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WTO-Scheitern: Schlechtes Signal

WTO-Chef Pascal Lamy möchte die Doha-Runde fortsetzen, weiss aber weder wie noch wann. Keystone

Die Gespräche zur Liberalisierung des Welthandels bei der WTO in Genf sind gescheitert. Die Enttäuschung ist international gross, viele Schweizer Bauern zeigen sich dagegen erleichtert.

Als schlechtes Signal für die Weltwirtschaft bezeichnete die Schweizer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard den Abbruch der WTO-Verhandlungen am Dienstagabend in Genf.

Da alle 153 WTO-Staaten einem Kompromiss zustimmen müssen, sind die Gespräche gescheitert. Die 2001 in Doha begonnene WTO-Runde zum Abbau von Handelsschranken endete damit einmal mehr in der Sackgasse.

Die Beratungen scheiterten letztlich am Streit zwischen den USA und Indien über höhere Zölle zum Schutz armer Landwirte.

Damit sind die Chancen für eine Einigung nach Einschätzung von Handelsexperten nun für längere Zeit verspielt: Wegen der Präsidentschaftswahl in den USA Ende Jahr und dem Amtswechsel der EU-Kommission Ende 2009 werde es dauern, bis ein neuer Anlauf genommen werden könne. Leuthard geht davon aus, dass nicht vor 2010 wieder Bewegung in die Doha-Runde kommen wird.

“… nicht weit von Übereinstimmung weg”

“Wir waren nicht weit von einer Übereinstimmung entfernt”, bedauerte Doris Leuthard. Dass zwei ungelöste untergeordnete Punkte die Diskussion zum Scheitern hatten bringen können, sei unverständlich.

Gerold Bührer, Präsident des Wirtschaftsdachverbands economiesuisse sprach gar von einem “schwarzen Tag” für die Schweizer Exportwirtschaft. economiesuisse fordert, die bilateralen Freihandelsverhandlungen müssten nun umso rascher vorangetrieben werden. Die Schweiz müsse das bestehende Netz mit weiteren Abkommen ausbauen.

Erleichterter Bauernverband

“Besser kein Abschluss als ein schlechter Abschluss” kommentierte dagegen Bauernverbandspräsident Hansjörg Walter die gescheiterten Gespräche.

Für die Bauernfamilien weltweit sei die Doha-Runde unakzeptabel, sagte Walter. Man sei nun am Überlegen, ob die Bauernverbände weltweit neue Vorschläge für die Doha-Runde machen wollten. Der Bauernverband hofft, dass die WTO die Zwangspause nutzt.

Bundesrätin Leuthard meint dagegen, die Freude bei den Bauern sei kurzfristig, da der Druck auf die Landwirtschaft anhalten werde. Die Bauern sollten sich nun um eine bessere Positionierung ihrer Produkten auf den Märkten und um die Erschliessung neuer Märkte kümmern.

Pessimistische Presse

Für den Tages Anzeiger ist die vor sieben Jahren eingeläutete Doha-Runde tot. Für ihn haben die Bestrebungen zu einem “ungehinderten Austausch von Gütern und Dienstleistungen rund um den Globus einen schweren, irreparablen Schaden erlitten”.

Damit stünden auch andere ambitiöse multilaterale Projekte unter denkbar schlechten Vorzeichen. Der TA denkt da insbesondere an ein globales Abkommen für den Klimaschutz und Vereinbarungen zur Ernährungssicherheit oder zur Energieversorgung.

Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet das Scheitern als Fiasko und spricht von “kollektiver Unvernunft, die die Übung scheitern liess”. Die Kompromissbereitschaft am Verhandlungstisch sei zu gering gewesen, “und zwar auch deshalb, weil sich alle WTO-Mitglieder mit ihren Wünschen und Forderungen auf das Verhandlungsmandant von Doha berufen konnten, das bewusst ambivalent und widersprüchlich formuliert worden war.”

“Aufgeschoben ist nicht aufgehoben” meint die Berner Zeitung. Die Erleichterung bei den Schweizer Bauern sei fehl am Platz, “weil mit fortlaufender Zeit die Forderungen der Schwellen- und Entwicklungsländer nach einem Abbau der Agrarzölle zunehmen”. Dies Staaten wüssten genau, dass die “reichen Industrienationen, darunter auch die Schweiz, in Zukunft auch auf die Exporte in ihre Länder angewiesen sind.”

swissinfo, Etienne Strebel

Die 153 Mitglieder der WTO verhandeln über eine grössere Liberalisierung des Welthandels im Rahmen der 2001 lancierten Runde in Doha, der Hauptstadt von Katar.

Die Länder sind sich nicht einig über das genaue Niveau der Zollsenkungen, über die internen Reduktionen der Agrarsubventionen und über den Grad der Flexibilität für die Entwicklungsländer bei der Öffnung ihrer Märkte.

Im Juli 2006 wurden die Verhandlungen bereits einmal abgebrochen. Mit einer Neuaufnahme ist nach dem jetzigen Scheitern wohl nicht vor 2010 zu rechnen.

Die Schweiz war im Agrarbereich zurückhaltend. Sie setzte sich für eine Liberalisierung der Dienstleistungen und eine Senkung der Zolltarife auf Industrieprodukten ein.

Um folgende Lösungslinien werden auch zukünftige Verhandlungen nicht herumkommen: Die USA müssen ihre Agrarsubventionen kürzen, die EU muss ihren geschützten Markt öffnen, die Entwicklungsländer ihre Industrie-Zolltarife senken.

Dazu kämen Massnahmen, um die Dienstleistungs-Branchen zu liberalisieren.

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