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Schweizer Anwälte nach Enthüllungen unter Beschuss

Die Finanzmarktaufsicht (FINMA) ortet bei manchen Schweizer Banken eine zunehmende Gefahr von Geldwäscherei. Reuters

Zuerst gerieten die Banken wegen Steuerhinterziehung ins Rampenlicht, jetzt sind es die Rechtsanwälte, Notare und Finanzintermediäre. Die Panama-Papiere haben die Schweizer Juristen wegen deren Verbindungen zu Offshore-Firmen und zwielichtigen Personen zu Stellungnahmen gezwungen.

Die an die Öffentlichkeit gelangten Daten zeigen, dass die panamaische Kanzlei Mossak Fonseca mit 1233 spezialisierten Schweizer Firmen zusammengearbeitet hatte, die in den letzten 40 Jahren mehr als 34’000 Offshore-Briefkastenfirmen aufbauen liessen. Nur Firmen aus Hong Kong waren für noch mehr Gründungen, nämlich 37’675, verantwortlich.

Das Datenleck zeigt laut Antikorruptions-Aktivisten wie der Erklärung von Bern die Verbindung solcher Finanzintermediäre mit den nebulösen Aktivitäten der Reichen und Mächtigen. Und sie weisen auf Lücken in den Regulierungsvorschriften zur Bekämpfung der Finanzkriminalität hin.

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“Wir verfügen über sehr wenige Daten, um zu beurteilen, wie gut die Finanzintermediäre ihre Regulierungsaufgaben wahrnehmen”, sagt Olivier Longchamp von der Erklärung von Bern gegenüber swissinfo.ch. “Aber bei jedem Finanzskandal zeigt sich, dass sie diese nicht so befolgen, wie sie sollten”.

Die Enthüllungen haben auch die Schweizer Behörden auf den Plan gerufen.

In Genf hat der Chefankläger ein Strafverfahren gegen Rechtsanwälte und Treuhänder eingeleitet.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA), deren traditionelle Jahrespressekonferenz zeitlich zufällig mit den Berichten über die Enthüllungen zusammenfiel, stellt in der Schweiz eine zunehmende Gefahr von Geldwäscherei fest. Über die Panama-Papiere sagte sie allerdings nur, dass sie allfälligen Hinweisen auf Delikte nachgehen werde.

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Bei den Rechtsanwälten delegiert die FINMA die Kontrolle an die Selbstregulierungsorganisationen (SRO). Der Verantwortliche für Kontrollen bei der SRO sagt gegenüber swissinfo.ch, dass die geltende Rechtslage die Mitglieder davon abhalte, korrupt zu handeln.

“Trotz gewisser Fälle, über die in den Medien berichtet wurde, bin ich sicher, dass die Öffentlichkeit in der Lage ist, einfache und voreilige Schlüsse zu vermeiden. Eine kleine Minderheit der Anwälte nimmt offenbar auch Dienstleistungen von Onshore- oder Offshore-Gesellschaften in ihr Angebot. Das ist nicht verboten. Ich glaube nicht, dass der Ruf der Schweizer Rechtsanwälte Schaden nehmen wird.”    

Auch der internationale Fussball ist durch die Panama-Papiere erneut in die Schlagzeilen geraten. Die Bundesanwaltschaft führte am Hauptsitz des Europäischen Fussballverbands (UEFA) in Genf eine Razzia durch, um nach Beweisen für angeblich dubiose Vergaben von TV-Übertragungsrechten zu suchen. Laut den Panama-Papieren steht auch der Name Gianni Infantino auf einem der Verträge. Der neue FIFA-Präsident war zur fraglichen Zeit Generalsekretär der UEFA.

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Panama-Papiere

Das internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) veröffentlichte am 3. April zuerst die sogenannten Panama-Papiere. Dabei handelt es sich um ein gigantisches Datenleck, das 11,5 Millionen Dokumente umfasst. Diese stammen von der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die auch in Zürich und Genf Ableger hat. Die Firma ist darauf spezialisiert, Offshorefirmen für vermögende Kunden aus dem Ausland aufzubauen.

Rund 370 Journalisten von über 100 Medienunternehmen aus fast 80 Ländern haben Finanzgeschäfte über Briefkastenfirmen auf Panama und in anderen Steueroasen recherchiert. Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und der Sportwelt sind deswegen in Erklärungsnot gekommen oder könnten noch kommen.

Der isländische Ministerpräsident Sigmundur Guulaugsson musste bereits seinen Rücktritt erklären. Schweizer Anwälte werden in Verbindung mit zweifelhaften Geldbeträgen von Freunden oder Verwandten des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder des ehemaligen chinesischen Premiers Li Peng gebracht.
Das ICIJ wurde 1997 als Projekt des “Center for Public Integrity” (CPI) gegründet. Das CPI ist eine gemeinnützige Organisation in den USA, die sich der Aufgabe verschrieben hat, “Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufzudecken”.
 

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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