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Zauberformel gesprengt

Die neue Landesregierung mit Bundeskanzlerin (links aussen). Keystone

Nach 44 Jahren ändert die parteipolitische Zusammensetzung der Schweizer Regierung. Mit der Wahl von Nationalrat Christoph Blocher hat die SVP nun zwei Sitze. Nachfolger von Kaspar Villiger wird Hans-Rudolf Merz.

Bundesrätin Ruth Metzler wurde abgewählt. Die neue Regierung rückt nach rechts.

Christoph Blocher zieht neu in den siebenköpfigen Bundesrat ein. Die Vereinigte Bundesversammlung wählte am Mittwoch in Bern den SVP-Strategen anstelle von Ruth Metzler-Arnold (CVP) in die Landesregierung und sprengte damit die 44-jährige Zauberformel. Justizministerin Ruth Metzler war gut vier Jahre Mitglied der Landesregierung.

Nachfolger von Finanzminister Kaspar Villiger (FDP) wird der Ausserrhoder Ständerat Hans-Rudolf Merz, ebenfalls FDP.

Gewählt sind somit: Moritz Leuenberger (SP, bisher), Micheline Calmy-Rey (SP, bisher), Christoph Blocher (SVP, neu), Samuel Schmid (SVP, bisher), Pascal Couchepin (FDP, bisher), Hans-Rudolf Merz (FDP, neu), Joseph Deiss (CVP, bisher).

Damit wurde zum erstenmal seit 131 Jahren ein amtierendes Mitglied der Landesregierung nicht bestätigt, und erstmals in der Geschichte des Bundesstaates ist ein Kanton (Zürich) mit zwei Sitzen im Bundesrat vertreten.

Die Departementsverteilung findet am kommenden Sonntag statt. Traditionsgemäss wählen die Minister das Departement in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer.

Zu Beginn des Wahltages im Berner Bundeshaus hatte die Bundesversammlung Finanzminister Kaspar Villiger verabschiedet, der nach 14 Amtsjahren aus dem Bundesrat zurücktritt.

Nationalratspräsident Max Binder würdigte Villiger als einen Magistraten, der zuhören, argumentieren und abweichende Meinungen zusammenbringen konnte. Villiger warb dafür, in der Politik stets das Gesamtwohl zu beachten

Deiss Bundespräsident 2004

Gewählt hat die Bundesversammlung auch den Bundespräsidenten für das Jahr 2004. Die Wahl fiel turnusgemäss auf Joseph Deiss, Samuel Schmid ist Vizepräsident.

Die beiden rückten im Turnus für diese Ämter um ein Jahr vor, weil Ruth Metzler, die eigentlich als Bundespräsidentin hätte gewählt werden sollen, das Amt nicht mehr antreten kann.

Problemlos bestätigt wurde die freisinnige Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz.

Freude und Enttäuschung

Die Wahl von Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat hat gemischte Reaktionen ausgelöst.

SVP und FDP reagierten mit Genugtuung. Bei den Frauen und der CVP herrschte Enttäuschung.

Die SP will mit vermehrter Opposition auf den Rechtsrutsch reagieren.

Laut SVP-Präsident Ueli Maurer hat das Parlament mit der Wahl von Blocher den Volkswillen umgesetzt, der nun auch im Bundesrat vermehrt vertreten werden müsse.

Auch FDP-Präsidentin Christiane Langenberger sieht in der Wahl eine Erfüllung des Volkswillen. Die FDP freute sich im Weiteren über die Wahl von Hans-Rudolf Merz.

Die unterlegene Kandidatin Christine Beerli bedauerte weniger ihre Nichtwahl als die Abwahl von Ruth Metzler-Arnold.

Man habe gekämpft und sei untergegangen, sagte CVP-Präsident Philipp Stähelin zur Abwahl von Bundesrätin Metzler-Arnold. Die Frauen hätten ihr Gesicht und eine Ansprechperson verloren, stellte der Vorstand der CVP-Frauen Schweiz fest.

Die abgewählte Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold zeigte sich enttäuscht. “Ich habe immer gewusst, dass es ein Leben nach dem Bundesrat gibt. Dass es bereits jetzt beginnt, hätte ich mir anders gewünscht.”

Nach der Verzichtserklärung wurde Ruth Metzler mit einer “Standing Ovation” verabschiedet.

SP kündigte vermehrte Opposition an


In der SP werde es wegen des Rechtsrutsches zu Diskussionen über eine allfällige Opposition kommen, sagte SP-Präsidentin Christiane Brunner.

Die CVP habe es versäumt zu sagen, welchen Bundesrat oder welche Bundesrätin sie wolle. Die SP erwartet nicht, dass die SVP mit zwei Vertretern in der Landesregierung ihre Oppositionsrolle aufgibt.

Die Co-Präsidentin und Bundesratskandidatin der Grünen, Ruth Genner, befürchtet eine neoliberale Wende. Die Verantwortlichkeiten für den neuen Kurs müssten nun klar den einzelnen Parteien und ihren Exponenten zugeordnet werden.

Etliche demonstrierten

An einer von den Jungsozialisten organisierten Kundgebung haben über 500 vorwiegend junge Menschen in der Nähe des Bundeshauses ihren Unmut über die Wahl von Blocher und Merz sowie über den gesunkenen Frauenanteil in der Landesregierung kundgetan.

Über 1000 Menschen haben am Mittwochabend auch in Zürich “gegen den Rechtsrutsch in der Regierung” demonstriert. Vorwiegend junge Leute und Frauen waren daran beteiligt. Mit markigen Plakaten verschafften sie ihrem Unmut Luft.


swissinfo und Agenturen

Die Stimmenzahl der Gewählten:

Moritz Leuenberger 211 (1. Wahlgang)
Pascal Couchepin 178 (1.)
Christoph Blocher 121 (3.)
Joseph Deiss 138 (1.)
Samuel Schmid 167 (1.)
Micheline Calmy-Rey 208 (1.)
Hans-Rudolf Merz 127 (2.)

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