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Die Chemiefirma aus Hasle-Rüegsau als Global Player

Sanfte Hügel, ein Fluss, ein Dorf, eine Chemiefirma: Blaser-Ballone über dem Firmengelände in Hasle-Rüegsau. Walter Pfäffli

Das Emmental ist Idylle, aber auch Heimat innovativer Betriebe wie der Firma Blaser Swisslube. Liedermacher Martin Heiniger, ein Ur-Emmentaler, sieht den Kühlschmierstoff-Hersteller in der Tradition findiger Emmentaler Geister aus früheren Jahrhunderten.

Sanfte Hügel, weidende Kühe, verstreute Bauernhöfe, dunkle Tannenwälder, tief eingeschnittene Gräben, Bächlein, die bei Gewittern gefährlich anschwellen, Dörfer, die sich an die Emme schmiegen – den Fluss, welcher der Region rund um den höchsten Punkt Napf ihren Namen gab: Emmental.

Die Gegend ist aber nicht nur urtümlich und bisweilen auch abweisend, sondern auch Heimat von vielen innovativen kleinen und mittleren Unternehmen, die mit ihren Nischenprodukten Weltspitze sind.

Dass sogar eine Chemiefirma darunter ist, die hochtechnische Kühlschmiermittel entwickelt und herstellt, überrascht: Blaser Swisslube ist ein Familienunternehmen aus Hasle-Rüegsau, das im letzten Jahr seinen 75. Geburtstag feierte und seit 2010 von Marc Blaser in dritter Generation geführt wird. Kühlschmiermittel werden in der Metallbearbeitung eingesetzt, also beim Bohren, Fräsen und Schleifen, “überall, wo Späne anfallen”, so Blaser.

Airbus, Boeing, Bombardier, Embraer, Eurocopter, Pilatus: “Teile von fast jedem Flugzeug wurden mit unseren Produkten gefertigt”, sagt der 37-Jährige. Zu den Kunden gehören weiter führende Hersteller von Automobilen, Kraftwerken, Turbinen, medizinischen Implantaten, Uhren, Computer-Festplatten, aber auch Formel-1-Rennställe.

“Yes we can!” schon vor 300 Jahren

Innovative Emmentaler Betriebe wie Blaser Swisslube sind für den Liedermacher Martin Heiniger nicht Zufall. Der gebürtige Langnauer, der heute im Kanton Aargau lebt, ist ein genauer Beobachter seiner Heimat geblieben. Er stellt solche Betriebe in eine Tüftler-Tradition, die ihren Ursprung auch in der Topographie der dünn besiedelten Region hat. “Emmentaler Bauern sind kleine Könige, jeder Hof ist ein kleines Königreich”, sagt “Tinu” Heiniger, wie er sich nennt, beim Treffen im Langnauer “Chüechlihus”.

Im 1526 erbauten, hervorragend erhaltenen Holzgebäude befindet sich das Emmentaler Regionalmuseum, das dank des Kulturraums der Stiftung Hans Ulrich Schwaar bis in die Moderne reicht.

Auf den einsamen Höfen wurde die Not, auf sich allein gestellt zu sein, in eine stolze Tugend gekehrt. “Die Menschen fragten nicht, was die anderen machen, sondern sie entwickelten etwas selbst weiter, um es zu verbessern”, so Heiniger.

Objekte waren Alltagsgegenstände, insbesondere Werkzeuge und Maschinen. “Emmentaler haben sich vielleicht schon vor 300 Jahren gesagt, ‘Yes, we can!’ und ‘Mach dein eigenes Ding!'”

Auch Heinigers Vater, der in Langnau eine Schreinerei betrieb, machte seine eigenen Dinger. “Er erfand eine Zeichnungsmaschine, von der er rund 100 Stück selber herstellte und verkaufte, sowie einen Papierschneider”, erzählt er.

Zehn Sekunden statt drei Minuten

Der Stolz von Blaser Swisslube sind die hochspezialisierten Labors in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, wo die Spezialisten immer nach noch besseren Lösungen tüfteln. Im 2008 eingerichteten Technologiecenter werden die neuen Formeln von Kühlschmierstoffen sowie neue Bearbeitungsverfahren getestet – dies unter Extrembedingungen.

“Hier können wir Produkte entwickeln, deren Leistungsfähigkeit exakt messen sowie für Kunden spezifische Fragestellungen erproben”, erklärt Marc Blaser auf einem Rundgang durch den Betrieb.

Eine solche Fragestellung stammte von der Technischen Hochschule Aachen. Das deutsche Spitzeninstitut verlangte nach einem optimierten Verfahren von Bohrungen (Durchmesser  8 mm, Tiefe 200 mm) in einem hochlegierten Stahl.

Ein Blaser-Mitarbeiter öffnet am Computer eine Datei mit der Aufzeichnung des Resultats: Der Bohrer setzt sanft an, dreht sich dann unter immer lauter werdendem Sirren rasch in das glänzende Metall. Dabei spritzt Flüssigkeit wild herum.

Was dem Auge unsichtbar bleibt: Mit hohem Druck von 60 bar wird das mit Wasser gemischte Kühlschmiermittel durch zwei feine Kanäle im Bohrer an dessen Spitze gedrückt. Dort kühlt und schmiert die Substanz und transportiert gleichzeitig die anfallenden Metallspäne ab.

“Nach herkömmlichem Verfahren dauert eine Bohrung drei Minuten, bei uns zehn Sekunden”, sagt Marc Blaser stolz und zeigt den schweren Metallblock, an dem die Testreihe vorgenommen wurde.

So könne die Produktion von Metallteilen bei gleichbleibender Investition um das 18-fache gesteigert werden, was die Stückkosten massiv senke, erklärt er. Als weiterer kostensenkender Faktor komme die erhöhte Lebensdauer der Werkzeuge dazu.

  

“Wir bieten dem Kunden eine Lösung, die ihm, dokumentiert durch die Testresultate, den höchsten Nutzen bringt”, erklärt Marc Blaser. Nur wenn Maschinen und Personal so produktiv wie möglich eingesetzt werden könnten, sei ein Unternehmen wettbewerbsfähig.

Als Goethe nach Langnau pilgerte

Tinu Heiniger zählt “das Dranbleiben” an einer Fragestellung oder Idee, diese “positive Sturheit”, zu den Grundpfeilern des emmentalischen Erfindergeistes. “Emmentaler haben ein Durchsetzungsvermögen, das auf Stolz gründet, nach der Devise: Wir können das und machen das!”

Im Chüechlihus weist er auf zwei findige Köpfe hin, die weit über das Emmental hinaus bekannt wurden: Michael Schüpbach (1707-1781) aus Biglen und der Signauer Christian Schenk (1781-1835), beides Söhne von Bauern.

Ursprünglich handwerklich ausgerichteter Wundarzt, entwickelte Schüpbach eine eigene Heilkunst. Diese schlug dermassen ein, dass Schüpbachs Praxis in Langnau zum Wallfahrtsort für Menschen aus ganz Europa wurde. 1779 erwies ihm gar Goethe die Ehre. 

Christian Schenk baute nicht nur die erste Dampfmaschine der Schweiz, sondern entwickelte auch Spinn- und Webmaschinen, Sämaschinen, Waagen, Bohrmaschinen, Münz-Walzwerke, Schnapsbrennereien, Blitzableiter und künstliche Glieder.

“Christian Schenk hatte die Gabe, durch blosses Betrachten eine Maschine zu enträtseln und nachzubauen”, besagt der Ausstellungstext im Chüechlihuus. Für Tinu Heiniger sind Schenk und Schüpbach Paradebeispiele für die Kombination von Intuition und intellektuellem Wissen, die den kleineren und grösseren Würfen aus dem Emmental zugrunde liegt.

Bei Christian Schenk hebt er auch die soziale Verantwortung hervor, die sehr oft mit dem Emmentaler Erfindergeist einher geht. Auf dem Höhepunkt hatte Schenk in seiner Werkstätte in Bern 70 Gesellen beschäftigt.

Unterschiede zeigen sich aber beim Geschäftssinn. Wegen der Krise von 2008, laut Marc Blaser “der schlimmsten, die uns je traf”, musste die Chemiefirma keinen einzigen Mitarbeiter entlassen.

Christian Schenk dagegen konnte aus seinen Erfindungen und Entwicklungen nie wirtschaftlichen Profit schlagen und war schlussendlich gezwungen, seine grosse Werkstätte in Bern aufzugeben.

Ein ähnliches Schicksal hätte beinahe auch Tinu Heinigers Vater ereilt. “Zu seinen Erfindungen gehörte auch ein Schubladeneinzug ohne Rollen. Die Idee konnte er einem deutschen Unternehmen verkaufen, das die Schubladen in Lizenz herstellt. Das hat ihn wirtschaftlich gerettet”, erzählt Tinu Heiniger.

1936 von Willy Blaser gegründet.

Erstes Produkt: Blaha-Glanz, eine wasserabweisende und lederaufweichende Schuhcrème für die Emmentaler Bauern.

Danach auch Schmierfette für Maschinen und Reinigungsmittel für Haushalt. Einige werden noch heute hergestellt.

1974: Nachfolger Peter Blaser (Sohn) setzt auf Kühlschmierstoffe und den internationalen Markt als Wachstumsstrategie.

2010 übergibt Peter Blaser die Firmenleitung Sohn Marc Blaser. Heute sind die Emmentaler in 50 Ländern aktiv.

Die Familien-AG veröffentlicht keine Jahreszahlen. Laut Marc Blaser werden 90% des Umsatzes im Ausland erzielt.

Kühlschmierstoffe machen rund 90% aus, die herkömmlichen Schmierfette 10%.

1946 in Langnau geboren. Liedermacher, singt Berndeutsch (Mundart), lebt heute im Kanton Aargau.

2004 wurde er mit dem Musikpreis des Kantons Bern ausgezeichnet.

Im Buch “MUETERLAND – Heimat in Geschichten” (2011) erzählt Heiniger Geschichten aus dem Emmental der 1950er-Jahre.

Seine Heimat besingt er insbesondere auch in den Liedern “Ämmitau” und “Ämmelied”.

Innovationen haben laut Heiniger im Emmental Tradition, weil die Bewohner der einsamen Höfe gezwungen waren, bei Problemen eigene Lösungen zu finden.

Die “positive Sturheit”, die Emmentaler dabei an den Tag legen, zählt Heiniger auch zu seinen Charaktereigenschaften. “Ich bin seit 40 Jahren Musiker und habe in dieser Zeit viele Kollegen kommen und gehen sehen”, bilanziert er.

Ein Querschnitt durch innovative Emmentaler Unternehmen (alphabet. Reihenfolge, ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Berger Metallbau, Langnau (Rahmenlose Verglasung).

Bigla Möbel, Biglen, verchromte Stahlrohrmöbel u.a. von Mart Stam, Mies van der Rohe.

Biscuitfabrik Kambly, Trubschachen.

Blaser Swisslube, Kühl- und Schmierstoffe, Hasle-Rüegsau.

Biketec AG, Flyer (E-Bikes), Huttwil.

Jakob Seile, Trubschachen.

Jenni, Swiss Solar Tank (“Oil of Emmental”), Oberburg.

Liechti Engineering, Langnau (Fräsmaschinen für Turbinen für Luftfahrt- und Energieindustrie).

PB Swisstools, Handwerkzeuge, Wasen.

Schaukäserei Schangnau, Büffelmozarella.

“Strom von hier”, Vermarktungsplattform für nachhaltigen, lokaler Ökostrom, Trubschachen.

Das Emmental ist knapp 700km2 gross und zählt knapp 94’000 Einwohner (1. Jan. 2011).

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