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Zwei Gratiszeitungen für einen engen Markt

20 Minutes vs. Le Matin Bleu: Ein harter Konkurrenzkampf zeichnet sich ab. Keystone

Nach Le Matin bleu startet am Mittwoch 20 Minutes in der Romandie. Der Westschweizer Korrespondent der NZZ analysiert die Chancen der beiden Gratisblätter.

Christophe Büchi rechnet mit einer Kooperation und dem Verschwinden eines der beiden Titel.

Vier Monate nach Erscheinen von Le Matin Bleu des Westschweizer Medienhauses Edipresse taucht mit 20 Minutes ein zweites Gratisblatt auf dem Medienmarkt der französischsprachigen Schweiz auf.

Herausgeber ist die Zürcher Tamedia-Gruppe, welche in der Deutschschweiz unter anderem die Tageszeitung Tages-Anzeiger sowie das Gratisblatt 20 Minuten herausgibt.

Die Zielgruppen der beiden Gratiszeitungen sind identisch: Die konsumfreudigen jungen Menschen zwischen 15 und 35 Jahren in den städtischen Ballungszentren.

Da stellt sich die Frage: Reicht der Markt für zwei Gratiszeitungen aus? Christophe Büchi, Westschweizer Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), erklärt, was sich seiner Meinung nach abspielen wird.

swissinfo: Haben im eher kleinen Wirtschaftsraum der Westschweiz zwei Gratisblätter reale Überlebens-Chancen?

Christophe Büchi: In der Deutschschweiz deckt eine einzige Gratiszeitung die grösseren Städte ab: 20 Minuten. Davor gab es noch den Titel Metro, der aber verschwunden ist.

Der Markt ist eng. Neben den kostenlosen Tageszeitungen gibt es ja auch noch kostenlose Wochenzeitungen, nicht zu vergessen natürlich die traditionellen Tageszeitungen, die im Abonnement oder am Kiosk verkauft werden. Es ist klar, dass der Markt nicht gross genug ist, um eine unbegrenzte Anzahl Zeitungen aufnehmen zu können.

Aufgrund der Erfahrungen in der Deutschschweiz lässt sich sagen, dass die Aussichten für die beiden Titel nicht allzu rosig sind. Es ist kaum möglich, dass ein Markt mit nur knapp 1,5 Mio. Personen zwei Gratiszeitungen verträgt.

Der Zeitungsmarkt ist sehr aussergewöhnlich: Es hängt alles von der Summe ab, welche die Verlage zu investieren bereit sind. Und auch vom Zeithorizont, den sie vorgeben, bis sich das Produkt durchgesetzt haben muss.

swissinfo: Bei 20 Minutes sind es vier Jahre, bis die Gewinnschwelle erreicht werden soll, ein realistisches Ziel?

C.B.: Die vier Jahre sind genau die Spanne, die es brauchen wird. Tamedia konnte innerhalb dieser Zeit den Gratismarkt zu einem der wichtigsten Standbeine ausbauen. Wenn der Verlag von vier Jahren spricht, ist das sicherlich nicht nur eine reine Absichtserklärung.

Wenn die Verankerung gross genug ist und die Zahl der Leser wächst, kann es für 20 Minutes gelingen. Misslingt aber der Start, verschwindet das Blatt vorher.

Was aber auch möglich ist: Die beiden Verlage Edipresse und Tamedia spannen zusammen, denn die Häuser pflegen traditionellerweise einen guten Kontakt.

swissinfo: Wäre eine Allianz, wie sie ursprünglich geplant war, denkbar?

C.B.: Das wäre eine mögliche Variante. Bei beiden Häusern handelt es sich aber um starke Verlage mit Chefs, die ein ausgeprägtes Ego haben. Das grosse Problem wird also sein, dass in einer Allianz niemand bereit sein wird, die Kontrolle abzugeben.

Edipresse ist keineswegs bereit, das Feld zu räumen, denn dort betrachtet man den Westschweizer Markt als Heimmarkt. Es war schon genug, dass sich Ringier bei den Wochenmagazinen durchgesetzt hat.

Edipresse wird es also nicht zulassen, dass sich im Bereich der Gratiszeitungen mit Tamedia ein zweites Unternehmen aus der deutschsprachigen Schweiz in der Romandie durchsetzt.

Umgekehrt ist auch die Zürcher Tamedia-Gruppe, bestärkt durch den Erfolg von 20 Minuten im deutschsprachigen Landesteil, keineswegs bereit, die Zügel aus der Hand zu geben. Die Wetten sind also offen.

swissinfo-Interview, Alexandra Richard
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

20 Minutes

Startet am 8. März 2006, Verlag Tamedia (Zürich)
Auflage: rund 120’000 Exemplare
Personal: 45 Vollzeitstellen, davon 24 Journalisten
Zielgruppe: Junge, aktive Menschen in den Städten
Zwei Ausgaben: 52’000 für Genf/Nyon
68’000 für die übrige Waadt, das Wallis, Freiburg und Neuenburg.

Le Matin Bleu

Startete im Oktober 2005, Verlag Edipresse (Waadt)
Auflage: rund 120’000 Exemplare
Personal: 50 Vollzeitstellen, rund 25 Journalisten
Zielgruppe: Junge, aktive Menschen in den Städten
Eine Woche vor Erscheinen der 20 Minutes wurde die Auflage in eine Version für Genf sowie eine für Lausanne aufgesplittet.

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