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“Bitterer Sieg” für “Whistleblower” Rudolf Elmer

Die Karibik lässt grüssen: Rudolf Elmer stellt sich den Fragen der Presse. Keystone

Keine lange Haftstrafe wegen Verletzung des Bankgeheimnisses für den ehemaligen Banker Rudolf Elmer. Das Zürcher Obergericht verurteilte den Wikileaks-Zulieferer lediglich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten wegen Urkundenfälschung und Drohung. Schweizer Zeitungen sprechen von einem "bitteren Sieg" für den Ex-Julius-Bär-Banker.

“War das ganze Spektakel umsonst?”, fragt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). “Die Pressekonferenz von Rudolf Elmer mit Wikileaks-Gründer Julian Assange in London, der Dokumentarfilm, das Buch (‘Ein wahrer Krimi’), die Auftritte, all die Interviews – von der jahrelangen Strafuntersuchung und dem ewigen Prozessieren nicht zu reden?”

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Das Urteil des Zürcher Obergerichts erscheine auf den ersten Blick “wie eine Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft und für die erste Gerichtsinstanz, die ja noch weitgehend Schuldsprüche verhängt hatte”. Zum Schluss sei es lediglich zu Schuldsprüchen “auf Nebenschauplätzen” gekommen, die “kaum von weltweitem Interesse sein dürften”.

Das Urteil gegen Rudolf Elmer

Das Zürcher Obergericht verurteilte Elmer nicht etwa wegen seines langjährigen und medienwirksamen Einsatzes gegen Steueroasen, sondern lediglich wegen seiner Rache an seinem früheren Arbeitgeber, der Bank Julius Bär. Diese hatte ihn 2002 entlassen, worauf er sich gemäss Gericht mit Droh-Mails und gefälschten Briefen rächte.

Wegen Urkundenfälschung und Drohung wird Elmer zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt, bei einer Probezeit von drei Jahren. 220 Tage sass er bereits in Untersuchungshaft.

Keinen Schuldspruch gab es hingegen wegen des Hauptvorwurfs, der Verletzung des Bankgeheimnisses. Die Staatsanwaltschaft warf Elmer vor, verschiedenen Steuerämtern, Medien und der Enthüllungsplattform Wikileaks Bankdaten zugespielt zu haben. Sie forderte deshalb eine Freiheitsstrafe wegen Verletzung des Bankgeheimnisses.

Das Gericht gelangte aber zum Schluss, dass Elmer zur fraglichen Zeit gar nicht bei der Bank Julius Bär mit Sitz in Zürich angestellt war, sondern bei einem selbständigen Ableger auf den Cayman Islands. Er habe das Schweizer Bankgeheimnis somit gar nicht verletzen können.

(Quelle: SDA)

Bei diesem vielbeachteten Strafprozess sei aber bedauerlich, dass das Gericht keine Antwort auf die Frage gegeben habe, “ob eine derartige Weitergabe von vertraulichen Bankkundendaten nun Whistleblowing darstellt und ob solche Handlungen eine harte Bestrafung oder aber Schutz verdienen”. “Eigentlich fand gar kein Whistleblower-Prozess statt, denn über das Whistleblowing wurde kaum geredet.”

Kein Happy End

Das Fazit, das die NZZ aus diesem Prozess zieht: Auch Elmer könne sich nicht über diesen Sieg freuen, weil er der Verletzung vertraglicher Pflichten schuldig gesprochen worden sei und deshalb den grössten Teil der Kosten übernehmen müsse.

“Und vor allem muss er sich vom Gericht vorwerfen lassen, kein Whistleblower zu sein, weil er nicht dazu stehe. Tatsächlich gibt Elmer nur gegenüber Medien oder Filmschaffenden über seine Whistleblower-Tätigkeiten Auskunft und begründet diese ausführlich”, so der Kommentar.

Das Urteil zeige auch, dass sich potenzielle Whistleblower “nicht in Sicherheit wiegen” können, “auch wenn sie dem Schweizer Bankgeheimnis nicht unterstehen. Sie entnehmen dem Urteil, dass ein solcher Vertrauensbruch Zivilrecht verletzen kann, also Unrecht darstellt, trotz strafrechtlichen Freisprüchen – und das geht ins Geld”.

“Kein weisser Ritter”

“Es mag überraschen, dass das Zürcher Obergericht Elmer in den zentralen Anklagepunkten entlastete”, schreibt der Tages-Anzeiger. Die Logik dahinter sei: “Rudolf Elmer war zum Zeitpunkt dieser Taten kein Schweizer Banker mehr. Vielmehr war er ein verschleierter Schweizer Banker.”

Will heissen, dass seine Arbeitsverträge für die Cayman-Inseln, auf denen er zum Tatzeitpunkt für die Julius Bär Holding arbeitete, so verwinkelt abgefasst worden seien, dass er eigentlich “kein Schweizer Banker mehr war”, wie die Verteidigung überzeugend habe argumentieren können. “An der Zürcher Justiz wäre es gelegen, dies schon vor Jahren zu erkennen.”

Trotzdem sei Elmer “nicht der weisse Ritter, als der er im Ausland bisweilen dargestellt wird”, so der Tagi. “Sein Rachefeldzug gegen seinen Ex-Arbeitgeber ist nicht zu rechtfertigen”, wie auch nicht die Verfolgungsaktionen gegen die Familie Elmer durch Privatdetektive, die Julius Bär losgeschickt hatte.


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