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Wie viel Zentralstaat, wie viel Föderalismus?

Finanzminister Kaspar Villiger verteidigt den NFA. Keystone

Der neue Finanzausgleich soll die Lücke zwischen armen und reichen Kantonen verringern und Aufgaben zwischen Bund und Kantonen neu verteilen.

Weil dies diverse Verfassungs- und Gesetzesänderungen nach sich zieht, liegt die Umsetzung noch in weiter Ferne.

Der neue Finanzausgleich (NFA) soll dem Föderalismus neuen Schwung verleihen. Das ist der Wunsch der Regierung. Das Parlament hat sich nun auf die Leitplanken geeinigt.

Es geht um 12 Milliarden Franken

Weil das bisherige System aus dem Jahr 1959 nicht zu den gewünschten Resultaten führte, fasste die Regierung 1992 den Entschluss für eine Revision. Denn was heutzutage unter dem Namen “Finanzausgleich” laufe, sei “viel Leerlauf und teilweise sogar kontraproduktiv”, so die ernüchternde Bilanz.

“Der heute geltende Finanzausgleich besteht aus rund drei Dutzend untereinander weitgehend unkoordinierten Einzelmassnahmen”, schreibt das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD). Es geht um einen Finanzstrom von rund insgesamt 12 Milliarden Franken.

Steuerwettbewerb oder Abflachen der Steuerunterschiede?

Der neue Finanzausgleich soll nun sicher stellen, dass alle Kantone im Bundesstaat ihre Aufgaben erfüllen können, ohne Bürgerinnen und Bürger übermässig mit Steuern zu belasten. Es geht um den Ausgleich zwischen dem Bund und allen Kantonen wie auch um den Ausgleich zwischen den einzelnen Kantonen.

Ausserdem sollen die Aufgaben klar zugewiesen werden und die Zusammenarbeit der Kantone gefördert werden. Dies ist ein zweischneidiges Schwert, denn die bürgerlichen Parteien möchten den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen erhalten, während die sozialdemokratische Politik eher auf eine Abflachung der Steuerunterschiede tendieren.

Teilweise sind ja die Unterschiede in der Steuerbelastung zwischen den Kantonen derart stossend, dass sie im Volk nicht verstanden werden, meint auch Bundesrat Kaspar Villiger. Andererseits fallen bei einer fiskalischen Nivellierung viele Spar- und Effizienzanreize für die einzelnen Kantone weg, wie man das von Deutschland her kennt.

Dort wurde vor allem gegen oben “nivelliert”. Schliesslich droht die sozialdemokratische Partei schon mit einer Volksinitative zum Thema “materielle Harmonisierung”.

Parlament sagt Ja zur Revitalisierung des Föderalismus

Nach dem Ständerat im letzten Herbst hat der NFA nun im Nationalrat die zweite Hürde genommen. Mit 75 zu 42 Stimmen sagte die grosse Kammer Ja zum Verfassungspaket, das dazu nötige Finanzausgleichsgesetz passierte mit 60 zu 32 Stimmen bei 30 Enthaltungen.

Der Nationalrat einigte sich am Donnerstag schliesslich darauf, die finanzstarken Kantone beim neuen Finanzausgleich stärker in die Pflicht nehmen können. Rund 2,5 Milliarden Franken sollen vom Bund und den ressourcenstarken Kantonen in die ärmeren Kantone fliessen.

Maximal sollen diese sieben Geberkantone den finanzschwachen Kantonen gleich viel bezahlen wie der Bund. Der Ständerat hatte diese Obergrenze bei drei Vierteln des Bundesbeitrags festgesetzt.

Ausgleich auf verschiedenen Ebenen

Im NFA wird unterschieden zwischen dem Finanzausgleich im weiteren Sinn, der die Aufgaben- und Finanzverteilung regelt, und dem Finanzausgleich im engeren Sinn, bei dem es um den Feinausgleich geht, nach Zuteilung von Aufgaben und Steuerquellen.

Eine weitere Unterscheidung betrifft den direkten Finanzausgleich, das heisst die Zuteilung zweckfreier Finanzmittel, und den indirekten Finanzausgleich über zweckgebundene Beiträge oder Subventionen.

Rechts gegen links

Die Reform des Finanzausgleichs schied im Nationalrat die Geister. Während Tagen befasste sich die grosse Kammer mit dem Projekt. Die Rechte erwartete eine Neubelebung des Föderalismus, die Linke befürchtete einen Sozialabbau.

Der Christdemokrat Felix Walker bezeichnete den NFA als ein Projekt von staatspolitischer Bedeutung. “Er ist eine Nagelprobe für die Erneuerungskraft von uns.”

Dem entgegnete Sozialdemokrat Werner Marti, der NFA würde die Ungleichheit zwischen den Kantonen nur verschärfen und den Steuerwettbewerb anstacheln.

Weil die Entflechtung der Aufgaben Verfassungs- und Gesetzesänderungen nötig sind, wird die gesamte Vorlage noch für längere Zeit zwischen den beiden Räten hin und her wandern.

Mit einer Volksabstimmung wird frühestens 2004 gerechnet.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Schweiz hat ein dreistufiges Steuersystem: Bund, Kantone und Gemeinden erheben Steuern.
Zwischen den 26 Kantonen bestehen grosse Unterschiede, denn das föderalistische System erlaubt ihnen, den Steuersatz selber festzulegen.
Jeder Kanton hat sein eigenes Erziehungs- und Polizeisystem.

Ziele der Reform:

Die Lücke zwischen armen und reichen Kantonen soll verkleinert werden.

Die unterschiedlichen Bedürfnisse von Städten und ländlichen Gegenden sollen berücksichtigt werden.

Kein Kanton, der unter dem derzeitigen System profitiert, soll unter dem Neuen etwas verlieren.

Die Bereiche der gemeinsamen Verantwortlichkeit zwischen Kantonen und der Schweizer Regierung sollen durchorganisiert werden.

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