das EDA ist froh, dass die Wahlen trotz der schwierigen Sicherheitslage stattfinden. Es begrüsst, dass Präsident Mahmoud Abbas dem internen Druck, sie erneut zu verschieben, nicht nachgegeben hat.

Die letzten Wahlen fanden vor ziemlich genau zehn Jahren statt. Es ist deshalb wichtig, dass die palästinensische Autorität eine neue demokratische Legitimation erhält.

Das EDA begrüsst ebenfalls den Entscheid der israelischen Regierung, die Wahlen in Ostjerusalem, das völkerrechtlich ein Teil des besetzten palästinensischen Gebietes ist, zuzulassen.

Es hofft, dass die palästinensische Bevölkerung Ostjerusalems ihr Wahlrecht möglichst uneingeschränkt wahrnehmen kann. Ferner ist zu hoffen, dass die Wahlen friedlich verlaufen und sich die konkurrierenden Gruppierungen an das vereinbarte Waffentragverbot halten.

swissinfo: Wie werden Sie mit den palästinensischen Behörden umgehen, wenn die Islamisten an die Macht kommen?

C.C.: Das EDA ist grundsätzlich für einen Einbezug aller politischen Kräfte in den demokratischen Prozess. In jedem Fall sind das internationale Recht sowie die Osloer Verträge, die das Existenzrecht Israels anerkennen, für die palästinensische Behörde bindend.

Dazu gehört auch das Prinzip der friedlichen Beilegung von Konflikten. Der Umgang mit diesen Grundsätzen wird unsere bilateralen Beziehungen mit den palästinensischen Behörden prägen.

swissinfo: Die EU hat gedroht, die Palästinenser würden keine finanzielle Hilfe mehr bekommen, wenn sie die Islamisten wählen. Wird die Schweiz gleich reagieren oder glauben Sie, man sollte eher auf einen Dialog mit den Islamisten setzen?

C.C.: Das EDA unterstützt praktisch ausschliesslich Projekte internationaler Organisationen und lokaler NGO. Die Ausnahme bildet das palästinensische Statistikamt, das von der DEZA unterstützt wird.

Abgesehen davon erhält die palästinensische Behörde keine direkte Unterstützung von der Schweiz. Die Frage stellt sich also für das EDA kaum.

swissinfo: Betrachten Sie die Hamas als Terror-Organisation, die man bekämpfen muss, oder eher als politische Bewegung mit religiösen Prägungen?

Mit der Ausnahme von Al Kaida, die in der Schweiz seit November 2001 verboten ist, verbietet die Schweiz keine Organisationen oder Gruppierungen als solche.

Hingegen verfolgt sie individuell Personen, die das Recht verletzen, also auch solche, die terroristische Handlungen begehen.

Bei Hamas handelt es sich um eine Organisation, die einerseits sozial aktiv ist und sich mit ihren Aktivitäten zugunsten der Bevölkerung eine starke politische Basis geschaffen hat. Andererseits beansprucht sie auch das Recht auf bewaffneten Widerstand.

Das humanitäre Völkerrecht verbietet die Anwendung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung, und die Schweiz hat sich stets für eine friedliche Konfliktlösung eingesetzt.

Falls Hamas nach den Wahlen in der Regierung Einsitz nehmen will, wird sie sich zu den von der PLO/PA im Rahmen des Osloer Prozesses akzeptierten Grundlagen des Friedensprozesses bekennen müssen.

Das EDA begrüsst die Deklaration des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, wonach Hamas-Mitglieder nur in das palästinensische Regierungskabinett aufgenommen werden, falls sie die Osloer Friedensabkommen mit Israel anerkennen.

swissinfo: Welche Organisationen gefährden den Friedensprozess im Nahen Osten?

C.C.: Es gibt extremistische Kräfte auf beiden Seiten des Konfliktes, welche nicht an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert sind. Es ist zu hoffen, dass diese Elemente, die in beiden Gesellschaften eine klare Minderheit darstellen, den Friedensprozess nicht nachhaltig torpedieren können.

swissinfo: Das politische Bild im Nahen Osten könnte bald so aussehen: Scharon ist weg und die Islamisten an der Macht. Welche Zukunft hat die Genfer Initiative unter diesen Umständen?

C.C.: Es ist noch verfrüht, irgendwelche Prognosen zu formulieren. Die israelischen Knesset-Wahlen am 28. März werden für den weiteren Verlauf des Nahostkonfliktes und des Friedensprozesses ebenfalls sehr wichtig sein.

Es ist aber ermutigend, dass sich sowohl der interimistische Premier Ehud Olmert als auch der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas für eine baldige Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen ausgesprochen haben.

Das von den Initianten der Genfer Initiative ausgearbeitete Modellabkommen ist ein wichtiges Referenz-Dokument für ein zukünftiges israelisch-palästinensisches Friedensabkommen. Es wird in den künftigen Diskussionen über eine Beilegung des Konflikts eine wichtige Quelle für mögliche Lösungen sein.

swissinfo-interview: Tamer Aboalenin

Die Schweiz unterstützt die palästinensischen Wahlen mit der Entsendung von zwei Langzeit- und fünf Kurzzeit-Beobachtern. Diese sind in der EU Wahlbeobachter-Mission integriert. Ausserdem partizipieren zwei Schweizer Parlamentarier in der Wahlbeobachtermission des Europarates.

Die Schweizer Unterstützung in den von Israel besetzten Gebieten besteht vor allem aus Entwicklungshilfe für die Palästinenser.

Sie wird durch nichtstaatliche und andere internationale Organisationen geleistet. Die offizielle Schweiz leistet keine Finanzhilfe, ausser für das Statistische Amt.

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