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“Rothenthurm hat die Volksseele getroffen”

1987 stimmte das Schweizer Stimmvolk für die Erhaltung der Moorlandschaft bei Rothenthurm, Schwyz. imagepoint

Die Rothenthurm-Initiative feiert am Freitag ihr 20-jähriges Jubiläum. Die damaligen Aktivisten der erfolgreichen Moorschutz-Volksinitiative erinnern sich.

Für einen von ihnen, Philippe Roch, der später auch dem Bundesamt für Umwelt vorstand, bedeutete die Initiative damals einen grossen Sprung des Naturschutzes nach vorne.

Das seien jene Zeiten gewesen, als er noch “Marken für die Rettung der Elefanten” verkaufte, erinnert sich Philippe Roch, ehemaliger WWF-Schweiz-Direktor und von 1992 bis 2005 Vorsteher des heutigen Bundesamts für Umwelt (BAFU).

Der Erfolg der Volksinitiative “zum Schutz der Moore – Rothenthurm” – der Hochebene im Kanton Schwyz, wo die Armee einen Waffenplatz betrieb – am 6. Dezember 1987, sei für Roch ein “sehr schöner Moment” gewesen, wie er gegenüber swissinfo sagt.

swissinfo: Welches sind Ihre Erinnerungen an jene Abstimmung?

Philippe Roch: Für uns bedeutete sie ein grosser Sieg, den wir gegen das Establishment errungen hatten. Nur wenige Initiativen schaffen es, in einer Volksabstimmung angenommen zu werden.

Das Anliegen hat aber auch aufgedeckt, wie verbunden sich die Bevölkerung mit ihrer Landschaft fühlt. Damit trafen wir in die Tiefe der Landesseele.

Ich beteiligte mich damals beim Sammeln der Unterschriften. Für mich war es auch eine einmalige Gelegenheit, mich der Macht zu nähern. Als BAFU-Direktor setzte ich dann die Forderungen dieser Initiative um.

swissinfo: Die Kampagne zielte ja auch auf Verteidigungs- und Militärthemen, weil es um den Waffenplatz ging, den man bekämpfte. War das ausschlaggebend beim Resultat?

P.R.: Diese Kombination war sehr interessant. Doch der Anti-Militarismus allein genügte sicher nicht für den Erfolg der Initiative.

swissinfo: Haben sich damals die Aktivisten an der Arroganz von Bundesbern gerieben?

P.R.: Nicht an der Arroganz, sondern an der Überzeugung, dass die Initiative nicht durchkommen werde. Umso mehr, als das Umweltschutzgesetz gerade erst angenommen worden war und als Gegenvorschlag diente.

Dass die Initiative dann doch durchkam, bedeutete für die Umwelt einen zweifachen Schritt nach vorne.

“Rothenthurm” gab der Eidgenossenschaft klare Kompetenzen in Sachen Umweltschutz. Auch mit dem Inventar konnte begonnen werden.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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swissinfo: Wie wurde der neue Verfassungsartikel dann umgesetzt?

P.R.: Als ich 1992 zum Bundesamt für Umwelt stiess, warf die Initiative weiterhin viele oppositionelle Wellen auf. Die Vorschläge, die von externen Experten formuliert worden waren, deckten nach Meinung der Kantone ein zu grosses Gebiet ab.

Ich fragte dann Flavio Cotti, damals Vorsteher des Departements des Innern, ob er mich direkt mit den Kantonen verhandeln lasse.

swissinfo: Welchen Kanton haben Sie sich zuerst vorgenommen?

P.R.: Schwyz natürlich. Ich ging zum betreffenden Staatsrat, der das Dossier betreute, und dieser erklärte mir die Prinzipien des gemeinschaftlichen Besitzes der Alpweiden im Muotathal.

Diese hatten bereits vor der Gründung der Eidgenossenschaft bestanden! Damit wird klar, dass sich in solchen Momenten gegenüber Leuten aus Bern ein gewisses Misstrauen breitmacht.

Ich zeigte Verständnis und habe die schützenswerten Gebietsumfänge nochmals neu gezeichnet. Schliesslich wurde die Erstfassung um 10% gestutzt, was zu einem inventarisierten Gebiet führte, das etwas mehr als 3% des Schweizer Territoriums umfasst.

swissinfo: Hat sich das ökologische Bewusstsein seit jener Volksinitiative weiterentwickelt?

P.R.: Es ist zum omnipräsenten Thema geworden, aber eher aus technologischer, klimatischer oder energiewirtschaftlicher Sicht heraus betrachtet.

Die laufende Waldinitiative von Franz Weber, die zur Zeit im Nationalrat behandelt wird, hat aus meiner Sicht gute Chancen und wäre eine Gelegenheit für das Schweizer Volk, seine Nähe zur Umwelt wieder einmal unter Beweis zu stellen.

swissinfo-Interview: Ariane Gigon Bormann
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander P. Künzle)

“Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung sind Schutzobjekte.” So beginnt der Volksinitiativtext, mit dem die Bundesverfassung ergänzt worden ist.

Das Initiativ-Komitee kämpfte gegen ein Projekt des damaligen EMD (Militärdepartement), das aus dem Hochmoor bei Rothenthurm im Kanton Schwyz einen Waffenplatz machen wollte.

Am 6. Dezember 1987 nahm das Schweizer Stimmvolk zur allgemeinen Überraschung die Initiative mit 57,8% an. Nur zwei Kantone waren dagegen: Schwyz mit 52,7%, und das Wallis mit 60,7%.

Drei Ausführungsbestimmungen, welche die Inventare betreffen, sind seither angenommen worden.

Jahrgang 1949, schliesst der Genfer Philippe Roche sein Studium als Doktor der Biochemie ab.

Er war zuerst verantwortlich für den WWF der Westschweiz, darauf wurde er Mitglied der Direktion und blieb bis 1992 Generaldirektor des WWF Schweiz.

Von 1992 bis 2005 führte er das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), das heute Bundesamt für Umwelt (BAFU) heisst.

Zur Zeit arbeitet er als unabhängiger Berater.

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