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Yves Sarasin liegt viel am polnischen Vermögen

Yves Sarasin freut sich ob dem blauen Himmel über Warschau und den positiven Wachstumsraten des Landes. swissinfo.ch

Schweizer Privatbanken gibt es nicht nur in London und New York, sondern vermehrt auch im Osten der EU. In Polen ist die Bank Sarasin eine der wenigen ausländischen Privatbanken mit Repräsentanz. Reiche Witwen, sagt Yves Sarasin, finde er kaum, dafür Unternehmer mit selbst erwirtschafteten Vermögen.

Polen galt bis vor kurzem als Land der Bauern und Werft-Gewerkschafter, der Kohlengruben und Stahlkocher. Heute gibt es unter den Expats in Polen nicht nur Importeure und Berater, sondern auch Privatbanquiers.

Einer der Schweizer Expats ist Yves Sarasin. Der Grossenkel des Gründers der Bank Sarasin sagt gegenüber swissinfo.ch, warum es helvetische Vermögensverwalter auch in Polen braucht.

swissinfo.ch: Was sucht ein Schweizer Privatbanquier in Polen? Ihre Berufsgattung vermutet man doch eher anderswo.

Yves Sarasin: Das Land hat fast 40 Mio. Einwohner. Daher ist der Binnenmarkt sehr interessant. Und die Wirtschaft des Landes wächst stärker als jene der EU.

Das bedeutet tolle Möglichkeiten für den Finanzsektor. Polen hat im Retailbereich sehr viele Banken, denn noch sind die Margen sehr hoch. Hier kann man für die Bankkonten-Führung noch viel mehr verlangen als in der Schweiz.

Auch Investmentbanker sind gerne in Polen, weil Privatisierungen staatlicher Betriebe und Sektoren anstehen so wie eine grössere Zahl von privaten Unternehmensverkäufen. So bildet sich auch zunehmend eine vermögende Oberschicht – also wird das Land auch interessant für Privatbanquiers.

Es sind neue, über die letzten 20 Jahre erwirtschaftete Vermögen, die Polen zum zunehmend interessanten Private Banking Markt machen.

swissinfo.ch: Ich hätte einen Schweizer Privatbanquier viel eher in Dubai oder Singapur vermutet.

Y.S.: Auch der Privatbanquier macht sich sein Länder- sprich Märkte-Portefeuille zurecht, wie andere Unternehmer. Der Schweizer Markt im Portefeuille gilt als reif, denn es hat dort viele Leute, die ein Vermögen halten, das einige Generationen alt ist. Aber es wird relativ wenig neues Geld über unternehmerische Tätigkeit generiert.

Die Emirate wiederum gelten als heiss gepflasterter Markt, wo viele Leute relativ schnell zu Vermögen gekommen sind, wo aber der Wettbewerb gross ist, weil sich die Privatbanquiers dort alle drängeln.

Polen ist etwas ganz anderes. Da ist der Markt an Privatvermögen noch klein, aber dafür wächst er konstant und auf längere Frist. Und es sind noch nicht viele Privatbanken hier.

swissinfo.ch: Wie steht es mit der internationalen Konkurrenz in Polen?

Y.S.: Seit der Wende hat sich in Polen eine Unternehmer-Kaste herausgebildet. Und diese Leute leben längst nicht mehr hinter dem Mond, wie man in Westeuropa vielleicht meint.

Wer in Polen zu Geld kommt, ist häufig global tätig und hat oft verschiedene Wohnsitze. Unternehmerisch kaufen diese Leute ihre Rohwaren auch auf der ganzen Welt ein. Dienstleistungen von Schweizer Privatbanquiers hier in Polen erscheinen ihnen deshalb keineswegs als Exotikum.

Dass wir von der Bank Sarasin auch selber in Polen wohnen, entspricht nicht der Regel. Wir sind in der Tat die einzigen Schweizer Privatbanquiers mit Domizil in Polen.

swissinfo.ch: Wie machen es denn die anderen?

Y.S.: Viele Schweizer Banker fliegen regelmässig hierher. Für mich ist aber der Umstand, hier zu leben, ein grosser Vorteil.

Sollten zum Beispiel am Abend Anschlussfragen an ein Problem aufkommen, das am Nachmittag besprochen wurde, dann befinden sich die anderen Banker längst wieder im Flugzeug auf dem Weg nach Hause, während ich noch hier bin.

swissinfo.ch: Sind Polen risikofreudige Anleger?

Y.S.: Da wir es in Polen praktisch nur mit Unternehmern zu tun haben, die ihr Geld zuerst hart erarbeiten mussten, ist die Risikobereitschaft relativ bescheiden.

Diese Leute sind schon genügend Risiken eingegangen beim Verdienen des Geldes. Darum wollen sie bei ihrem Finanzvermögen nicht noch zusätzliche Risiken eingehen. Dieses Muster gilt übrigens in vielen Teilen der Welt.

swissinfo.ch: Polen gehört zwar zur EU, liegt aber nicht in der Eurozone. Ist Polen nach der Schwächung des Euro noch an der Gemeinschaftswährung interessiert?

Y.S.: Polen ist mit dem Zloty sehr gut durch die Krise gekommen. Ökonomisch würde es schon Sinn machen, nicht in die Eurozone zu gehen.

Aber politisch sieht es anders aus. Die Mehrheit der Polen und ihrer Politiker wollen zur Eurozone gehören, weil sie eine weitere Integration in Europa wünschen. Sie suchen die Nähe zu Westeuropa.

swissinfo.ch: Wird sich das neue Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Polen und der Schweiz ungünstig auf Ihre Arbeit auswirken? Die neuen OECD-Standards und das Bankgeheimnis vertragen sich ja bekanntlich schlecht.

Y.S.: Die Schweizer Eigenschaft der Verbindlichkeit, des Comittments, steht in Polen hoch im Kurs. Bei uns Privatbanquiers geht es dazu noch um Diskretion und Finanz-Know-how, aber nicht um illegale Steueroptimierung.

Alle durch uns verwalteten polnischen Vermögen sind deklariert und somit ist die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung für uns und unsere polnischen Kunden irrelevant.

Interview: Alexander Künzle, swissinfo.ch, Warschau

Der ledige 39-jährige Basler hat sein Studium in St. Gallen und sein MBA in Chicago abgeschlossen.

Das Investment-Banking lernte er bei der UBS kennen, Verkäufe und Fusion bei Price WaterhouseCoopers.

Darauf hatte er in seiner Bank verschiedene Funktionen.

Seit 2009 ist er Co-head des Warschauer Büros.

Die Bank Sarasin & Cie. AG ist eine 1841 gegründete Schweizer Privatbank.

Anlageberatung und Vermögensverwaltung bilden ihre Kernaktivitäten.

Teilzeitbereinigt beschäftigt die Gruppe rund 1600 Mitarbeitende.

Sie verwaltete per Ende 2009 fast 94 Mrd. Fr. Kundenvermögen.

Sie befindet sich seit 2007 zu knapp 69% der Stimmen im Besitz der niederländischen Rabobank.

Standorte im Ausland: U. a. Dehli, Doha, Frankfurt, Guernsey, Hongkong, München, Mumbai, Singapur, Warschau und Wien.

Das Büro in Warschau wurde 2009 eröffnet. Es ist ein Representative Office, und darf deshalb nicht direkt von Warschau aus Bankdienstleistungen anbieten, sondern nur dafür Werbung machen.

Erst wollte Polen schon 2012 zur Euro-Zone stossen, aber jetzt will es seinen Zloty noch bis 2015 behalten.

Ähnlich wie Slowenien, das nach der Zerfall Jugoslawiens mit seinem Tolar eine moderate Inflationspolitik betrieb, um die Binnenschulden abzubauen, muss Polen mit der Übernahme des Euro nicht pressieren.

Einmal im Euro drin, kann Polen keine Wechselkurspolitik mehr betreiben. Der Zloty hat sich in den letzten Jahren ebenfalls gegenüber dem Euro entwertet.

Auch das polnische Bankensystem sei in Ordnung, so Heinz Kaufmann, Leiter des Schweizer Büros Erweiterungsbeitrag in Warschau.

Die Zloty-Abwertung hätte positive Auswirkungen auf die polnische Wirtschaft gehabt (Export).

Und andererseits erhalte Polen viel Geld aus dem EU-Strukturfonds. Dieser umfasst rund 100 Mrd. Franken für die Jahre 2007 bis 2013, die bis 2015 ausbezahlt werden müssen.

Dazu kommt die Kohäsionsmilliarde der Schweiz.

Diese Kohäsionsgelder sind laut Kaufmann in Polen zu einem riesigen Geschäftsfeld geworden. Viele spezialisierte Büros und Consulter haben sich entwickelt, die beraten und besonders für die kleinen Unternehmen und Gemeinden auch das Prozedere mit den Behörden übernehmen.

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