Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Söldnerfirmen – ein lukrativer Nischenmarkt

Söldner der Firma Blackwater im Irak-Einsatz. AFP

Die europäischen Staaten fahren die Militärbudgets hinunter und engagieren gleichzeitig private Söldnerfirmen für militärische Aufgaben. Die vorwiegend amerikanischen Firmen lassen sich fürstlich bezahlen, sagt der Militärspezialist Alexandre Vautravers.

Seit den 1990er-Jahren lagern europäische Armeen und die US-Armee gewisse Aufgaben auf Privatfirmen aus. Alexandre Vautravers ist Direktor des Departements für internationale Beziehungen an der Universität Genf und Chefredaktor der Schweizerischen Militärrevue. Im swissinfo.ch-Interview sagt er, wieso das so ist.

Mehr

Mehr

Schweiz will Sicherheitsfirmen an die Kette legen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht “Der vorliegende Gesetzesentwurf hat nicht nur eine innerstaatliche Bedeutung. Mit ihm leistet die Schweiz auch ein Stück Pionierarbeit auf der internationalen Ebene”, sagte die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga, als sie vor kurzem  die Botschaft zum Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) vorstellte. Marco Sassoli, Professor für internationales Recht an der Universität Genf,…

Mehr Schweiz will Sicherheitsfirmen an die Kette legen

swissinfo.ch: Wie erklären Sie sich die Zunahme der privaten Militärfirmen?

Alexandre Vautravers: Die Firmen arbeiten ausschliesslich in Nischenmärkten. Sie übernehmen Aufgaben, welche die Armeen nicht mehr wahrnehmen wollen oder können. Soldaten über Jahre zu bezahlen ist in den Augen der Verteidigungsverantwortlichen nicht rentabel. Deshalb lagern sie Aufgaben wie die Versorgung und die Logistik aus.

Während des Irak-Krieges etwa hat die US-Armee lukrative Verträge mit Firmen abgeschlossen und ihnen Aufgaben im Bereich der Hygiene, der Wäscheraufbereitung und des Putzdienstes übertragen.

Dies Firmen erhalten auch Aufträge im Bereich des Personen- oder des Gebäudeschutzes, jedenfalls dann, wenn sich der Einsatz von geschulten und hoch ausgerüsteten Berufsmilitärs nicht lohnen würde.

Schliesslich stopfen diese Firmen dort Löcher wo qualifiziertes Personal fehlt. Das ist beispielsweise bei Helikopterpiloten der Fall. Die Armeen bilden zwar zahlreiche Piloten aus, doch die meisten bleiben nicht lange, denn sie Saläre in der Privatwirtschaft sind lukrativer.

Söldnerfirmen sollen in der Schweiz verboten werden. Der Bundesrat hat im Januar 2013 die Botschaft zu einem entsprechenden Gesetz verabschiedet und ans Parlament geleitet.

Das Gesetz verbietet in der Schweiz ansässigen Sicherheitsunternehmen, unmittelbar an Feindseligkeiten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland teilzunehmen. Die Firmen sollen für solche Zwecke weder Personal rekrutieren noch ausbilden oder vermitteln dürfen.

Gemäss dem Gesetzesentwurf dürfen die Sicherheitsunternehmen auch keine Tätigkeiten ausüben, die schwere Menschenrechts-Verletzungen begünstigen. So ist ihnen beispielsweise untersagt, in einem Staat ein Gefängnis zu betreiben, in dem bekanntermassen gefoltert wird. Das Gesetz erfasst auch Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die im Ausland tätige Unternehmen kontrollieren.

Jedes Unternehmen, das im Ausland Sicherheitsdienstleistungen erbringen will, soll dies vorgängig der zuständigen Behörde melden müssen. Innerhalb von 14 Tagen würde die Behörde dem Unternehmen dann mitteilen, ob sie ein Prüfverfahren einleitet, weil die geplante Tätigkeit gesetzeswidrig sein könnte.

Die Forderungen nach einer Regulierung wurden lauter, nachdem die britische Aegis Group 2010 ihren Holding-Sitz nach Basel verlegt hatte. Aegis kontrolliert eine der weltweit grössten Sicherheitsfirmen, die in Krisen- und Konfliktgebieten tätig ist.

swissinfo.ch : Ist die Auslagerung an Privatfirmen billiger?

AV : Nein. Sie verkaufen ihre Dienste teuer. Wie Joseph Stieglitz in einem Buch aufgezeigt hat, kosten ihre Leistungen zwei bis vier Mal so viel wie vergleichbare Leistungen einer Armee. In spezifischen Fällen kosten sie sogar bis zu zehn Mal mehr.

Auf der andern Seite ist es so, dass die Verträge mit den Privatfirmen vielfach von sehr kurzer Dauer sind. Professionelle Armeen schliessen mit ihren Soldaten hingegen Verträge über drei bis fünf Jahre ab.

Dazu kommt der politische Druck, die Bestände und Kosten zu reduzieren. Bei den europäischen Profi-Armeen gegen zwischen 60 und 70% des Verteidigungsbudgets auf Kosten der Löhne.

swissinfo.ch: Werden Kriege zusehends privatisiert?

A.V.: In einer gewissen Weise kann man das so sagen. Aber die Privatisierung wird von den Armeen nicht zwangsläufig angestrebt. Sie ist eine Folge der geschrumpften Armeebudgets. Ein Beispiel: Seit 2010 wurde das Verteidigungsbudget Grossbritanniens erheblich gekürzt. Seither werden die Nachschubflüge zu einem Teil von privaten Firmen durchgeführt.

Dasselbe gilt für die elektronische Kriegsführung. Es sind private Firmen, welche in diesem Bereich die britische Armee trainieren und es ihr erlauben, im Cyber-Krieg Fuss zu fassen.

Selbst die Rettung auf den Meeren, die bisher von den Helikoptern der Royal Air Force wahrgenommen wurde, wird in Zukunft an vier private Firmen übertragen werden.

swissinfo.ch: Wie sieht es in den USA aus?

AV: Der amerikanische Markt unterscheidet sich stark vom europäischen. Die USA haben ihr Verteidigungsbudget zwischen 1997 und 2007 verdoppelt. Die Bush-Administration hat im Irak- und im Afghanistan-Krieg massiv private Firmen eingesetzt, um den Graben zwischen ihren Zielen und den Realitäten im Feld zuzuschütten.

Die Obama-Administration hat mehrmals versucht, diese Tendenz umzukehren. Ab 2010 hat die Administration sehr starken Druck gemacht, um die Zahl der privaten Söldner vor allem in Afghanistan zu verringern.

Das hat vor allem auch der afghanischen Regierung nicht gefallen. Sie hat dann von sich aus Privatfirmen engagiert, namentlich für den Personenschutz ihres Präsidenten Karzaï. Das war zu einer Zeit, in der man versucht hat, eine afghanische Armee und eine Polizei neu aufzubauen.

Es gibt also eine ganze Bandbreite militärischer Aktivitäten, die ausgelagert werden. Die meisten privaten Söldnerfirmen sind in den USA domiziliert. Viele ehemalige amerikanische Militärs haben ihre eigene Firma gegründet.

Viele Firmen, die ihren Sitz in Afrika oder in den Golfstaaten haben sind – ob versteckt oder offiziell – in amerikanischen Händen.

(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft