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Gerechte Gesellschaft als Vision

Krampfen statt Schule: Kinderarbeit in einer Zuckerrohrplantage in Bolivien. SAH

Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) ist 70 Jahre alt geworden und widmet sich im Jubiläumsjahr den Arbeitsrechten in der Dritten Welt.

Auch in der Schweiz setzt sich das linke Hilfswerk für Arme und sozial Benachteiligte ein. Unter anderem bietet das SAH Asyl-Suchenden Beratung an.

Das Schweizer Arbeiterhilfswerk feiert sein 70-Jahre-Jubiläum auch mit einem provokativen Slogan: “Heute werden mehr Menschen wie Sklaven ausgebeutet als vor hundert Jahren.”

Als Beispiel zitiert das Hilfswerk mit Sitz in Zürich einen jugendlichen Zuckerrohrschneider aus Bolivien und zeigt damit, wo im Jubiläumsjahr der Schwerpunkt der Arbeit liegt: Bei den Arbeitsrechten in der Dritten Welt.

“Die Ideologen des freien Marktes behaupten, dass sich mit der wirtschaftlichen Globalisierung die Armut überwinden lasse”, sagt SAH-Geschäftsführerin Ruth Daellenbach. Doch Wachstum alleine führe nicht zu mehr Beschäftigung und besseren Arbeitsbedingungen.

Vielmehr habe es in Afrika und Lateinamerika zu informellen Arbeitsverhältnissen geführt, sagt Daellenbach. Arbeitsverhältnisse, die weder Arbeitsverträge noch Rechte für Arbeiter, geschweige denn minimale Sozialstandards kennen würden.

Wofür das SAH heute im Ausland kämpfe, dazu gebe es Parallelen in der Schweiz vor hundert Jahren.

Die Ausbeutung der Arbeitnehmer sei keine Erfindung aus der Dritten Welt. Ausbeutung und Armut habe es vor 100 Jahren auch in der Schweiz gegeben.

Die damaligen Zustände im Land wurden “nicht dank wohltätigen Institutionen beseitigt, sondern durch politischen und gewerkschaftlichen Kampf”, sagte der Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, Hans-Jüg Fehr, an der Medienorientierung des SAH zum Jubiläumsjahr.

Linkes Hilfswerk

Das SAH versteht sich auch heute noch als linke Hilfsorganisation. “Links im Sinne von Solidarität mit den Schwächeren”, sagt SAH-Sprecherin Lisa Ibscher gegenüber swissinfo. “Das Arbeiterhilfswerk legt seinen Schwerpunkt auf gesellschaftliche Veränderung, was für uns Umverteilung von Macht und Ressourcen heisst.”

So arbeite das SAH gerade im Ausland mit lokalen Organisationen zusammen und da gehe es darum, die sozialen Rechte einzufordern, die “Vision weniger Armut, mehr sozialer Friede” zu verwirklichen.

Denn die Verhältnisse hätten sich grundlegend verändert. Die Firmen würden dort hinziehen, wo am billigsten produziert werden kann. “Das läuft unter dem Schlagwort Globalisierung.”

Ein zweites dieser Schlagworte heisse Privatisierung. Auch diese setze den sozial schwächeren Menschen zu. “Ist Wasser ein Handelsprodukt oder ein allgemeines Gut?” Für das SAH sei die Antwort klar: “Wasser gehört allen. Wir helfen den Leuten, das Recht auf ihr Wasser durchzusetzen.”

Doch es gebe Fortschritte. Eine Firma, die Zuckerrohrschneider beschäftigte, baue nun ein Zentrum für Gesundheit. Und die Kinder der Arbeiter könnten jetzt die Schule besuchen, sagt Lisa Ibscher.

Kind der Wirtschaftskrise

Das Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH wurde 1936 als Folge der Weltwirtschaftskrise vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund und der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz gegründet. Ihr Ziel war, bedürftige Arbeiterfamilien im In- und Ausland zu unterstützen.

Im spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg war das SAH in der Flüchtlingshilfe aktiv. Die zahlreichen internationalen Kontakte, die während des Krieges entstanden sind, bewog das SAH in die Entwicklungshilfe im Ausland einzusteigen.

Der Volksaufstand 1956 in Ungarn, der Bürgerkrieg in Biafra, die Alphabetisierung nach den Wirren in Nicaragua waren markante Tätigkeitsgebiete in der Zeit zwischen den 1950er- bis in die 1970er-Jahre.

Nach der Machtübernahme durch das Pinochet-Regime in Chile und dem Militärputsch in der Türkei stiegen die Asylgesuche in der Schweiz sprunghaft an. So erhielt die Flüchtlingshilfe im SAH einen immer grösseren Stellenwert, was für die 1980er-Jahre prägend wurde.

Heute engagiert sich das SAH weltweit in 16 Ländern in der Entwicklungs-Zusammenarbeit. Seit 2005 leistet das Hilfswerk auch materielle Aufbauhilfe in Sri Lanka, in den Gebieten, welche vom Seebeben schwer getroffen wurden.

swissinfo und Agenturen

Das 1936 als Folge der Weltwirtschaftskrise gegründete Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH engagiert sich im In- und Ausland für eine gerechtere Gesellschaft.

In der Schweiz setzt sich das SAH für sozial Benachteiligte ein: Personen, die ihre Stelle verloren haben, Ausgesteuerte, Fürsorge-Empfänger- und -Empfängerinnen, Migranten oder Asylsuchende.

Im Ausland ist das SAH heute in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv: Verteilt auf drei Kontinente arbeitet das Hilfswerk mit lokalen Organisationen vor Ort zusammen.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) sind die Gründerorganisationen des SAH.

Im Jahr 2005 wendete das SAH rund 12 Mio. Franken für die internationale Arbeit auf.
Rund 3 Mio. Franken wurden für die Arbeit in der Schweiz aufgewendet.
30% des SAH-Budgets sind Spenden und Mitgliederbeiträge.
70% kommen aus Zuwendungen privater und öffentlicher Institutionen.

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