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Inlandproduktion bleibt trotz Auslagerung zentral

Yves Serra: "Wir stellen etwa 80 Prozent unserer Produkte im Ausland her und somit 20 Prozent in der Schweiz." Keystone

Für Yves Serra, Konzernleiter des Schweizer Industriegiganten Georg Fischer, bleibt die Präsenz in der Schweiz entscheidend für die Zukunft des Konzerns –trotz der Auslagerung eines Grossteils der Produktion in Schwellenländer.

Angesichts der Wirtschaftskrise in Europa und einer Verschiebung der Nachfrage nach seinen Produkten in Schwellenländer hatte der Konzern 2009 entschieden, den Grossteil seiner Werkzeugmaschinen in China herzustellen.

Gleichzeitig wurden in Schaffhausen eine Fabrik geschlossen und eine Fabrik in Meyrin verkauft. Hunderte von Stellen gingen verloren. Georg Fischer expandierte dafür seine Präsenz in China, Indien und den USA.

Yves Serra argumentiert, die Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung in der Schweiz, zusammen mit der Automatisierung von Produktionslinien, habe das Bekenntnis von Georg Fischer zum Land bekräftigt.

swissinfo.ch: Ist ein Industrie-Abbau unausweichlich, wenn man die Wechselkurse, die wirtschaftliche Schwäche und das Wachstum von Märkten anderswo beobachtet?

Yves Serra: Nein, das ist es nicht. Natürlich müssen wir dort produzieren, wo unsere Kunden sind. Und das tun wir immer häufiger. Doch die Kernkompetenzen unseres Unternehmens werden in der Schweiz bleiben.

Wir wollen an unserem Image eines Herstellers von Qualitätsprodukten festhalten, und ein Grossteil unseres guten Rufs hat mit der Präsenz in der Schweiz zu tun.

Die Schweiz bietet die passende Infrastruktur, was ein hohes Bildungsniveau, qualifizierte Facharbeiter und flexible Erwerbstätige betrifft. Der Werkplatz Schweiz bietet damit ein Umfeld, das der Innovation und Produktion von Produkten von höchster Qualität förderlich ist.

swissinfo.ch: Trotzdem hat Georg Fischer in den letzten Jahren Produktionsstandorte in der Schweiz geschlossen und neue in Indien und China aufgebaut.

Y.S.: Anpassungen müssen möglich sein und sind manchmal nötig, damit wir uns den Veränderungen der Märkte anpassen können. 2009 mussten wir GF AgieCharmilles geografisch verschieben, weil sich in den letzten zehn Jahren 50 Prozent des Weltmarkts für Werkzeugmaschinen in China konzentriert haben.

In der Schweiz bleiben Forschung und Entwicklung, die Herstellung von wichtigen Komponenten für unsere asiatischen Fabriken und die Produktion von High-End-Maschinen für Europa und andere Weltgegenden.

swissinfo.ch: Können Sie prozentual beziffern, welcher Anteil der Produktion von Georg Fischer noch in der Schweiz hergestellt wird.

Y.S.: Wir stellen etwa 80 Prozent unserer Produkte im Ausland her und somit 20 Prozent in der Schweiz. Vor zehn Jahren lag der Anteil der Produktion in der Schweiz bei etwa 25 Prozent.

Weil wir in Märkten mit grösserem Wachstum wie den USA und Asien Fabriken kaufen oder neu aufstellen, werden wir in Zukunft vermutlich noch etwas mehr im Ausland produzieren. Was aber nicht bedeutet, dass wir in der Schweiz weniger herstellen werden.

swissinfo.ch: Welchen Einfluss hat der starke Franken auf Ihre Produktionsstrategie?

Y.S.: Der Schweizer Franken war sehr stark während der letzten 50 Jahre, das ist kein neues Phänomen.

Die starke Landeswährung zwingt alle Schweizer Unternehmen, besonders jene, die in der Schweiz herstellen und im Ausland verkaufen wollen, zu viel Effizienz und Innovation – und das ist nicht schlecht. Es zwingt uns, jedes Produkt genau zu betrachten und zu hinterfragen, ob wir es in der Schweiz oder im Ausland produzieren sollen.

Wir stellen Produkte im Ausland her, weil sich unsere Kunden wünschen, dass wir nahe bei ihnen produzieren. In der Schweiz stellen wir jene Produkte her, die ein hohes Mass an Qualität erfordern und deren Herstellung automatisiert werden kann.

swissinfo.ch: Wie können Sie die teurere Produktion in der Schweiz Ihren Aktionären rechtfertigen?

Y.S.: Man darf nicht allein die Lohnkosten anschauen, sondern die Gesamtkosten. Wen man Produktionsabläufe automatisieren kann, werden die Lohnkosten zu einem geringeren Faktor.

Die Schweiz gibt uns auch ein Image von Qualität, Zuverlässigkeit und Stabilität. Das ist ein wichtiger Faktor für das Unternehmen, nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für die Kunden. Mit einem guten Ruf als zuverlässiges Qualitätsunternehmen kann man mehr Marktanteile gewinnen.

Das 1802 gegründete Unternehmen beschäftigt heute 14’000 Personen in 30 Ländern.

Die Industriebetriebe sind in drei Geschäftsfelder unterteilt: Piping Systems (Rohrleitungen), Automotive (Automobiltechnik) und AgieCharmilles (Werkzeug- und Giessform-Herstellung).

2011 erwirtschaftete der Konzern einen Nettogewinn von 168 Mio. Fr, bei einem Umsatz von 3,64 Mrd. Fr.

Georg Fischer war stark von der Wirtschaftsflaute betroffen, die der Finanzkrise von 2008 folgte: Die Verkäufe gingen 2009 um 35% auf 2,9 Mrd. Fr. zurück, was zu einem Nettoverlust von 238 Mio. Fr. führte.

Daher sah sich der Konzern gezwungen, ein breit angelegtes Restrukturierungsprogramm durchzuführen. Dazu gehörte auch die Straffung der Produktion bei AgieCharmilles. Diese führte zum Abbau von 281 Stellen, zur Schliessung der Fabrik in Meyrin, Kanton Genf, und zur Konzentration der Schweizer Produktion im Kanton Tessin.

Gleichzeitig wurde die Produktion in Indien und China ausgebaut. Letztes Jahr baute der Konzern im chinesischen Changzhou eine 11 Mio. Fr. teure Fabrik für Werkzeugmaschinen.

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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