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Zalmaï Ahad, Chronist des afghanischen Aufbruchs

Detail eines Bildes, das um die Welt ging. Zalmai/UNHCR/Aperture, 2003

Der Lausanner Fotograf Zalmaï Ahad hat in den letzten zwei Jahren mit Unterstützung der UNO und der Schweiz sein Heimatland Afghanistan bereist.

Das Resultat dieser Reise zeigt eine Ausstellung, die zur Zeit in Genf zu sehen ist. Darin bringt Zalmaï die schwache Hoffnung in seinem Land zum Ausdruck.

“Retour, Afghanistan“: Der Titel der Ausstellung gibt seine Absicht gut wieder. Die Fotografien von Zalmaï Ahad illustrieren den in Teile Afghanistans zurückgekehrten Frieden, die Rückkehr von Millionen von Flüchtlingen und das Wiedersehen des Reporters mit seiner Heimat.

Schon kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes kontaktiert Ahad das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (HCR), das zu der Zeit mit einer grossen Rückkehroperation von rund 6 Millionen afghanischer Flüchtlinge beschäftigt ist, und schlägt vor, diese Rückkehr aus dem Exil und den Wiederaufbau des Landes nach 25 Kriegsjahren zu illustrieren.

Mit der logistischen und finanziellen Unterstützung des HCR im Rücken reist der Fotograf durch das ganze Land, um den zögernden Wiederaufbau zu dokumentieren.

Die Ausstellung, die nach Genf durch die USA, Europa und Asien reist, ist die erste Episode dieser afghanischen Renaissance. Denn Ahad will die Reportage während des ganzen Wiederaufbaus Afghanistans weiterführen.

Der Fotograf zeigt in unterschiedlichen Formaten und unter verschiedenen Gesichtswinkeln die mehr oder weniger rasch vernarbenden Verletzungen eines Landes und eines Volkes.

swissinfo: Ihre Aufnahmen zeigen Afghanen, die ihrer Arbeit nachgehen. Es wird gelächelt, ja sogar gelacht. Leid und Trauer scheinen fast verschwunden zu sein. Hatten Sie wirklich diesen Eindruck?

Zalmaï Ahad: Ich war in der Tat überrascht von der Energie, die sich in diesem Land zeigt. Ich wollte deshalb diese feine Spur der Hoffnung zeigen, welche die Afghanen heute fühlen. Doch diese Geisteshaltung ist zerbrechlich. Wenn wir Afghanistan jetzt nicht helfen besteht die Gefahr, dass es wieder in den Albtraum zurückfällt, den es 25 Jahre lang erleiden musste.

Wir dürfen nun nicht den gleichen Fehler machen wie 1989 als die russischen Truppen das Land verliessen. Die internationale Gemeinschaft liess die Afghanen damals einfach fallen, nachdem sie diese bis an die Zähne bewaffnet hatte.

Heute bedroht der Opiummohnanbau die Zukunft Afghanistans, das sich zu einem Drogenstaat entwickeln könnte. Diese Gefahr betrifft alle, und Afghanistan kann das Problem nicht allein lösen.

Ich stelle aber fest, dass es heute noch kein klares Wiederaufbauprogramm gibt.

swissinfo: Was verlangen die Afghanen für ihren Wiederaufbau?

Z. A.: In weniger als 2 Jahren sind bereits über 3 Millionen Flüchtlinge ins Land zurückgekehrt, trotz der Unsicherheit, die nach wie vor dort herrscht, trotz der instabilen Regierung und den Widrigkeiten des Klimas, das dem Land mehrere Jahre Dürre beschert hat.

Heute fragen sich viele, wie das Land wieder aufgebaut werden soll, wenn sie nicht einmal genug zu essen haben. In den Flüchtlingslagern konnten sie wenigstens ihren Hunger stillen und ihre Kinder in die Schule schicken.

Trotzdem wollen die Afghanen nicht von der internationalen Hilfe abhängig werden. Alle versuchen deshalb mit dem durchzukommen was sie haben. Ich war auch überrascht von den vielen Projekten, welche die afghanische Diaspora lanciert hat.

Es sind diese Energie und diese Hoffnung, die ich zeigen wollte. Aus diesem Grund habe ich Farbbilder gemacht, obwohl ich sonst immer schwarz-weiss fotografiere.

swissinfo: Wie fanden Sie Kabul, die Stadt Ihrer Jugend?

Z. A.: Die Stadt war zu über 60% zerstört. Als ich sie 1985 verliess, hatte sie rund 200’000 Einwohner. Heute sind es zehn mal mehr. Das Leben ist sehr schwierig. Aber der Handel ist wieder angelaufen. Die Schulen funktionieren wieder, auch die Kinos. Es gibt sogar Kunstgalerien.

Alle wollen etwas tun, Alte und Junge, Mädchen und Knaben. Es herrscht unleugbar Begeisterung, auch bei den 8000 Ausländern in Kabul.

swissinfo: Ihre Ausstellung wird um die Welt gehen. Wird sie auch in Afghanistan zu sehen sein?

Z. A.: Im Juli ist sie in Kabul. Die Afghanen fragen mich sehr oft, wozu meine Arbeit gut sein soll, wozu Journalisten gut sind, welche die Dramen in diesem Land nicht verhindern konnten.

Ich möchte versuchen, ihnen mit dieser Ausstellung eine Antwort zu geben. Ich möchte ausserdem in meinem Land Fotografie-Unterricht erteilen und eine Fotojournalismus-Schule eröffnen. Afghanistan existiert, wie viele Länder des Südens, nur über die Bilder der Fotografen aus dem Westen. Es scheint mir wichtig, dass ein Land sich ein eigenes Bild über sich selbst schaffen kann.

Interview swissinfo: Frédéric Burnand in Genf
(aus dem Französischen übertragen von Charlotte Egger)

“Retour, Afghanistan” ist bis zum 23. Mai in Genf zu sehen.

Danach reist die Ausstellung weiter nach Washington, anschliessend durch die USA, Europa und Asien.

Mit 15 Jahren, kurze Zeit nach der Invasion der sowjetischen Truppen 1980, flieht Zalmaï Ahad aus seiner Heimatstadt Kabul.

Er lässt sich am Genfersee nieder, bildet sich hier zum Journalisten aus und erwirbt der Schweizer Staatsbürgerschaft.

1996 kehrt er zum ersten Mal nach Kabul zurück als Kriegsreporter für Le Nouveau Quotidien.

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