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Schweizer Militärbeobachter im Nahen Osten

A Swiss military observer keeps watch over the Golan Heights in Israel
Ein Schweizer Militärbeobachter überwacht die Golanhöhen in Israel. swissinfo.ch

Die Gewalt in Israel hat in letzter Zeit zugenommen, was die Arbeit der dort stationierten UNO-Friedenstruppen – darunter auch Schweizer – gefährlicher und schwieriger macht.

Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle bei der Friedenssicherung in der Region. Sie hilft bei der Beurteilung der Sicherheitslage mit. Anlässlich des Internationalen Tags der UNO-Friedenstruppen am heutigen 29. Mai reiste SWI swissinfo.ch nach Israel, um die Arbeit der Schweizer Militärbeobachter:innen unter die Lupe zu nehmen.

Die internationale Friedensförderung ist eine prioritäre Aufgabe der Schweizer Armee und im Militärgesetz verankert. Seit 1990 entsendet die Schweiz unbewaffnete Militärbeobachter:innen und Verbindungsoffizier:innen in UNO-Friedensmissionen auf der ganzen Welt.

Karte von Einsatzgebiet Friedenstruppen

Vierzehn Schweizer Offiziere im Rang eines Hauptmanns oder höher gehören der UNO-Organisation zur Überwachung des Waffenstillstands im Nahen Osten (UNTSO) an. Es gibt sie seit 75 Jahren und ist die älteste UNO-Friedensmission.

Ihre 153 Militärbeobachter:innen sind in Israel, im Libanon, in Ägypten, Syrien und Jordanien stationiert und arbeiten im Rahmen eines sogenannten UNO-Mandats nach Kapitel 6 mit dem Einverständnis der Konfliktparteien. SWI Swissinfo.ch hat die vier Schweizer UNTSO-Militärbeobachter, darunter den Missionschef, in ihrem Hauptquartier in Jerusalem und auf den von Israel besetzten Golanhöhen getroffen.

Die UNTSO wurde nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 gegründet, als die UNO einen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien verkündeten. Militärbeobachter:innen wurden entsandt, um die Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen Israel und seinen Nachbarn zu überwachen. Nach dem Jom-Kippur-Krieg wurde 1974 zwischen Israel und Syrien ein neues Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet.

Es legte eine entmilitarisierte Zone fest, um die Streitkräfte der beiden Parteien voneinander zu trennen. Zudem begrenzte das Abkommen die Anzahl der Streitkräfte, die jede Seite in einem Umkreis von 25 Kilometern um die Zone aufstellen durfte. Die Art der Waffen, die in dieser Zone eingesetzt werden dürfen, ist ebenfalls beschränkt.

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Militärbeobachter:innen der UNTSO sind auf den Golanhöhen stationiert, um Verstösse gegen das Rückzugsabkommen zu überwachen. Der Schweizer Major Livio Räber, Teamleiter der Beobachtergruppe Golan-Tiberias, berichtet, dass dies fast täglich geschieht.

Gefährliche Aufgabe

Militärbeobachter:innen laufen Gefahr, zwischen die Fronten in der Region zu geraten. Im April wurden Raketen aus Syrien und dem Libanon auf Israel abgefeuert. Eine davon landete auf einem Feld auf den Golanhöhen. Es gab keine Verletzten, aber für die Militärbeobachter:innen, die das Gebiet überwachen, war sie zu nahe.

Zu den weiteren Gefahren, denen Militärbeobachter:innen ausgesetzt sind, gehören Landminen (das Gebiet ist mit Blindgängern übersät), das Fahrverhalten der Einheimischen und Stiche von Skorpionen. 18 Militärbeobachter:innen der UNTSO sind in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen.

Schweiz übernimmt Verantwortung in Nahost

Die UNTSO behauptet für sich, dass ihre Unterstützung bei der Herstellung und Aufrechterhaltung des Waffenstillstands für die Region von entscheidender Bedeutung gewesen sei. Sie habe auch dazu beigetragen, Vertrauen zwischen den Parteien aufzubauen und eine günstige Atmosphäre für Friedensgespräche zu schaffen. Im Dezember 2021 übernahm der Schweizer Generalmajor Patrick Gauchat die Leitung der Mission. Es war das erste Mal, dass ein Schweizer Offizier das Kommando über eine UNO-Friedensmission erhielt.

Vor der Übernahme des Kommandos der UNTSO leitete Gauchat die Schweizer Delegation zur Beobachtung der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea. Er war insgesamt über zwei Jahrzehnte in der Friedenssicherung im ehemaligen Jugoslawien, im Nahen Osten und in Asien tätig. Zudem war er am UNO-Hauptsitz in New York stationiert.

Schweizer Neutralität hilft

Für Patrick Gauchat hat der UNO-Beitritt der Schweiz 2002 neue Möglichkeiten eröffnet: “Wir können unsere Ideen in der UNO besser vertreten, vor allem jetzt, wenn wir im Sicherheitsrat sitzen Im Nahen Osten ist die Neutralität der Schweiz intakt.”

Als er seine Arbeit aufgenommen habe, hätten die israelischen und syrischen Behörden auf der Neutralität der UNTSO-Mission bestanden. “Ich konnte sagen: ‘Ich bin von Geburt an neutral.'” So habe er sie überzeugen können, dass er als Leiter der Mission diese Neutralität auch in der Berichterstattung der Militärbeobachter:innen wahren würde.

Als neutrales Land mit einer langen föderalistischen Tradition bietet die Schweiz Konfliktparteien regelmässig ihre Guten Dienste an. Gauchat kann dies in seiner Zeit als Missionschef im Nahen Osten tun.

Israel und der Libanon kommunizieren im Rahmen von Dreiparteiengesprächen mit der Interimstruppe der UNO im Libanon (UNIFIL). Weil Israel und Syrien nicht über eine solche Plattform verfügen, übermittelt Gauchat Nachrichten zwischen den Aussenministern der beiden Parteien und den beiden Generälen, die für die Einhaltung des Rückzugsabkommens verantwortlich sind, das beide Seiten am Ende des letzten Krieges unterzeichnet haben. Auf diese Weise trägt Gauchat dazu bei, die Spannungen in einer instabilen Region abzubauen.

Roman Gagua, Swiss officer, trainer for military observers
Der Schweizer Offizier Roman Gagua trainiert Militärbeobachter:innen, auf welche Waffen sie achten müssen. swissinfo.ch

Beim Besuch des Hauptquartiers der Golan-Beobachtergruppe in Tiberias, wo sich die Militärbeobachter:innen auf ihren Einsatz in der entmilitarisierten Zone vorbereiten, erklärt der Schweizer Major Roman Gagua den Beobachter:innen gerade, auf welche Art von Panzern, Kampfflugzeugen und Artillerie sie auf den Golanhöhen achten müssen.

Dort halten die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) regelmässig Übungen ab und auf der anderen Seite sind syrische Truppen stationiert.

Gagua diente zuvor als Militärbeobachter auf den Golanhöhen und als Stabsoffizier der EUFOR (European Union Force) in Bosnien-Herzegowina und später der UNMISS (UNO-Mission im Südsudan). Seinen Militärdienst leistete er in der Schweizer Armee als Zugführer der Infanterie und ist heute Sprachspezialist.

Nach dem Treffen mit Gagua in Tiberias am See Genezareth geht es weiter auf die Golanhöhen, wo Major Räber, gerade im Dienst ist.

Die Golanhöhen sind ein Höhenzug entlang der Nordgrenze Israels zu Syrien. Israel hat sie 1967 im Krieg mit Syrien erobert und später annektiert. Hier erzählt Räber, wie es ist, in dieser einsamen, hochgelegenen und feindlichen Umgebung zu arbeiten und zu leben.

Hoffnung auf Frieden

Lt.Col Alex Neukomm, UNTSO s chief liaison officer to Ammman and Tel Aviv.
Oberstleutnant Alex Neukomm, Hauptverbindungsoffizier des UNTSO in Amman und Tel Aviv. swissinfo.ch

SWI wurde von Oberstleutnant Alex Neukomm, Verbindungsoffizier der UNTSO in der jordanischen Hauptstadt Amman und in Tel Aviv begleitet. Der Verbindungsbeamte verfolgt auch die Medienberichterstattung.

Trotz der jüngsten Zunahme der Gewalt in der Region ist Neukomm optimistisch, dass es dauerhaft Frieden geben kann. “Als die Mission gegründet wurde, gab es vier Waffenstillstandslinien. Inzwischen haben Jordanien (1994) und Ägypten (1979) Friedensverträge mit Israel, und Israel ein Abkommen mit dem Libanon über die Abgrenzung der Seegebiete unterzeichnet”, sagt er. Das Abkommen vom Herbst 2022 war das erste Mal, dass Israel und der Libanon ein Abkommen unterzeichnet hätten. “Ich hoffe, dass dies der erste Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern ist.”

Dieses Jahr feiert die Schweiz 70 Jahre Friedenssicherung. Im Jahr 1953 erklärte sich die Schweizer Regierung bereit, Soldaten zur Überwachung des Waffenstillstandsabkommens zwischen Nord- und Südkorea nach dem Koreakrieg (1950-53) zu entsenden. Dies war der Beginn der militärischen Friedensförderung durch die Schweiz und der Startschuss für das längste militärische Auslandengagement der Schweiz, abgesehen von der Schweizergarde im Vatikan.

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