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Gesundheitsversprechen sorgen für erhöhten Puls

Ist Schokolade in kleinen Mengen gesundheitsfördernd? AFP

Kampagnen für gesunde Ernährung und so genannte "Fettsteuern" in vielen Ländern zwingen die Nahrungsmittel-Industrie dazu, weniger Salz und Zucker zu verwenden und die Gesundheitsvorteile anderer Produkte hervorzuheben – allen voran der Schokolade.

Gesundheitsversprechen rund um die Schokolade gibt es viele, angefangen mit “Beweisen”, dass sie Krebs vorbeugen, Husten heilen und Herzkrankheiten abwehren soll, zu einem besseren Wohlbefinden führen und sogar eine nachlassende sexuelle Leistungsfähigkeit wieder ankurbeln kann.

Viele dieser Behauptungen sind nicht bewiesen, ein paar wurden sogar als urbane Mythen entlarvt. Zudem hat die Gesetzgebung in einigen Ländern der Industrie untersagt, bei der Vermarktung ihrer Nahrungsmittel unzutreffende Behauptungen zu benutzen.

Doch die anspruchsvollere Forschung über die Gesundheitsvorteile der Schokolade findet eine immer breitere Akzeptanz. Darunter die Vorteile der Kakao-Flavanole, die besonders zahlreich in der dunklen Schokolade vorkommen, für das Herz-Kreislauf-System.

Die in der Schweiz ansässige Barry Callebaut, der grösste Schokolade-Hersteller der Welt, hat letzten Monat Unterstützung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erhalten. Diese kam in einem Gutachten zum Schluss, die Studien, wonach Flavanole einen “normalen Blutfluss” unterstützten, seien glaubhaft.

Fettsteuern

Barry Callebaut erhofft sich wirtschaftliche Vorteile, falls die Europäische Kommission der Haltung der EFSA in den nächsten Monaten zustimmen sollte. “Als erstes Unternehmen, dem ein solches Gesundheitsversprechen zugebilligt wird, sehen wir darin neues Marktpotenzial für uns wie für unsere Kunden”, liess sich CEO Jürgen Steinemann in einer Mitteilung zitieren.

Barry Callebaut scheint sich damit an einen Bericht der Beratungsfirma KPMG von diesem Jahr gehalten zu haben. Dieser hatte genau jenen Zugang zum Thema empfohlen, um die steigende Angst zu bekämpfen, dass Süssigkeiten zu Übergewicht führen könnten.

“Die Industrie sollte über die möglichen gesundheitlichen Vorteile debattieren und die Schokolade in die nächste Generation von Functional Food einreihen. Sie sollte die anti-oxidativen Effekte von dunkler Schokolade hervorheben oder die Möglichkeiten zur Energiesteigerung durch Riegel mit Müsli, Nüssen oder ‘Superfrüchten’ erforschen”, hiess es im Bericht “Die Schokolade von Morgen”.

Die Industrie hofft, dass dieser Zugang zum Thema ihre Produkte davor bewahrt, zur Zielscheibe von Regierungs-Massnahmen zu werden, die gegen eine Reihe von kalorienreichen Snacks und Getränke gerichtet sind.

So kennt Dänemark bereits eine “Fettsteuer” auf ungesunde Lebensmittel, Ungarn hat eine “Junkfood-Steuer” eingeführt, und Frankreich hat vor, gesüsste Getränke zu besteuern. Andere Länder, darunter Peru, Israel, Grossbritannien und Irland, überlegen sich derzeit, diesen Beispielen zu folgen.

Marketing zentral

Zwar plant die Schweiz nicht, spezielle Steuern auf ungesunde Lebensmittel zu erheben, doch will sie Unternehmen demnächst dazu zwingen, auf ihren Produkten Angaben zu Salz-, Zucker- und Fettgehalt gemäss EU-Richtlinien sowie empfohlene Tagesdosen anzugeben. Die Schokolade ist nur eines von zahlreichen Produkten, die dabei auf den Radar der Regulatoren geraten sind.

Heinrich von Grünigen, Präsident der Schweizerischen Adipositas-Stiftung, glaubt aber nicht, dass die Gesundheitsversprechen der Schokolade zwingend zu mehr übergewichtigen Menschen führen.

“Es wäre problematisch, Schokolade als Medizin zu vermarkten oder Konsumenten dazu anzuhalten, mehr davon zu essen”, sagt er gegenüber swissinfo.ch. “Wenn aber die Vermarktung generellerer Art ist, müssen die Konsumenten ihren Verzehr selber kontrollieren. Wenn man Schokolade essen will, sollte man die beste Qualität aussuchen und täglich nur ein kleines Stück davon essen.”

Bitte keine Bevormundung

Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) empfiehlt, Nahrungsmittel mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt nicht für Kinder zu vermarkten. Tim Armstrong von der WHO-Abteilung für chronische Krankheiten und Gesundheitsförderung ist gleicher Meinung wie von Grünigen, dass für die erwachsenen Konsumenten verantwortungsvolles Marketing betrieben werden sollte.

“Während die WHO keine Position zu den spezifischen Gesundheitsvorteilen von Schokolade hat, sollten die Botschaften über Gesundheitsversprechen die Öffentlichkeit generell nicht irreführend über Ernährungsvorteile oder -risiken informieren” sagt er gegenüber swissinfo.ch.

“Da Schokolade normalerweise viel Fett und Zucker aufweist, passt ein zu hoher Konsum nicht zu einem gesunden Essverhalten. Und sollten solche Produkte ‘gesunde Nahrungsmittel’ wie etwa Früchte ersetzen, dann haben wir ein Problem.”

Die Schokoladen-Industrie ist ebenfalls besorgt darum, dass die Konsumenten die richtige Botschaft erhalten: “Wir sind sehr gut informiert darüber, was die Konsumenten von heute und morgen brauchen. Dies kann von Region zu Region sehr unterschiedlich sein”, sagt Jörn Wagenbach, Sprecher von Barry Callebaut, gegenüber swissinfo.ch.

“Wir vertreten den Standpunkt, dass Schokolade in all ihren Variationen einen Platz in einer ausgewogenen Ernährung hat. Die Konsumenten müssen gut informiert, aber nicht bevormundet werden.”

Kampf gegen Dickmacher

Verschiedene Länder haben neue Massnahmen ergriffen, um die Vermarktung und/oder den Überkonsum verschiedener Lebensmittel und Getränke einzudämmen, denen vorgeworfen wird, sie führten zu Gesundheitsproblemen wie Fettleibigkeit, Herzkrankheiten und Diabetes.

Letztes Jahr führte Dänemark eine Steuer auf Lebensmittel ein, die einen Anteil von über 2,3% an gesättigten Fettsäuren aufweisen.

Seit 2011 erhebt Ungarn eine Steuer auf Lebensmittel, die zu viel Fett, Salz oder Zucker enthalten.

Frankreich will dieses Jahr den Konsum von Süssgetränken bremsen. Entsprechende Massnahmen müssen noch vom Parlament abgesegnet werden.

Japan verfolgt seit 2008 einen anderen Weg: Es droht Unternehmen und lokalen Behörden mit Strafsteuern, sollten sie gewisse Massnahmen nicht einführen (wie eine Reduktion der Grösse der abgegebenen Mahlzeitenboxen), um das Essverhalten ihrer Angestellten zu verbessern.

Viele Länder haben strengere Gesetze betreffend Inhalts-Deklaration und Vermarktung von Lebensmitteln und Getränken eingeführt.

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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