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Schweizer Kreuz: Quadrat, Rechteck oder Sonderfall?

Sonderfall Schweiz am UNO-Hauptsitz in New York: Die einzige quadratische Fahne. Keystone

Weiss auf rot genügt nicht: Das Schweizer Kreuz ist eine der ganz wenigen nationalen Flaggen, die von der Tradition her eigentlich quadratisch gestaltet wäre. Alle anderen Nationalflaggen sind rechteckig. Muss sich Helvetia nun noch dem Rest der Welt anpassen?

Die Schweizer Fahne, korrekt Flagge, gilt weltweit als Sonderfall: Vor dem UNO-Hauptsitz in New York flattert sie als einzige Fahne in quadratischer Form. Der Vatikan, ebenfalls mit quadratischer Fahne, ist kein UNO-Mitglied.

Das weisse Kreuz auf rotem Hintergrund ist einerseits Hoheitszeichen, steht aber auch für die Marke Schweiz und dient als Imageträger. Doch auch der Kanton Schwyz trägt das weisse Kreuz oben seitlich im Wappen. Und die Wappen von Savoyen oder von Dänemark umfassen ebenfalls ein weisses Kreuz, das aber bis zum Rand ausgezogen ist.

Auch die Eidgenossenschaft (die Bundesverwaltung) führt das weisse Kreuz, entweder auf rotem Hintergrund oder, schwarzweiss, auf senkrecht gestricheltem Hintergrund – aber nicht quadratisch, sondern in einem Wappenschild.

Quadrat: Vorschrift oder Gewohnheit?

Nun kommen von internationaler Seite Standardisierungzwänge auf die Schweiz zu. Sie ist die einzige Nation, die auf dem quadratischen Format ihrer Flagge besteht – ohne dass dies aber irgendwo gesetzlich verankert wäre.

“Es handelt sich um Gewohnheitsrecht”, erklärt Stefan Szabo vom Institut für Geistiges Eigentum. Im Ausland jedoch stösst dieser quadratische Sonderwunsch auf wenig Verständnis. Während den Olympischen Spielen in Peking trug “Roger National” eine Schweizer Fahne, die rechteckig geschnitten war.

Das hat viele Schweizer Fahnen-Puristen verärgert. Auch die neueste Briefmarke, die die Schweizer Post zusammen mit der Deutschen Post herausgegeben hat, zeigt eine rechteckige Schweizer Fahne.

“Gerade bei internationalen Anlässen wie den Olympischen Spielen hängt es in erster Linie vom Protokoll ab, wie die Fahnen auszusehen haben”, sagt Szabo. Ein Organisator bestehe auf rechteckigen Fahnen für alle, einem anderen sei das egal.

In anderen Bereichen hingegen regt sich kein Widerstand gegen das Rechteck. So hat die Schweizer Hochseeflagge eine im Seeschifffahrtsgesetz von 1953 ausdrücklich erwähnte rechteckige Form.

Das gilt auch für Flugzeuge – nur stört es dort niemanden, weil eine Flugzeug-Heckflosse ohnehin zwingend die Form vorgibt.

Sonderfall: Fahne gleich Wappen

Die Quadrat-Rechteck-Frage werde in der Schweiz noch durch einen anderen Umstand zu einen weiteren Sonderfall, sagt Szabo: “Im schweizerischen Recht fehlt eine Unterscheidung zwischen Wappen und Flagge, da die Schweiz als einziges Land für das Wappen wie auch für die Flagge dasselbe Symbol – ein weisses Kreuz auf rotem Grund – verwendet.”

In Deutschland beispielsweise machen die drei Farben schwarz-rot-goldgelb die Fahne aus – das Wappen jedoch ist der Bundesadler. Andere Länder kennen den Hahn oder weitere Wappentiere.

Die Schweiz jedoch nutzt beide Male das Kreuz. Die quadratische Form sei ausserdem geschichtlich bestimmt: “Das Hoheitszeichen geht zurück auf ein militärisches Zeichen, auf die Standarte. Diese besitzt die quadratische Form”, so Szabo.

Business statt Heraldik

Noch gilt als gesetzliche Grundlage der Bundesbeschluss von 1889: “Dieser definiert das Wappen, aber nicht die Form der Flagge oder Fahne”, sagt Szabo.

In der Revisionsvorlage “Swissness” wird eine Definition der Schweizerfahne vorgeschlagen, da eine solche heute fehlt. Das heute geltende Bundesgesetz zum Schutz öffentlicher Wappen (Wappenschutzgesetz) soll revidiert werden: Es regelt unter anderem den Gebrauch des Schweizer Kreuzes und des Wappens. Auch mit der Revision werde der Gebrauch der Form, quadratisch oder rechteckig, nicht abschliessend festgelegt, schätzt Szabo. Stilisierungen und andere Dimensionen seien weiterhin möglich.

Heraldisch fixierte Vorgaben fallen demnach bei der Revision weniger ins Gewicht als der wirtschaftliche Bezug zur Gegenwart: Die Schweizer Fahne und das Schweizerkreuz sollen von allen gebraucht werden können, wenn das bezeichnete Produkt tatsächlich aus der Schweiz stammt. Dies soll neu nicht nur für Dienstleistungen, sondern auch für Waren gelten.

Bei Produkten dürfte man eigentlich beim heute noch geltenden Gesetz nicht mit dem Schweizer Kreuz auf die Herkunft verweisen, sagt Szabo. Dienstleistungen hingegen dürfen mit dem Schweizer Kreuz versehen werden.

Das Gesetz mache zudem einen Unterschied, ob das Kreuz zu geschäftlichen Zwecken (Herkunft) benutzt wird oder ob es einen so genannten dekorativen Charakter hat, wie bei Souvernirs.

Herkunftsbezeichnung

De facto bürgen aber schon lange Schweizer Fahnen-Sujets bei Schweizer Produkten und Dienstleistungen für Tradition und Innovation, egal ob beim Joghurt oder bei touristischen Dienstleistungen. Aus der Schweizer Fahne ist längst eine Art globale Marke geworden.

“Da gibt es grosse Unsicherheit”, so Szabo, “diese müssen wir mit dem Gesetzgebungsprojekt ‘Swissness’ beseitigen, und das Anbringen des Schweizer Kreuzes auf Schweizer Waren erlauben.”

Nicht nur Uhren, Pfannen, Messer, Präzisionsprodukte, Schokolade, sondern auch Versicherungen, Flugreisen oder Fonds-Angebote sind oder wollen heute mehr denn je schweizerisch sein – vom Image her möglichst “Made in Switzerland”.

Dass es deshalb gilt, Missbräuche auszuschliessen, liegt auf der Hand. Dank präziseren Regelungen soll mehr Klarheit rund um das Schweizer Kreuz eingebracht werden.

swissinfo, Alexander Künzle

1815 kommt das Schweizer Kreuz erstmals als bundesstaatliches Symbol zur Geltung.

1889, 40 Jahre nach der Gündung der modernen Eidgenossenschaft, fasste die Bundesversammlung einen Beschluss über das Wappen.

Ein aufrechtes, freistehendes weisses Kreuz im roten Feld, “dessen unter sich gleich lange Arme je ein Sechsteil länger als breit sind”.

Dieses Erscheinungsbild der Bundesverwaltung blieb rund ein Jahrhundert lang unangetastet.

Es überlebte zwei Weltkriege, Departements-Namensänderungen und Änderungen in der Rolle der Bundesämter.

Erst ab den 1980er-Jahren entstanden immer mehr eigene, Ämter-bezogene Logos.

Seither hat die Notwendigkeit eines “einheitlichen Erscheinungsbilds” zu neuen Gesetzes-Entwürfen rund um Wappen- und Markenschutz geführt.

Das Schweizer Kreuz gehört niemandem – oder allen.

Ende der 80er-Jahre wollte der Bundesrat das Schweizer Kreuz freigeben – was scheiterte.

Die 700-Jahre-Feier 1991 machte das Schweizer Kreuz erstmals kommerziell interessant.

1994 versuchte der Bundesrat, die Marke zu registrieren, was ebenfalls scheiterte.

An der Expo.02 wurde dieser Trend noch verstärkt.

Inzwischen gibt es rund 6400 Marken mit Schweiz-Bezug.

Der Bundesrat führte Ende 2007 ein Vernehmlassungsverfahren zum Schutz der Bezeichnung “Schweiz” und zum Schweizer Kreuz durch.

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