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Emmentaler: Ende des Streits um eine Marke

Je nach Dauer und Art der Lagerung entwickelt jeder Käse seinen eigenen Geschmack und Geruch. Keystone

Überkapazitäten, Streit unter den Produzenten, Plagiate aus dem In- und Ausland und der Schatten der einstigen Planwirtschaft: Der Emmentaler-Käse hat schwierige Monate hinter sich. Nun haben sich die Produzenten auf einen Kompromiss geeinigt.

Das Markenzeichen des wohl berühmtesten Hartkäses der Welt ist auch seine Schwäche. Discounter und Grossverteiler im In- und Ausland verkaufen Grosslochkäse, der mit dem Emmentaler den Namen gemeinsam hat, in dem zuweilen sogar Emmentaler steckt, bei dem es sich jedoch nicht um Emmentaler handelt.

Die Erklärung: Rund 10% des in der Schweiz produzierten Emmentalers verkauften die Produzenten in den vergangenen Monaten als No-Name-Käse zu billigeren Preisen an den Handel im In- und Ausland. Im Regal steht der jedoch als Emmentaler, wenn auch zu Discount-Preisen. Dazu kommt die Konkurrenz der Plagiate aus dem Allgäu oder aus Frankreich.

Das alles führt zu einem Preisdruck auf all jene Produzenten, die den Emmentaler nach den strengen Regeln des Reinheitsgebots produzieren und ihn gemeinsam über die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland vermarkten. Zur Preissteuerung hat die Organisation im Frühjahr 2009 eine strenge Mengenregulierung eingeführt. Damit waren einige Produzenten nicht einverstanden. Sie traten aus dem Verband aus und verkauften ihren Käse zu Dumpingpreisen.

Nun hat sich die Delegiertenversammlung des Verbandes auf einen Kompromiss geeinigt: Die Abtrünnigen treten der Organisation wieder bei und verpflichten sich, sich bei der Produktion und der Menge von Emmentaler mit Ursprungsbezeichnung an die Regeln zu halten. Gleichzeitig steht es ihnen frei, mit der überschüssigen Milch einen billigeren Grosslochkäse, dessen Name noch gefunden werden muss, und sich durch Verpackung und Marketing klar von Emmentaler unterscheiden muss, zu produzieren.

Planwirtschaft

Damit hat ein Streit ein Ende gefunden, dessen Hintergrund mit der Geschichte des Schweizer Käsemarktes eng verbunden ist. Bis Ende der 1990er-Jahre nämlich standen die Schweizer Hartkäse-Produzenten und -Händler unter dem Schutz des Staates.

Die Schweizerische Käse-Union betrieb Planwirtschaft in Reinkultur. Das heisst, sie  kaufte die ganze Produktion vollumfänglich auf und war zuständig für Vertrieb und Marketing. Der Bundesrat setzte die Preise fest. Die Käsemenge, welche im Inland nicht verkauft werden konnte, wurde zu Spotpreisen ins Ausland verkauft. Das Defizit ging zulasten des Bundes.

Der Mitte der 1990er-Jahre in einer Volksabstimmung gutgeheissene neue Landwirtschaftsartikel (mehr Ökologie, Direktzahlungen statt Subventionen) und das entsprechende Ausführungsgesetz bedeutete das Ende der Käseunion.

Überkapazitäten als Preis für Absatzgarantie

Seither bewegt sich der Schweizer Hartkäse-Markt auf einem schmalen Grat zwischen freier Marktwirtschaft, hoher Regeldichte und preisstützenden Absprachen.

Die Branche leidet auch mehr als zehn Jahre seit dem Ende der Planwirtschaft immer noch unter Überkapazitäten. Das heisst: Es wird mehr Hartkäse produziert als der Markt verkraften kann. Das gilt insbesondere für den Emmentaler, der in den vergangenen Jahren einen Umsatzeinbruch erlitten hat, während der Absatz des Greyerzers kontinuierlich gestiegen ist.

Die Überkapazitäten sind eine Folge der Absatzgarantie aus den Zeiten der Käseunion. Zahlreiche Dorfkäsereien konnten damals dank Subventionen ihre Produktionsanlagen erneuern und ausbauen. Der seither zu beobachtende Konzentrationsprozess bei den Käsereien hat zu zwar weniger, aber zu grösseren Betrieben geführt, die nun ihre Produktionsanlagen auslasten wollen. Gleichzeitig hat die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren den Bestand an Kuhherden ausgebaut und die Milchproduktion erhöht.

Zerreisprobe abgewendet

Die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland, also der offizielle Verband der Produzenten, versucht seit Jahren die Menge des produzierten Käses einzuschränken und damit den Preiszerfall aufzuhalten.

Die im Mai 2009 eingeführte Mengenbeschränkung stellte den Verband vor eine Zerreissprobe. Etlichen Käsereien ging die planwirtschaftliche Massnahme zu weit. Sie sahen ihren wirtschaftlichen Erfolg in Gefahr, traten im Frühjahr 2010 aus dem Verband aus und ignorierten die Mengenbeschränkung. Nun wollen sie dem Verband wieder beitreten.

In der Schweiz werden pro Jahr rund 160’000 Tonnen Käse hergestellt.

Ein Grossteil davon stammt aus den rund 1000 Dorfkäsereien.

Rund 50% des Schweizer Käses werden exportiert. Hauptexportländer sind Italien, Frankreich und Deutschland.

Zweidrittel der Schweizer Käse werden aus Rohmilch hergestellt. Die restliche Milch wird vor Käseherstellung pasteurisiert.

Der grössten Anteil an der Schweizer Käseproduktion entfällt auf die Hartkäse Greyerzer, Emmentaler und Sbrinz.

2009 wurde zum ersten Mal mehr Greyerzer (28’750 Tonnen) als Emmentaler (26850 Tonnen) produziert.

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