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Erfinder setzen einen Fuss in die Geschäftswelt

Die Alu-Folie: Eine Schweizer Erfindung. imagepoint

Seit mehr als zehn Jahren profitieren Schweizer Jungunternehmer von einem Trainingsprogramm, das zum Ziel hat, ihnen den Weg in die Geschäftswelt zu erleichtern. Dank der Betreuung können sie den Markt schneller erreichen und kostenintensive Fehler vermeiden.

Das Geld oben rein werfen, auf einen Knopf drücken und schon kommt unten eine warme Tortilla raus: Die Innovation könnte nächstes Jahr in den Küchen stehen. – Carlo Ruiz ist ein 20-jähriger Jungunternehmer. Er nimmt in Boston an einem Unternehmens-Führungskurs in Boston teil. Ziel des Kurses ist das Knüpfen von Geschäftskontakten in den USA.

“Ich erwarte, dass ich mehr lerne über das Unternehmertum und über Partnerschaften an der Ostküste”, sagte Ruiz gegenüber swissinfo.ch. Er will ausserdem mit den “richtigen Leuten” Kontakte pflegen, den Markt testen und sich um Finanzierungsmöglichkeiten kümmern.

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“Schweizer Firmen tun sich schwer mit grossen Träumen”

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweiz gehört laut einer Studie des Zürcher Wirtschaftsforschungs-Instituts KOF im Industrie- und Dienstleistungssektor hinter Dänemark zu den führenden Nationen Europas. Die im April publizierten Resultate des KOF zeigen aber auch, dass die Innovationen in der Schweiz stagnieren, während andere Länder aufholen. Stéphane Garelli, Leiter der IMD Business School und Professor an der Universität Lausanne…

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Selbständigkeit als Option

Die Kurse in Amerika werden organisiert von “venturelab”, dem 2004 lancierten nationalen Trainingsprogramm für innovative Hightech-Startups. Das Programm ist im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Technologie und Innovation entstanden. “Die Leute müssen auch lernen, sich selber und ihre Innovationen zu verkaufen. Das auch dann, wenn die Produkte noch nicht fertig entwickelt sind und noch an die Bedürfnisse des Marktes angepasst werden müssen”, sagte Jordi Monserrat von “venturelab” gegenüber swissinfo.ch. “Wir helfen ihnen zu realisieren, dass die Selbständigkeit eine gute Karriere-Option sein kann.”

Potentielle Unternehmer müssten lernen, termingerecht zu arbeiten, Risiken zu nehmen und in einem grossen und internationalen Rahmen zu denken. “Die Schweiz hat lediglich acht Millionen Einwohner. Der Markt ist also beschränkt. Dennoch behalten die Unternehmen ihre starken Verbindungen mit der Schweiz, sei es aus persönlichen Gründen oder wegen ihren Verbindungen zur akademischen Welt”, so Monserrat.

Weniger als vorgesehen

Arnaud Bertrand, der Mitbegründer einer Ferienwohnungs-Plattform, ist einer der erfolgreichsten Jungunternehmer. Mit 60 Millionen Dollar im Rücken hat er von Lausanne aus nach London und Portugal expandiert. Für ihn ist klar: Dank einer Anschubfinanzierung von einer privaten Stiftung und dem Coaching konnte er seinen Businessplan besser Fokussieren, als wenn er auf sich allein gestellt gewesen wäre.

“Wir haben uns entschieden, weniger zu machen, als wir ursprünglich vorgesehen hatten. Das brachte den Erfolg”, sagte er. “Wenn wir alles zu machen versucht hätten, wäre das ein Fehler gewesen, weil wir die Ressourcen dafür nicht gehabt hätten.”

Dennoch sei das Coaching nicht durch reale Erfahrungen zu ersetzen, sagt Bertrand: “Es gibt Situationen, in denen es hilfreich wäre, zu wissen, wie man sie vermeiden kann. Auf der andern Seite ist ein Unternehmer ein Mensch, der nicht darauf hört, was andere zu sagen haben. Wenn er auf sie gehört hätte, wäre er nicht in seinem Business.”

Mix aus Geldern

Ein wichtiger Punkt bei Trainingsprogrammen ist auch die Finanzierung. “venturelab” setzt auf einen Mix von privaten und öffentlichen Geldern. Mit dem finanziellen Background der staatlichen Kommission für Technologie und Innovation organisiert “venturelab” zwei Arten von Kursen an Universitäten. Sie haben das Ziel, für das Unternehmertum zu sensibilisieren und den Studenten zu helfen, Geschäftsideen zu entwickeln.

Kürzlich sind die Geschäftsgründungskurse von “venturelab” abgetrennt und auf die Regionen verteilt worden. Als Folge davon haben die Unternehmensführungsprogramme grosse Teile ihrer finanziellen Mittel verloren. Private sind nun laut Monserrat in die Lücke gesprungen und haben so die Fortführung der Programme garantiert.

Langer Atem

Laut der privaten Gebert Rüf Stiftung ist es nötig, junge Unternehmen und Ideen zu unterstützen. “Es gibt eine Deckungslücke, die weder von den Steuerzahlern, noch durch private Investoren ausgeglichen wird”, sagte Pascale Vonmont, Vizedirektorin der Stiftung, gegenüber swissinfo.ch.

Die Stiftung startete im Jahr 2000 ihr New Entrepreneurs in Technology and Science (NETS) Programm und stellte es ein, nachdem “venturelab” das Programm übernommen hatte. Die Stiftung kümmert sich seither um eine Initiative, die zum Ziel hat, Unternehmer und Wissenschafter zusammenzubringen.

Ob Ausbildungen, Kurse und Coaching helfen werden, die neuen grossen Unternehmen von Morgen aufzubauen, bleibt eine offene Frage. “venturelab” nimmt für sich in Anspruch, Hunderten von Firmen geholfen zu haben, die kritische Masse zu erreichen, die nötig ist, um sich weiter zu entwickeln.

“Die grossen Schweizer Firmen wie Nestlé sind schon eine sehr lange Zeit auf dem Markt”, sagte Montserrat. “Nach ein paar Jahren lässt sich noch nicht sagen, ob eine Firma wirklich Erfolg haben wird.”

“Venture Leaders” ist eines der Programme, welche das in St. Gallen domizilierten IFJ Instituts für Jungunternehmer , jungen – etablierten oder potentiellen – Unternehmern in der Schweiz anbietet.

Mehr als 100 Startups bewerben sich jährlich um eine Teilnahme an diesem Programm. 40 von ihnen werden zu einer Präsentation vor einer Experten-Jury eingeladen, und die besten 20 schliessen sich dem Schweizer Startup-Nationalteam an.

Während einer 10-tägigen Business-Development-Reise nach Boston können die Auserwählten ihre Projekte  Investoren und Industrieexperten präsentieren.

In Boston begegnen sie auch vielen US-Startup-Gründern, mit denen sie ihre Erfahrungen austauschen können. Die von Sponsoren gedeckten Kosten belaufen sich auf rund 10’000 Franken pro Teilnehmer.

Seit September 2007 fördert Venture Kick Spin-off-Projekte an Schweizer Universitäten mit Startkapital, Know-how und Zugang zu Experten und Investoren. Evaluiert werden die Projekte von Mitglieder eines Jury-Pools.

Seit der Gründung wurden über 250 Startups mit insgesamt 9,4 Millionen Startkapital finanziert.

2012 bewarben wich 218 Projekte ums Venture-Kick-Programm, rund 20 pro Monat.

Fast die Hälfte der unterstützten Projekte wurden in den Eidgenössischen Technischen Hochschulen von Zürich und Lausanne geboren. Die übrigen verteilen sich auf rund 20 verschiedene Universitäten und Fachhochschulen.

Die Mittelbeschaffung wird von privaten Stiftungen und einer in Lausanne domizilierten Pharma-Gruppe sichergestellt.    

(Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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