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Setzte Swisscom mit Fastweb aufs falsche Pferd?

Swisscom-CEO Carsten Schloter zeigte sich überzeugt, dass Fastweb solide sei. Keystone

Mitte letzter Woche musste der Telekommunikationsriese Swisscom bekanntgeben, dass der Konzerngewinn um 1,2 Milliarden Franken tiefer ausfallen wird. Grund ist die italienische Breitbandtochter Fastweb. Doch diese hält auch noch gute Karten in der Hand.

Auslandinvestitionen scheinen der Swisscom kein Glück zu bringen.

2004 musste der grösste Schweizer Telekom-Anbieter seine Beteiligung an der deutschen Debitel verkaufen – mit einem Verlust von 3 Milliarden Franken.

Die Abenteuer in Ungarn, Malaysia und Indien waren ebenfalls (teure) Landungen im Wasser.

2005 verlangte die Schweizer Regierung – die eine Mehrheit der Aktien der Swisscom hält – vom grössten Schweizer Telekom-Konzern, keine ausländischen Unternehmen mehr aufzukaufen.

Dieser Entscheid führte zum Rücktritt des damaligen Konzernchefs Jens Alder. Doch sein Nachfolger Carsten Schloter schaffte es 2007 mit der Übernahme der italienischen Fastweb, diese Fessel abzuwerfen.

Wird die Übernahme von Fastweb nun ebenfalls zur Wasserlandung? Zumindest kann man zu diesem Schluss kommen, wenn man die Zahlen sieht, die letzte Woche präsentiert wurden.

Der Wert der italienischen Firma musste um über 1,7 Mrd. Euro korrigiert werden, womit die 2007 für 4,6 Mrd. Euro (damals 7,6 Mrd. Fr.) gekaufte Firma Fastweb nun “nur” noch 2,9 Mrd. Euro wert ist.

Die Abwertung von Fastweb belastet das Ergebnis der Swisscom für 2011 um 1,2 Mrd. Franken; ein massiver Einbruch, wenn man bedenkt, dass der Konzern letztes Jahr einen Reingewinn von 1,8 Mrd. erwirtschaftet hatte.

Bessere Aussichten

Doch Matthias Finger, Telekommunikations-Experte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), glaubt, dass Fastweb immer noch gute Karten in der Hand hält, trotz dem Abschreiber und einer polizeilichen Untersuchung im letzten Jahr wegen vermuteter Steuerhinterziehung.

“Nach den Problemen der Swisscom in Malaysia und Indien ist es verlockend, Fastweb einfach als ein weiteres Übersee-Abenteuer zu bezeichnen”, so Finger gegenüber swissinfo.ch. “Swisscom hat einen viel zu hohen Preis für Fastweb bezahlt, doch trotzdem war es ein guter strategischer Zug.”

Die Stärke der Firma im optischen Breitband-Bereich und die starke Position im Bereich Geschäftskunden – sie ist die Nummer zwei in Italien – versprächen gute Aussichten, ist Finger überzeugt. “Daher würde ich der Swisscom nicht empfehlen, Fastweb abzustossen.”

Wirtschaftlich dunkle Zeit

Swisscom hatte Fastweb viel zu hoch bewertet. Die sich verschlechternden Wirtschaftsbedingungen in Italien haben den Effekt noch verstärkt: Viele Kunden sind heute viel eher bereit, den Provider wechseln, immer mehr Rechnungen werden nicht mehr bezahlt.

Einer der grössten Kunden ist die italienische Regierung, die wegen der exorbitanten Staatsschulden den Gürtel immer enger schnallen muss. Zudem hat der Preiskampf mit dem Eintritt neuer Anbieter auf dem Markt stark zugenommen.

“Hohe Staatsverschuldung, schwaches Wirtschaftswachstum, steigende Arbeitslosigkeit und politische Unsicherheit sind Risikofaktoren, die das künftige Wachstum und damit den Unternehmenswert beeinträchtigen”, hat Swisscom in einer Mitteilung geschrieben.

Daher sei es nötig, über die nächsten Jahre Kosten im Umfang von 120 Mio. Euro einzusparen. Über mögliche Entlassungen wollte Schloter nichts sagen. Es wird aber vermutet, dass Schweizer Jobs nicht gefährdet sind.

Nicht alles schlecht

Die Meldung letzte Woche war jedoch nicht aus heiterem Himmel gekommen. Dieses Jahr mussten bereits einige auf dem italienischen Markt tätige Telekom-Unternehmen Abwertungen vornehmen: Beispielsweise Telecom Italia mit -3,2 Mrd. Euro und Vodafone mit -0,9 Mrd. Euro.

Fastweb, das im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von rund 50% auf 1,9 Mrd. Euro verzeichnen konnte, hat in den ersten neun Monaten 2011 einen Rückgang um 7,8% auf 1,3 Mrd. Euro hinnehmen müssen.

Gemäss lokalen Beobachtern hat Fastweb aber immer noch einige Trümpfe zu bieten. Das Unternehmen ist viel kleiner als seine Konkurrenten Telecom Italia, Vodafone und Wind.

Und der Entscheid der italienischen Telekom-Behörde vor wenigen Wochen, die Terminierungsgebühren (Gebühren, die anfallen, wenn ein Provider einen Anruf in ein fremdes Netz durchstellt) massiv zu reduzieren, sollte für die Swisscom-Tochter positive Auswirkungen haben.

Die Firma wurde 1999 vom Unternehmer Silvio Scaglia und dem Financier Francesco Micheli, beide Italiener, gegründet.

2007 kaufte Swisscom für 4,6 Mio. Euro 82% der Aktien von Fastweb.

In den letzten Jahren ist Fastweb zum italienischen Marktführer im Bereich fiberoptische Kommunikation geworden, namentlich für Internet-Verbindungen und Festnetz-Telefonie. Sie bietet auch einen TV- sowie einen Mobiltelefonie-Dienst an.

Im Bereich Geschäftskunden ist sie die Nummer 2, im Bereich Breitband die Nummer 3 in Italien.

Doch die italienische Staatsanwaltschaft verdächtigt Fastweb, Teil einer hochkomplexen, internationalen Steuerbetrugsmasche mit Verbindungen zur Mafia zu sein. Scaglia wurde bereits überprüft.

Für diesen Fall hat Swisscom bereits 102 Mio. Franken zurückgestellt. Bereits 2010 hat die Affäre der Swisscom eine Reduktion des Gewinns um 7,1% eingebrockt.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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