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Zugs Zuzüger sind nicht nur reich

Die Altstadt von Zug und der Zugerberg. picswiss.ch

Der Kanton Zug hat nicht erst seit gestern den Ruf, dank seiner Steuerpolitik Vermögende aus dem In-und Ausland anzuziehen. Im Jahr 2007 kamen erstmals mehr Zuzüger aus dem Ausland als aus der Schweiz. Die Politik will nun verhindern, dass Einheimische von reichen Ausländern verdrängt werden.

Die Wohnungen oder Einfamilienhäuser im Kanton Zug für den Mittelstand sind teurer als anderswo. Das sieht auch Gianni Bomio so, der Generalsekretär des Zuger Volkswirtschaftsdepartements.

Für ihn liegt die Problematik aber nicht bei den Superreichen, die wegen der Steuerersparnis in den Kanton ziehen, “denn die können sich sowieso jede Wohnung leisten”, sondern bei den mittelständischen Familien.

Dass die Wohnungen im Kanton Zug für manche Familien zu teuer sind, “ist in einem kleinen Kanton, der nicht grossflächig einzonen kann, die Kehrseite der Medaille”. Dafür biete der Kanton Zug viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze an.

Die Verteuerung des Wohnraums für mittelständische Familien ist so gesehen eine indirekte Auswirkung der Ansiedlung vieler Firmen dank tiefen Steuern. Firmen schaffen nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Bedarf an Wohnraum.

In den Land- und Wohnungspreisen sieht Bomio auch den Hauptgrund, warum viele Schweizer ihren Wohnsitz in einen andern Kanton verlegen. “Verschiedene Nachbarkantone von uns haben die Steuern gesenkt. Familien machen deshalb eine Mischrechnung, bei der sie finanziell gut wegkommen. Sie leben zwar nicht in dem Kanton, der die tiefsten Steuern hat. Dafür wohnen sie in einer Gemeinde, wo das Land günstiger ist und bezahlen immer noch wenig Steuern.”

(K)ein Kanton für Familien?

Bomio bestreitet, dass es im Kanton Zug wenig Familien gebe: “Wir haben viele Junge und viele Kinder.” Trotzdem steht im Moment im Zuger Kantonsparlament ein Förderprogramm für preisgünstigen Wohnungsbau für Familien zur Debatte. “Wir versuchen, politisch Gegensteuer zu geben”, erklärt er. “Wir möchten, dass alle Bevölkerungsschichten grundsätzlich im Kanton Zug wohnen können.”

Dieses Ziel verfolgt auch der sozialdemokratische Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller. Es sei schon so, dass in Zug viele Leute mit hoher Kaufkraft lebten. Ob dies nun Schweizer oder Ausländer seien, sei für ihn zweitrangig. “Doch wir setzen diesem Trend politisch etwas entgegen”, sagt er, “wir fördern genossenschaftlichen Wohnungsbau und wir haben in der Stadt Zonen für preisgünstiges Wohnen eingeführt. Das gibt es in der Schweiz nicht so häufig.”

Im Kanton Zug gebe es keine Villenzonen. Die Stadt sei durchmischt bebaut. In der Praxis funktioniert das so, dass “wir Land einzonen, das an preisgünstigen Wohnungsbau geknüpft ist”, sagt Müller.

Vor allem deutsche Einwanderer

Im Moment, betont Volkswirtschafter Bomio, seien es vor allem deutsche Fachkräfte, die einwanderten, nicht Spitzenverdiener. Sie wanderten ein, weil sie im Kanton Zug eine Stelle gefunden hätten, nicht in erster Linie wegen der tiefen Steuern. Und auch sie benötigten bezahlbaren Wohnraum.

Einwanderer aus “klassischen” Einwanderungsländern seien viel weniger zahlreich als früher: “Im Kanton Zug hat sich die Industrie zu einer Hightech-Industrie entwickelt. Die Fliessbandarbeit gibt es in dieser Form nicht mehr. Es braucht heute Fachkräfte, auch in der Industrie.”

Die andern, die Reichen und Prominenten, von denen oft in Klatschspalten zu lesen sei, die wegen der tiefen Steuern Wohnsitz im Kanton nähmen, gebe es selbstverständlich auch, sagt Bomio. Aber die Tatsache, dass im Jahr 2007 – also vor der Wirtschaftskrise – erstmals mehr Ausländerinnen und Ausländer als Inländer aus anderen Kantonen eingewandert seien, ist seiner Meinung nach auf die im Kanton vorhandenen Arbeitsplätze zurückzuführen.

Es sei aber fraglich, ob diese Entwicklung anhalten werde. “Vor allem angesichts der Tatsache, dass in diesem Jahr weitaus am meisten Eingewanderte aus Deutschland kamen und dass sie häufig in der Gastronomie oder dem Gesundheitswesen arbeiten.”

Kulturelle Identität als Gegenstrategie

Dass die Einwanderer deutscher oder anderer Nationalitäten die kulturelle Identität der Zugerinnen und Zuger verändern, glaubt Zugs Stadtpräsident Müller nicht. “Man muss sich um die Ausländer kümmern, denke ich. Selbst wenn diese Leute eine viel höhere Kaufkraft haben oder höher qualifiziert sind. Gerade diese sind interessiert an einem spannenden Kulturangebot. Das Kulturangebot machen wir aber für alle, nicht nur für die Reichen.”

Müller ist überzeugt: “Identität schaffen wir durch Kultur und nicht so sehr durch hohe Einnahmen.” Für Müller ist dies eine andere Art von Standortförderung und gleichzeitig “unsere Gegenstrategie gegen den Kaufkraftdruck.” Die Zugerinnen und Zuger sollen sich wohlfühlen an ihrem Ort.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Gemäss dem Tages-Anzeiger sind 2007 erstmals mehr Zuzüger aus dem Ausland nach Zug gezogen als aus anderen Kantonen der Schweiz, nämlich insgesamt 2854 ausländische Personen gegenüber 2262 Schweizerinnen und Schweizern.

Von diesen Einwanderern machten die Deutschen mit 1047 die grösste Gruppe aus. 1339 wanderten aus andern europäischen Ländern in den Kanton Zug ein.

Aus dem Kanton Zug weggezogen sind 240 Deutsche, 942 Personen ausländischer Herkunft, insgesamt 753 aus Europa.

Im Kanton Zug leben rund 110’000 Personen. Der Kanton hat eine Fläche von 230 Quadratkilometern. Er ist damit der drittkleinste Kanton der Schweiz. Der Hauptort ist Zug.

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