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Der Schweizer Koch amerikanischer Präsidenten

Henry Haller zu Zeiten von Ronald und Nancy Reagan. Henry Haller

Henry Haller war Chefkoch für fünf amerikanische Präsidenten - von Johnson bis Reagan. Er ist in Altdorf im Kanton Uri geboren und dort aufgewachsen.

Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten schätzten ihn. Voll Nostalgie erinnert sich Haller an die 22 Jahre im Weissen Haus, ein Leben mit Empfängen und Banketten.

“Wenn ich vor dem Weissen Haus vorbei komme, spüre ich bis heute noch ein Gefühl des Stolzes”, erzählt Henry Haller. Gut 22 Jahre lang war er die Nummer 1 in der renommierten Küche des berühmten Präsidenten-Palais.

Haller ist längst pensioniert. Doch mit einem Gemisch aus Freude und Nostalgie denkt er nach wie vor an die vielen Jahre zurück, in denen er Festessen, Empfänge und Bankette für Könige, Präsidenten, Abgeordnete, Senatoren, Künstler und Wirtschaftsbosse organisierte.

Haller war 1966 von Lyndon Johnson’s Ehefrau eingestellt worden. Das Präsidentschaftspaar hatte den Schweizer Koch schon Jahre zuvor entdeckt, als er in einem wichtigen Hotel New Yorks tätig war.

Das Mandat Hallers im Weissen Haus dauerte so lange wie die Amtszeiten von fünf Präsidenten zusammen: nach Johnson verköstigte der Urner Richard Nixon, Gerald Ford, Jimmy Carter und zuletzt Ronald Reagan.

Eine familiäre Erbanlage

Die Leidenschaft fürs Kochen hatte Haller von seiner Mutter und Grossmutter geerbt. “Zu Hause hatten wir einen wunderschönen Gemüsegarten. Meine Mutter baute alles Mögliche an und kochte immer ausgezeichnet. Und mir gefiel es, ihr zu helfen”, erinnert sich Haller, der bis heute immer noch gerne in Lebensmittelläden stöbert.

“In den 50-er Jahren, als ich in die USA kam, war es gar nicht leicht, alle Zutaten zu besorgen.” In Europa bekannte Lebensmittel wie Lauch, Sellerie, Meerrettich oder Schalotten fand man in den Staaten nicht.

Im Weissen Haus habe er jedoch stets über die besten Zutaten verfügt: “Das erlesenste Fleisch, den frischesten Fisch, den ich per Flugzeug von New York kommen liess, und sehr gutes Gemüse”, plaudert der berühmte Chefkoch aus seinen Erinnerungen.

Lieblingsmahlzeiten auf der Liste

“Ich habe nie die Ehefrau eines Präsidenten am Kochherd gesehen”, sagt Haller. Nach Amtsantritt ihrer Gatten tauchten die First Ladies mit einer Liste der Lieblingsspeisen der Familie auf und erklärten, wie diese zubereitet werden müssten.

Nixon liebte Polenta. Reagan mochte die italienische Küche. Privat wollten die Präsidenten vor allem ganz einfach essen. Vorspeisen und Desserts lehnten sie ab, aus Angst zuzunehmen.

“Gegenüber den Präsidenten habe ich mich stets sehr diskret verhalten. Wenn sie in die Küche kamen, sprach ich nur mit ihnen, falls sie das Wort an mich richteten”, erzählt Haller, der im Weissen Haus oft für 100 bis 200 Personen kochen musste.

“Mindestens zwei Mal habe ich für 1300 geladene Gäste gekocht.” Das erste Mal war ein Diner für die Veteranen des Vietnam-Krieges angesagt, beim zweiten Mal war es aus Anlass des Abkommens von Camp David zwischen Ägypten und Israel. Grosse Bankette gab es aber auch bei den Hochzeiten der Töchter von Johnson und Nixon.

Festfreudigere Demokraten

Der Übergang von kleinen Mahlzeiten zu riesigen Festbanketten war für Haller die schwierigste Seite an seinem Job. Er musste nicht nur Organisationstalent mitbringen, sondern auch Sensibilität, um die diversen Geschmäcker und Eigenheiten der jeweiligen Präsidenten zu befriedigen.

“Jede Präsidentschaft war anders”, betont der Schweizer Koch. “Im übrigen habe ich bemerkt, dass es mehr Bankette gab, wenn die Demokraten an der Macht waren. Die Republikaner waren bei ihren Einladungen wesentlich selektiver: auch in den Vereinigten Staaten bilden die Superreichen nur eine Minderheit.”

Von den unendlich vielen Geschichten während seines 22-jährigen Aufenthaltes im Weissen Haus erinnert sich Haller besonders gerne an eine: “Es war der letzte Tag in der Amtszeit von Nixon. Am Morgen kam er um 7.30 Uhr in die Küche, barfuss und im Schlafanzug. Er gab mir die Hand und sagte: Verehrter Chef, ich habe in jedem Winkel dieser Welt gegessen, aber Ihre Küche ist die beste.”

Schweizer und Amerikaner

Inzwischen ist Haller 80 Jahre alt. Noch immer reist er durch die USA, um Seniorengruppen von seinen Erfahrungen im Weissen Haus zu berichten: “Die wollen aus erster Hand wissen, wie die Präsidenten von einst lebten.” Zudem hat er ein Buch über die Lieblingsgerichte der Präsidenten geschrieben.

Der pensionierte Koch hat sich entschieden, den Rest seines Lebens in Washington zu verbringen. Aber er kehrt auch gerne in die Schweiz zurück, vor allem nach Altdorf, wenn es ihm möglich ist. In seinem Heimatdorf pflegt er immer noch Kontakt mit ehemaligen Schulkameraden.

Haller sagt, er sei stolz, gleichzeitig Amerikaner und Schweizer zu sein. “Wenn ich in Amerika bin, verteidige ich die Schweizer, und wenn ich in der Schweiz bin, verteidige ich die Amerikaner.”

swissinfo, Anna Luisa Ferro Mäder, Washington

600’000 Schweizer leben im Ausland.
Seit 1990 ist die Fünfte Schweiz um 150’000 Personen angewachsen.
Im Jahr 2002 hatten 70’000 Schweizer ihren Wohnsitz in den USA.

Henry Haller wird 1923 in Altdort, Kanton Uri, geboren. Seine Kochkarriere beginnt er in einem Sanatorium in Davos. Dann arbeitet er in diversen Schweizer Hotels, u.a. im Bellevue-Palace in Bern.

1948 emigriert er nach Kanada, wo er drei Jahre lang im Ritz-Carlton-Hotel von Montreal tätig ist.

1952 übersiedelt er in die USA. Er arbeitet als Koch in vielen wichtigen Hotels, vor allem in New York.

1966 wird er offizieller Koch des Weissen Hauses. Dort bleibt er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1987.

Haller, verheiratet und Vater von vier Kindern, hat ein Buch über seine Erfahrungen in der Präsidentschaftsküche geschrieben: “The White House Family Cookbook.”

Haller verköstigte fünf Präsidenten: Lyndon Johnson (1963-1969), Richard Nixon (1969-1974), Gerald Ford (1974-1977), Jimmy Carter (1977-1981), Ronald Reagan (1981-1989).

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