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Lehrstellen-Markt:Förderung für die Katz?

Es braucht wieder mehr Lehrstellen, mehr Lehrlinge und mehr Lehrfrauen. Soweit sind sich alle einig. Exakte Gründe für den Rückgang kennt man noch nicht. Keystone Archive

Diesen Sommer werden weniger junge Leute eine Berufslehre beginnen als in den letzten Jahren. Trotz massiver Förderung ist das Lehrstellen-Angebot in der ganzen Schweiz wieder rückläufig.

Genaue aktuelle Zahlen gebe es zwar noch nicht, sagt Eduard Kuster vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie. “Wir rechnen allerdings damit, dass bei Lehrjahr-Beginn tatsächlich weniger Lehrstellen angeboten werden.”

Gemäss dem “Lehrstellenbarometer” der Behörden (Stand April 2001) beträgt der Rückgang gut 4% – das sind 3’000 Lehrstellen weniger als im letzten Jahr, es bleibt ungefähr ein Angebot von 67’500 Lehrplätzen.

Auch wenn der Rückgang bloss gering ist: Das Signal überrascht. Denn in den letzten Jahren gab es in allen Kantonen und auch auf Bundesebene Kampagnen und Massnahmen für mehr Lehrstellen.

Mit viel Geld und Enthusiasmus sollten Betriebe motiviert werden, ihre Verantwortung für den Berufs-Nachwuchs wahrzunehmen. Dafür erhielten sie beispielsweise logistische Unterstützung von Behördenseite. Gemeinsam mit den Verbänden wurde versucht, das Image der Lehrlings-Ausbildung aufzupolieren. Dies sowohl in den Betrieben, wie auch bei den Jugendlichen.

Ausbildungs-unwillige Firmen…

Kaj Rennenkampff, Generalsekretär der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), ist nicht überrascht über den Angebots-Rückgang: “Das ist ein Zeichen, dass die Ausbildungs-Bereitschaft der Firmen sinkt.” Für Rennenkampff ist klar: Es sollte ein Recht auf einen Ausbildungsplatz geben – für alle Jugendlichen. Eine entsprechende Volks-Initiative hat die SAJV zusammen mit Jungsozialisten und Gewerkschaftsjugend 1999 eingereicht.

Gemäss Rennenkampff zeigt die aktuelle Situation, dass der Lehrstellen-Markt nicht bloss von der Konjunktur abhängt. Diese entwickle sich ja weiterhin positiv. Weniger klar sind die Zusammenhänge für Eduard Kuster. Über die Gründe für den Rückgang könne man zurzeit bloss spekulieren, betont er. Und ergänzt, dass das Wirtschafts-Wachstum ja geringer sei, als man erwartet habe.

Man brauche mehr Informationen, so Kuster weiter. Entsprechende Befragungen und Forschungsprojekte sind denn auch am Anlaufen.


…oder zu wenig qualifizierte Jugendliche?

Gleichzeitig mit dem Angebot ist auch die Nachfrage nach Lehrstellen zurück gegangen – zu stark, sagt Patrick Lucca vom Schweizerischen Gewerbeverband, dem grössten Ausbildner in der Schweiz. “Man findet nicht genug geeigneten Nachwuchs”, so Lucca. “Jede unserer Branchen hat Probleme bei der Rekrutierung von Lehrlingen.” Keine Ausbildungs-Stellen würden nur Jugendliche finden, die sprachliche oder schulische Defizite aufweisen.

Rekrutierungs-Probleme in der Praxis zeigen denn auch aktuelle Untersuchungen im Kanton Bern. Allgemein hat sich in dieser Region die Situation zwar verbessert. Allerdings bedeute dies weder für die Jugendlichen noch für einzelne Firmen Entwarnung, sagt Rolf Liechti vom Amt für Berufsbildung des Kantons Bern. “Im kaufmännischen Bereich haben wir kaum noch freie Lehrstellen, obwohl wir sehr, sehr viele Interessenten haben. In anderen Berufen, etwa in handwerklichen Berufen, sieht es dann gerade anders aus, dort haben wir mehr freie Lehrstellen als Suchende.” Metzger, Schreinerin oder Zimmermann – diese Berufe sind bei den Jugendlichen out.

Berufslehre mit schlechtem Image

“Ich studiere Mechaniker” – mit solchen Plakaten wurden in den letzten Jahren Jugendliche ermuntert, nicht eine rein schulische, sondern eine berufsorientierte Ausbildung zu wählen. Die neusten Zahlen machen klar, dass es für eine wirkliche Förderung von qualifizierten Berufsleuten noch jahrelang Massnahmen brauchen wird.

Eva Herrmann

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