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Zürichs nächster Stadtpräsident ist eine Frau

Kathrin Martelli (links) und Corine Mauch: Beide haben Chancen, am 8. Februar gewählt zu werden. Keystone

Die grösste Schweizer Stadt wird künftig von einer Frau regiert werden. Von der bürgerlichen Kathrin Martelli, oder der linken Corine Mauch. Politisch wollen sie fast dasselbe. Offen ist, welche der beiden Nachfogerin des Sozialdemokraten Elmar Ledergerber wird.

Beide haben den Ruf, kompetent und für das Amt geeignet zu sein. Beide gelten bis weit ins gegnerische politische Lager hinein als wählbar.

Die 56-jährige Kathrin Martelli hat 14 Jahre Exekutiverfahrung im Zürcher Stadtrat. In dieser Zeit hat die Freisinnige erfolgreich eigenständig politisiert und regelmässig Positionen eingenommen, die nicht auf der Linie ihrer Partei liegen.

Die 48-jährige Sozialdemokratin Corine Mauch ist seit 1999 in der Zürcher Legislative. Seit Oktober 2008 präsidiert sie die sozialdemokratische Fraktion im Gemeinderat. Mauch ist Agrarökonomin und arbeitet als Projektleiterin bei den Parlamentsdiensten in Bern.

Martelli ist in Zürich aufgewachsen und wurde im Alter von 23 Jahren Mutter und Familienfrau. Ihr Einsatz für sichere Schulwege und Spielplätze war ihr Einstieg in die Politik. Martelli lebt mit ihrem Mann in Zürich. Vor wenigen Monaten ist sie Grossmutter geworden.

Mauch verbrachte ihre Kindheit teilweise in den USA und lebt seit 25 Jahren in Zürich. Sie spielt Bassgitarre in einer Rockband, setzte sich für mehr Auftrittsmöglichkeiten für junge und unbekannte Bands ein und ist Vorstandsmitglied der entwicklungspolitischen Organisation “Erklärung von Bern”. Mauch lebt seit Jahren mit ihrer Lebenspartnerin zusammen.

Berlin: Vorbild für Zürich

Was noch vor 20 Jahren ein Nachteil gewesen wäre, kann heute auch ein Vorteil sein. Zürich versteht sich im Event-, und Kulturbereich als aufstrebende europäische Metropole.

Berlin ist ein Vorbild. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ging 2001 mit seinem Bekenntnis “Ich bin schwul – und das ist auch gut so!” in die Geschichte ein.

Die politischen Positionen der beiden Kandidatinnen im Wahlkampf sind weniger verschieden als ihre Biographien. Die Beiden sind sich einig, dass Zürich trotz der internationalen Finanzkrise nun nicht der Hysterie verfallen Sparpakete schnüren sollte.

Beide wollen den kommunalen und den genossenschaftlichen Wohnungsbau fördern, um die Wohnungsnot zu lindern. Beide sprechen sich für attraktive Wohnquartiere mit Kindertagesstätten aus.

Frauen in Führungspositionen

Martelli will bei der Kulturförderung die Ausgaben nicht erhöhen. Dafür will sie bestehende Subventionen überprüfen und allenfalls in neue Projekte stecken. Mauch plädiert für einen Ausbau der Kulturförderung und für bessere Rahmenbedingungen für innovatives Kulturschaffen.

Bei Podiumsgesprächen fassten sich die beiden mit Samthandschuhen an, kritisieren die lokalen Medien. Die NZZ am Sonntag bezeichnete den Wahlkampf als “Scheinduell” und ärgerte sich über die “Ergiessungen der politischen Korrektheit”.

Kathrin Martelli ist die offizielle Kandidatin der bürgerlichen Parteien, inklusive der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Dass sie auch bis weit ins linke Lager hinein Sympathien geniesst, hat mit ihrer Politik zu tun.

So setzte sich die Freisinnige gegen den Willen ihrer Partei für Tempo-30-Zonen und einen autofreien Limmatquai ein. Sie machte sich schon früh stark für ökologisches Bauen und wählte Frauen in Führungspositionen.

Zürich: Vorbild für Berlin

Dass sich Berlin an Zürich orientiert, ist ein Verdienst von Kathrin Martelli. Sie und das ihr unterstellte Amt für Städtebau führten das Modell der kooperativen Planung ein.

Der Dialog zwischen Bewohnern, Grundeigentümern und Investoren gilt europaweit als vorbildlich. Auch die Berliner Senatsbaudirektion lässt sich bei Planungsprozessen vom Zürcher Modell inspirieren.

Der grösste stadtplanerische Erfolg Martellis war der Bau des Letzigrundstadions. Dieses wurde in rekordkurzer Bauzeit und rechtzeitig für die Euro 2008 fertig, nachdem die Pläne für ein anderes Stadion vier Jahre vor der Euro geplatzt waren.

Martelli holte Anwohner und Verbände an einen Tisch und konnte so Einsprachen verhindern. Eine einzige Einsprache hätte die Durchführung des Grossanlasses in Zürich verhindern können.

Die grösste Niederlage Martellis war das Volks-Nein zum Projekt für ein neues Kongresshaus am See.

Teamfähigkeit

Corine Mauch ist die Kandidatin der Sozialdemokraten und der Grünen. Die beiden Parteien haben zusammen einen Wähleranteil von 50%. Im Wahlkampf setzt Mauch auf ihre “Unverbrauchtheit und Frische”.

Mauch gehört zum linken Flügel der Sozialdemokraten. Als Präsidentin der Rechnungsprüfungs-Kommission verschaffte sie sich auch bei politischen Gegnern Respekt. Diese loben ihre Dossierkenntnisse, ihren beharrlichen Standpunkt, Teamfähigkeit und Fairness.

swissinfo, Andreas Keiser

Die grösste Stadt der Schweiz und gleichzeitig deren Finanzzentrum liegt am Zürichsee im Osten des Landes. Rund 380’000 Menschen leben in der Stadt.

In der Zürcher Agglomeration leben rund drei Millionen Personen, was sie zu einer der am dichtesten besiedelten Regionen in Europa macht.

Der grösste Teil der Wirtschaft ist im Dienstleistungssektor angesiedelt, wobei die Finanzdienstleistungen den grössten Anteil haben. Auch viele Hightech-Firmen haben ihren Sitz in Zürich.

In Zürich studieren rund 40’000 Personen, die meisten an der Universität Zürich und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH).

Zürich ist bekannt für seinen See, die saubere Luft und makellose Strassen. Es hat über 50 Museen, Galerien und ein Opernhaus.

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