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Die Uhrenmesse in Genf ist der neue Standard – mit prominenten Abwesenden

Besucher:innen in einer Messehalle
Die Messe "Watches and Wonders" präsentiert ihre Prunkstücke in den Palexpo-Hallen in Genf. Wwgf/keystone/cyril Zingaro

Vor dem Hintergrund eines historischen Wachstums der Branche findet diese Woche in Genf die grösste Uhrenmesse der Welt statt. Nach dem Verschwinden der Baselworld ist die Watches and Wonders der neue Pflichttermin für die globalisierte Uhrenbranche. Aber nicht alle Hersteller ziehen mit.

Noch bis zum 2. April stellen fast fünfzig Uhrenfirmen ihre Neuheiten auf der “Watches and WondersExterner Link” vor. Die Messe vereint die grossen, symbolträchtigen Marken der Branche wie Rolex, Patek Philippe, Cartier und TAG Heuer und zieht Journalist:innen aus der ganzen Welt an.

Zum ersten Mal sind die Messe und ihre prunkvollen Stände auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich, und zwar am 1. und 2. April. Da Tausende von Besucher:innen dafür nach Genf reisen, präsentieren sich kleinere Uhrenfirmen mit bescheideneren Mitteln auf einer anderen Messe, der Time to WatchesExterner Link, und in den Hotels der Stadt am Genfer See.

Serge Maillard, Herausgeber der Fachzeitschrift Europa StarExterner Link, ist überzeugt, dass sich Genf als neues Kompetenzzentrum dieses für den Erfolg der Branche so wichtigen, verbindenden Anlasses etablieren wird.

Portrait
Serge Maillard ist ein scharfer Beobachter der Uhrenwelt. DR

swissinfo.ch: Nach den finanziellen Problemen, die zum Verschwinden der Baselworld geführt haben, wird Watches and Wonders als die neue führende Uhrenmesse im Frühjahr gefeiert. Ist das eine gute Nachricht für die Schweizer Uhrenindustrie?

Serge Maillard: Ja, zweifellos. Die Uhrenindustrie kann nicht auf eine grosse jährliche Zusammenkunft verzichten, die Fachleute, Journalistinnen, aber auch Uhrenfans und -sammlerinnen zusammenbringt. Eine solche Messe stellt einen Kristallisationspunkt für diese Community dar, die auf der ganzen Welt vertreten ist.

Die Messe Watches and Wonders ist nun der Ort, an dem man im Frühjahr präsent sein muss, wenn man irgendeine Verbindung zu dieser Gemeinschaft hat.

Schon seit langem stritten sich Genf und Basel um die Führung bei der Organisation der weltweit grössten Uhrenmesse. Mit dem Verschwinden der Baselworld ist Genf nun der einzige Ankerpunkt auf der Landkarte.

Genf ist ein Zentrum der Uhrenindustrie, was Basel nicht war. Sehen Sie darin einen Vorteil für die Organisation einer solchen Messe?

Es ist in der Tat ein unbestreitbarer Vorteil für die Genfer Marken, dass sie zu Hause auftreten können. Das ist aus logistisch viel einfacher zu handhaben. Diese Marken – wie Rolex oder Patek Philippe – nutzen die Gelegenheit auch, um Einzelhändlern und Journalistinnen, die aus dem Ausland anreisen, ihre Manufakturen zu zeigen. Hätte man sich beispielsweise eine neue Uhrenmesse in Zürich ausgedacht, das nun wirklich kein Heimatort der Uhrmacherei ist, hätte das nicht die gleiche Wirkung gehabt.

Aber brauchen wir in unserer hypervernetzten Welt überhaupt noch eine solche Messe?

Noch vor einigen Jahren hörte man viele Stimmen, die den Nutzen solcher Veranstaltungen in Frage stellten. Heute ist das überhaupt nicht mehr der Fall. Das Modell der markenübergreifenden Uhrenmesse hat die sozialen Netzwerke und die Covid-Krise nicht nur überlebt, sondern ist sogar gestärkt daraus hervorgegangen.

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Ich ziehe da gerne eine Parallele zur Fussballweltmeisterschaft. Es handelt sich um ein weltweites Ereignis, das dem Sport punktuell eine grosse Sichtbarkeit verleiht und seine wichtigsten Akteure zusammenführt. Dasselbe gilt für die Uhrenindustrie: In einer zunehmend digitalen Welt ist es unerlässlich, den Gemeinschaftssinn zu stärken und die wichtigsten Akteurinnen und Akteure der Branche unter einem Dach zu vereinen.

Watches and Wonders ist eine Netzwerk- und Kommunikationsveranstaltung. Die Tatsache, dass die Messe ein greifbares Objekt, die Uhr, in den Mittelpunkt stellt, das man sehen und wenn möglich berühren möchte, verleiht ihr eine zusätzliche Legitimität.

Die Baselworld war wegen überhöhter Standmieten und überhöhter Hotelpreise verschrien. Diese beiden Faktoren trugen zum Verlust der Messe bei. Ist das in Genf wirklich anders?

Diese Art von Problemen findet man am Rande aller grossen Weltmessen. Sie müssen eingedämmt werden, bevor sie unkontrollierbar werden. Genf ist es jedoch gewohnt, grosse Konferenzen zu veranstalten. Die Stadt verfügt über die dafür nötige Infrastruktur. Und für Genfer Marken, die sich zu Hause bewegen, ist es natürlich einfacher, da sie ihre Mitarbeitenden nicht teuer in den örtlichen Hotels unterbringen müssen.

Die Veranstaltung ist vor allem der Haute Horlogerie gewidmet und bleibt vielen Marken verschlossen, die ihre Messen anderswo abhalten. Wäre eine Erweiterung in Zukunft denkbar?

Mehrere kleine Marken im unteren und mittleren Preissegment haben sich der Messe angeschlossen, was ein positives Signal ist. Parallel dazu finden weitere Veranstaltungen statt, die immer mehr Akteurinnen und Akteure der Branche anziehen. Die Veranstaltung wird in den nächsten Jahren weiter wachsen.

Immer mehr Marken, auch solche, die nicht auf der Messe vertreten sind, werden die Einführung ihrer neuen Modelle auf die Termine der Veranstaltung abstimmen, die zum neuen Fixpunkt im Uhrenkalender wird.

Wie steht es um die Swatch Group, den grössten Uhrenkonzern der Welt mit 17 Marken, der nicht an der Messe teilnimmt?

Im Moment steht nicht zur Debatte, dass sich die Swatch Group in die Messe integriert. Der Konzern aus Biel verfügt über eine Infrastruktur, die es ihm ermöglicht, darauf zu verzichten, indem er beispielsweise regionale Veranstaltungen organisiert.

Audemars Piguet und Richard Mille, zwei wichtige Akteure, die in der Luxusuhrmacherei tätig sind, haben ebenfalls andere Strategien, um ihre Neuheiten zu kommunizieren, und sind nicht in Genf präsent. Langfristig würde es jedoch Sinn machen, wenn alle grossen Marken anlässlich einer Veranstaltung zusammenkommen würden.

Diese Art von Messe ist eine gute Gelegenheit, um die aktuellen Trends zu skizzieren. Welche sind das?

Die Schweizer Uhrenindustrie erlebt ein wahrhaft goldenes Zeitalter. Das im letzten Jahr beobachtete beispiellose Exportwachstum setzt sich fort, auch wenn die aktuellen Bankenturbulenzen Anlass zur Sorge geben. Da man ein erfolgreiches Modell in der Regel nicht ändert, ist eher eine Konsolidierung als ein Epochenwechsel zu beobachten. Jede Marke konzentriert sich auf ihre DNA und ihre erfolgreichen Modelle. Sportlich-schicke Metalluhren mit integriertem Armband sowie Chronographen bleiben an der Spitze der grossen Trends der Zeit.

Die Reportage von 19h30 des westschweizer Fernsehens RTS von der Watches and Wonders (in Französisch):

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Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger

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