Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Ein unentbehrliches Mittel gegen grosse Bedrohungen

Swissinfo Redaktion

Damit der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) über effiziente Instrumente gegen aktuelle Bedrohungen – insbesondere den Terrorismus – verfügt, braucht es das Nachrichtendienstgesetz. Das findet Sicherheitsexperte Alexandre Vautravers.

Das Nachrichtendienstgesetz bringt neue Handlungsmöglichkeiten in vier präzisen Fällen: Terrorismus, Angriffe auf sensible Infrastruktur, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und verbotene Spionage ausländischer Agenten. Für Gruppen und Aktivisten ohne Verbindung zum Terrorismus gilt das Gesetz nur beschränkt. Betroffen sind rund zehn Fälle pro Jahr und das Gesetz beinhaltet angemessene Kontrollmassnahmen.

In nur einem Jahr forderten terroristische Attacken in Europa mehr als 270 Tote und weit mehr Verletzte und Traumatisierte. Fast täglich berichteten Medien prominent über den Terrorismus. Der Arm einiger Netzwerke reicht bis in unser Land. Wir wissen, dass polizeiliche und militärische Massnahmen nur teilweise effizient sind. Der Terrorismus fordert auch unser Justizsystem und unsere demokratischen Werte heraus. Wir wissen, dass die Radikalisierung, die Finanzierung und die Kommunikation zwischen den verschiedenen dschihadistischen Terror-Netzwerken im Internet oder in Sozialen Medien stattfinden. Es ist unerlässlich, diese Netzwerke aufzudecken, um die Bedrohung zu verhindern.

Alexandre Vautravers arbeitet für das Global Studies Institute (GSI) an der Universität Genf. Zuvor hat er an verschiedenen Universitäten in der Schweiz und den USA unterrichtet. Studiert hat Vautravers Zeitgeschichte sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. In der Armee war er bei den Panzerbrigaden und erreichte den Grad des Oberstleutnants. Seit 2006 ist er Chefredaktor der “Revue Militaire Suisse”. Vautravers äussert sich regelmässig in einheimischen und ausländischen Medien zu Sicherheits- und Verteidigungsfragen. rts

Die Anschläge auf grosse Menschenmengen führen uns die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft vor Augen. Auch unsere Wirtschaft, unsere Firmen und unsere Behörden sind anfällig auf Cyberattacken. Diese können Bankengeschäfte, die Kommunikation oder die Energieversorgung temporär oder langfristig lähmen. Die Piraterie von Daten und deren Verbreitung oder Veränderung durch Häcker, kriminelle Gruppierungen oder gar Staaten, können ebenfalls zu Kosten und schrecklichen Folgen für unsere Wirtschaft, Gesellschaft und den Ruf des Landes führen. Die Schweiz kann es sich nicht leisten, mit Blick auf den Cyber-Bereich eine rechtsfreie Zone zu sein. Wie unsere Nachbarländer müssen auch wir Massnahmen ergreifen, mit denen wir illegale und gefährliche Handlungen erkennen, beschränken und den zuständigen Instanzen die nötigen Beweise liefern können.

In der Schweiz und auf internationalem Niveau ist es selbstverständlich verboten, Technologien zu verheimlichen oder weiterzugeben, mit denen terroristische Gruppierungen oder Staaten chemische, biologische, radiologische oder nukleare Waffen (CBRN) herstellen können. Aber das Zerstörungsausmass einer Massenvernichtungswaffe erklärt, dass einige bereit sind, Riesensummen zu bezahlen und heimlich und unehrlich handeln, um dennoch an solche Waffen zu kommen. Es ist deshalb unerlässlich mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um die Verbreitung und den Gebrauch solcher Waffen zu verhindern. Die Glaubwürdigkeit und die Verpflichtungen der Schweiz stehen hier auf dem Spiel.

Zurzeit verfügt die Schweiz nicht über die nötigen Instrumente, um solche Bedrohungen effizient zu bekämpfen. Auch kann sie das Gesetz nicht strikt anwenden, das ausländischen Geheimdiensten verbietet, illegale Handlungen auszuführen. Die Schweiz ist zu einem grossen Teil gar abhängig von ausländischen Geheimdiensten, die Informationen liefern, wenn es ihnen passt. Diese Situation ist weder akzeptabel noch mit der Unabhängigkeit und der Neutralität vereinbar. Und sie gewährleistet auch die Sicherheit der Schweiz, ihrer Wirtschaft und ihrer Bevölkerung nicht langfristig.

“Standpunkt”

swissinfo.ch öffnet seine Spalten für ausgewählte Gastbeiträge. Wir werden regelmässig Texte von Experten, Entscheidungsträgern und Beobachtern publizieren.

Ziel ist es, eigenständige Standpunkte zu Schweizer Themen oder zu Themen, die die Schweiz interessieren, zu publizieren und so zu einer lebendigen Debatte beizutragen.

Die Instrumente, die dem BND zur Verfügung stehen, dürfen nur eingesetzt werden, wenn dies das Bundesverwaltungsgericht und drei Mitglieder der Regierung (VBS, EDA, EJPD) erlauben. Bei so genannten Kabelaufklärungen kann ein externes unabhängiges Kontrollorgan zugezogen werden. All das geschieht unter der Beobachtung einer Geschäftsprüfungskommission, die aus Parlamentsmitgliedern aller Regierungsparteien zusammengestellt ist.

Im Unterschied zu den in den Nachbarländern verabschiedeten Gesetzen ist die demokratische Kontrolle des Mandats und der Instrumente des BND sehr gut gewährleistet. Kommt hinzu, dass das Gesetz nur in ganz spezifischen Fällen angewendet wird: Terrorismus, sensible Infrastrukturen, CBRN und Spionage – konkrete und schlimme Bedrohungen für die Sicherheit der Schweiz und deren Bevölkerung. Aus all diesen Gründen ist es mehr als notwendig, ein Gesetz zu unterstützen, das unsere Sicherheit und die Handlungsmöglichkeiten unserer Dienste verbessert.

Mehr
Meinung

Mehr

Problematische Kompetenzverschiebung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Nachrichtendienstgesetz führt zu einer problematischen Verschmelzung der Kompetenzen von Strafverfolgung und Nachrichtendienst und setzt bewährte Prinzipen unseres Rechtsstaates aufs Spiel. In einem Rechtsstaat liegt die Kompetenz zur Ermittlung und Überwachung bei den zivilen Untersuchungsbehörden und nicht beim Geheimdienst. So kann die Bundesanwaltschaft bereits heute auf Tatverdacht hin – zum Beispiel bei einer mutmasslichen Vorbereitung…

Mehr Problematische Kompetenzverschiebung

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft