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Energie statt Arbeit besteuern: Weniger Lohnnebenkosten?

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Überschwemmungen, Stürme, Erdrutsche, etc. bedrohen Lebensgrundlagen. Deshalb will die Grüne Partei der Schweiz nicht erneuerbare Energie vermehrt besteuern, den Klimawandel damit bremsen, und das Geld der AHV zukommen lassen.

Ein Teil des Lohnes eines jeden Arbeitnehmenden fliesst in die Sozialversicherungen, das heisst in die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV), die Invaliditäts-Versicherung (IV) und die Arbeitslosen-Versicherung (ALV). Gleichzeitig bezahlen die Arbeitgeber denselben Betrag ein. Diese Lohnnebenkosten beeinflussen die Arbeitsmarkt-Situation. Tiefe Lohnnebenkosten können Anreize schaffen, neue Arbeitsplätze zu kreieren.

Energierechnung steigt, Sozialabgaben sinken

Mit ihrer Volksinitiative wollen die Grünen die menschliche Arbeit von Abgaben entlasten. Energie hingegen soll stärker belastet werden. Damit will die Grüne Partei das schweizerische Steuersystem ökologisch und sozial umbauen, die Steuern verlagern. Ihre Ziele: Die Umweltbelastung senken, Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Finanzierung der Sozialwerke sichern.

Auch Nicht-Erwerbstätige sollen von der Energiesteuer profitieren: Sie kommen in den Genuss von Steuerrückerstattungen. Und Personen mit geringem Einkommen erhalten höhere Beträge zurück.

Die Volksinitiative “für eine gesicherte AHV – Energie statt Arbeit besteuern” wurde mit über 113’000 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Stimmenden und der Kantone ein Ja in die Urne legen.

Wer, wie viel, wann

Die Initiative der Grünen definiert klar, wer besteuert werden soll. Es sind nicht erneuerbare Energieträger wie Kohle, Uran, Erdöl, Gas, aber auch Elektrizität aus Wasserkraftwerken mit mehr als einem Megawatt Leistung. Steuerpflicht, Steuersatz und Bemessungsgrundlage lassen die Initianten bewusst offen. So muss der Gesetzgeber, das Parlament, die Eckpfeiler der Besteuerung festlegen.

Erneuerbare Energien wie Solarstrom, Windenergie oder Erdwärme würden gefördert, dafür müsste an anderen Orten gespart werden. Der Umstieg auf erneuerbare Energien schaffe die Voraussetzung für den Ausstieg aus der Atomenergie.

Wichtig ist der Initiantin vor allem, dass die Steuer in regelmässigen und voraussehbaren Schritten eingeführt wird. Nur wenn Unternehmen und Private wüssten, wann und wie die Steuer komme, schaffe dies Anreiz, Energie tatsächlich zu sparen.

Argumente Kontra

Gegner und Gegnerinnen der Initiative setzen sie in Kontext zu vergangenen Energievorlagen, die allesamt abgelehnt wurden. Im September 2000 wurde über die Solar-Initiative und deren Gegenvorschlag, die Förderabgabe, als auch über die so genannte Grundnorm für eine Energie-Lenkungsabgabe abgestimmt. Und im November 2000 wurde die Einführung eines flexiblen Rentenalters abgelehnt. Es sei nun eine Zwängerei, schon wieder über eine ähnliche Vorlage abzustimmen.

Die Mehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier setzt aber auch auf das so genannte CO2-Gesetz. Ein Gesetz, das bis zum Jahre 2010 der Ausstoss von Kohlendioxid reduzieren will. Ziel der Reduktion: 10% weniger, als im 1990 ausgestossen wurde. Es soll mit freiwilligen und marktwirtschaftlichen Massnahmen erreicht werden. Stellt sich heraus, dass das Ziel nicht erreicht werden kann, wird eine CO2-Abgabe eingeführt.

Weitere Argumente gegen die Energiebesteuerung sind: Die Initiative gebe für die Energiesteuer keinen Höchstsatz an, so dass Haushalte und Unternehmen die finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen nicht abschätzen können. Und: Die geforderte Besteuerung des Stroms von einheimischen Wasserkraftwerken ist nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch unvernünftig.

Die Initiative im Parlament

In den Eidgenössischen Räten wurde sie bachab geschickt. Der Nationalrat, die Grosse Kammer, sagte mit 119 zu 65 Stimmen Nein. Das Stimmverhalten folgte traditionellen Parteienlinien: Bürgerliche sagten Nein, Grüne und Sozialdemokraten geschlossen Ja, wobei der Gewerkschaftsbund für die Abstimmung dann Stimmfreigabe beschloss (siehe Link). Der Ständerat, die Kleine Kammer, sagte einstimmig Nein zur Initiative.

Der Bundesrat und die Initiative

Die Schweizer Regierung befürwortet eigentlich eine Verlagerung der Steuerbelastung von der Arbeit hin zur Energie. Diese Verlagerung soll jedoch Unternehmen und Haushalte nicht zusätzlich belasten, d.h. sie muss aufkommensneutral sein, so die Regierung. Weil die Initiative aber eben den Steuersatz so offen formuliere, sei dies nicht garantiert.

Da Volksentscheide zum Thema noch nicht sehr weit zurückliegen, verzichtet der Bundesrat aus demokratiepolitischen Gründen auf eine Neuauflage in Sachen Energiebesteuerung während dieser Legislaturperiode (bis 2003). Bis Ende 2003 will er jedoch einen Lagebericht vorlegen. In diesem Bericht soll die Frage von vermehrten ökologischen Anreizen im Steuersystem geprüft werden.

Rebecca Vermot

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