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Zentralbanken greifen zu schärfster Waffe

Auch die Schweizerische Nationabank hat die Leitzinsen gesenkt. Keystone

Die Schweizerische Nationalbank hat zusammen mit anderen Zentralbanken den Leitzins gesenkt – dies in einem verzweifelten Versuch, die angeschlagenen Finanzmärkte wieder auf Touren zu bringen. Wirtschaftsexperten begrüssen diesen Schritt.

Neu peilt die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen Leitzins von 2,5% an. Sie senkte das Zielband für den Dreimonats-Libor auf 2 bis 3%, nachdem es bislang bei 2,25 bis 3,25% gelegen hatte.

Damit will die SNB den Franken-Libor, der mittlerweile 3,09% erreicht hat, auf 2,5% drücken. De facto streben die Währungshüter also eine Zinssenkung von einem halben Prozentpunkt an. Letztmals senkte die SNB im März 2003 den Leitzins.

Die SNB beteiligt sich mit diesem Schritt vom Mittwoch an einer konzertierten Zinssenkungsrunde der Europäischen Zentralbank, der US-Notenbank sowie der Zentralbanken von Grossbritannien, China, Schweden, Kanada und Japan.

Rudolf Minsch, leitender Wirtschaftsexperte beim Schweizer Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, erklärte gegenüber swissinfo, in den letzten Tagen hätten vor allem kleinere und mittlere Betriebe zunehmend Schwierigkeiten bekommen, Kredite zu erhalten.

“Der richtige Entscheid zur richtigen Zeit”

“Wenn die Stabilität bis nach Weihnachten wieder hergestellt ist, können wir überleben. Sollte die Kreditkrise bis 2009 anhalten, wäre es sehr ernst und die Krise würde sich auf die Realwirtschaft in der Schweiz auswirken.”

Für den Ökonomen ist die Zinssenkung der richtige Entscheid zur richtigen Zeit. “Es gab Bedarf für ein klares Signal, und dieses hat die Unsicherheit etwas gemindert.”

Die Nationalbank begründete die Leitzinssenkung mit der internationalen Finanzkrise, die sich ausgeweitet habe und sich spürbar auf die Weltkonjunktur auswirke.

Die Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität in den USA und in Europa sei ausgeprägter, als die SNB in ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung vom 18. September erwartet habe.

Im weiteren sei eine Lockerung der monetären Bedingungen gerechtfertigt, so die SNB. Das Inflationsrisiko habe sich wegen der günstigeren Energie- und Rohwarenpreise verringert.

Grosse Depression

Der Libor (London Interbank Offered Rate) stellt einen Durchschnittspreis dar, den die Banken untereinander für ungedeckte Kredite verlangen. Wegen der anhaltenden Krise auf den Finanzmärkten ist der Satz in den letzten Tagen auf über 3% gestiegen, was die Kredite weiter verteuerte.

Alessandro Bee, Chefökonom bei der Bank Sarasin, erklärte, dass dies drastische Folgen auch für die Schweizer Wirtschaft haben könnte.

“In den letzten Tagen haben sie irgendwie die Kontrolle über den Liborsatz verloren, was ein erschreckendes Zeichen ist. Bei einer Rezession ist die Geldpolitik vermutlich das einzige Instrument, das hilft”, sagte er gegenüber swissinfo.

“Sollte es nicht gelingen, die Finanzmärkte zu stabilisieren, könnten wir etwas Schlimmeres erleben als eine durchschnittliche Wirtschaftskrise. Es wäre dann eher wie die Grosse Depression der 1930er-Jahre.”

swissinfo, Matthew Allen, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen und Adaption: Gaby Ochsenbein)

Die aktuellen Turbulenzen auf den weltweiten Finanzmärkten, die durch den Zusammenbruch des amerikanischen Subprime-Hypothekenmarktes hervorgerufen wurden, haben dazu geführt, dass unter den Banken weniger Geld verliehen wird. Deshalb werden auch weniger Geschäfte finanziert.

Die Finanzgemeinschaft ist beim Geldverleih untereinander sehr zurückhaltend, da es schwierig ist, abzuschätzen, wie viel Schulden die einzelnen Unternehmen wirklich haben. Dieser Mangel an Transparenz hat Ängste geschürt, dass Darlehen nicht zurückbezahlt werden könnten.

Finanzinstitute und Geschäfte können ohne ein ausreichendes Mass an Liquidität nicht funktionieren. Bis jetzt waren von der Finanz- und der daraus resultierenden Kreditkrise vor allem Banken und Versicherungen betroffen. Nun steigen die Befürchtungen, dass auch Unternehmen darunter leiden könnten, wenn sie keine sicheren Darlehen mehr bekommen.

Die Zentralbanken haben in letzter Zeit mehr Geld ins Finanzsystem gepumpt und jetzt auch noch die Zinssätze gesenkt.

Die britische Regierung will acht der grössten Banken verstaatlichen, um die Stabilität auf dem Finanzmarkt wiederherzustellen. Der so genannte Rekapitalisierungs-Plan umfasst bis zu 64,5 Mrd. Euro, die in Vorzugsaktien investiert werden sollen.

Zudem soll die Bank von England weitere 256 Mrd. Euro an kurzfristigen Krediten bereitstellen. Investoren befürchteten seit Tagen, britische Banken könnten die aktuelle Finanzkrise ohne staatliche Hilfe nicht überstehen.

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