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Zweite Gotthard-Röhre hat Avanti gestoppt

Stau vor dem Gotthard ist unbeliebt, eine zweite Tunnelröhre aber auch. Keystone

Der Avanti-Gegenvorschlag ist an der zweiten Gotthard-Röhre und an den Kosten gescheitert. Entscheidend waren die vielen Nein-Stimmen aus dem bürgerlichen Lager.

Weiteres Fazit der Vox-Analyse zum Urnengang vom 8. Februar: Das Misstrauen in den Bundesrat war noch nie so gross.

Für die Mehrheit der Stimmenden war beim Avanti-Gegenvorschlag vom 8. Februar die beantragte zweite Röhre am Gotthardtunnel eine zuviel. Zu diesem Schluss kommt die am Freitag publizierte Vox-Analyse, die das Forschungsinstitut gfs.bern zusammen mit der Universität Bern durchführte.

Die Vorlage von Bundesrat und Parlament konnte nicht einmal die Wähler und Sympathisanten der beiden bürgerlichen Parteien FDP und SVP überzeugen: Nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen folgte den Ja-Parolen ihrer Parteien. Im Gegensatz dazu schlossen sich 79% der SP-Sympathisanten und zwei Drittel der CVP-Anhänger den Nein-Parolen der zwei Parteien an.

Sogar Mehrheit der SVP-Anhänger gegen zweite Gotthard-Röhre

Entscheidend für die deutliche Ablehnung mit 62,8% Nein-Stimmen war die zweite Gotthard-Röhre: Sogar 55% der SVP-Anhänger sprachen sich dagegen aus, wie die Erhebung zeigt.

Die Abstimmung war jedoch nur in der deutschen Schweiz ein Plebiszit gegen eine zweite Röhre am Gotthard. Während hier 72% der Nein-Stimmenden ihre Haltung mit dem neuen Tunnel begründeten, waren es in der Westschweiz nur 18%.

51% der Nein-Stimmenden in der französischen Schweiz führten die hohen Kosten der Gesamt-Vorlage als Motiv an. Die Befürworter hatten im Abstimmungskampf von rund 17 Mrd. Franken, die Gegner von rund 30 Mrd. Franken gesprochen.

Mit dem Avanti-Gegenvorschlag hätten die Autobahnen der Nord-Südachse sowie die wichtigsten Strassenverbindungen in den Agglomerationen ausgebaut werden sollen. Aber auch der öffentliche Verkehr wäre in den Genuss von zusätzlichen Geldern gekommen.

Verwahrungsinitiative

Die Annahme der Verwahrungsinitiative mit 56,2% Ja-Stimmen war vor allem ein Betroffenheitsentscheid. Der Entscheid bewirkt, dass nicht therapierbare Gewalttäter bis ans Lebensende verwahrt werden. Die Analyse zeigt, dass die Argumente der Initiantinnen, alles Angehörige von Opfern schwerer Gewalttaten, bei den Stimmenden auf offene Ohren gestossen waren.

Das wichtigste Motiv für die Zustimmung war die Sicherheit der Gesellschaft: 81% der Ja-Stimmenden erwarteten von der lebenslänglichen Wegschliessung einen besseren Schutz. Weitere wichtige Elemente waren eine “gerechte Strafe”, “Vergeltung” und “Abschreckung”.

Schweiz, Land der Mieter

Bei der mit 64% Nein-Stimmen gescheiterten Revision des Mietrechts war vor allem der Widerstand der Mieter ausschlaggebend gewesen, so die Analyse. Diese befürchteten Mietzinserhöhungen und einem Abbau des Mieterschutzes. Aber auch von den Wohnungsbesitzern legten nur 47% ein Ja ein.

Die Vorlage hätte einen Wechsel bei der Mietzins-Indexierung gebracht. Diese wäre nicht mehr an die Hypothekarzinse, sondern neu an die Teuerung gekoppelt gewesen.

Schlechte Noten für den Bundesrat

In der Analyse fühlten die Befrager auch den Puls der Bevölkerung hinsichtlich Popularität des Bundesrates. Für die Landesregierung kamen dabei ernüchternde Resultate heraus.

Das Misstrauen der Schweizer Bevölkerung gegen den siebenköpfigen Bundesrat ist so hoch wie noch nie. 46% der Befragten gaben an, die Regierung kenne die Sorgen und Wünsche des Volkes nicht.

Lediglich 36% sagten aus, sie könnten sich auf den Bundesrat verlassen. 18 % wollten nicht Stellung beziehen.

Damit ist im Vergleich zur letzten Erhebung nach den Abstimmungen vom 18. Mai 2003 das Vertrauen in die Regierung rapide abgesackt. Damals hatten noch 39% dem Bundesrat ihr Vertrauen ausgesprochen.

Für die VOX-Analyse waren innerhalb zweier Wochen nach dem Urnengang 1000 Stimmberechtigte im ganzen Land befragt worden.

swissinfo und Agenturen

Die Vox-Analyse über den Urnengang vom 8. Februar zeigte, dass der Avanti-Gegenvorschlag vor allem wegen der zweiten Tunnelröhre am Gotthard scheiterte.
In der französischen Schweiz gaben vor allem die Gesamtkosten den Ausschlag zum Nein.
Beim Ja zur Verwahrungsinitiative stand für die Stimmenden in erster Linie die Sicherheit der Gesellschaft im Vordergrund.
Bei der abgelehnten Revision des Mietrechts waren es vor allem die Mieter, die den Ausschlag gaben.
Gemäss Vox-Analyse sackte beim Urnengang die Popularität des Bundesrats auf einen historischen Tiefstwert ab: Nur gut ein Drittel oder 36% der Stimmbürger gaben an, dass sie sich auf die Landesregierung verlassen würde.

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