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0,5 Promille sind genug

Die Polizei prüft den Alkoholwert in der Atemluft eines Autolenkers. Keystone Archive

Die Schweiz senkt den Blutalkohol-Grenzwert im Strassenverkehr von 0,8 auf 0,5 Promille.

Nach einer eher gehässigen Debatte stimmte der Nationalrat als Zweitrat der neuen Verordnung zu.

Mit dem Ja der beiden Räte senkt die Schweiz die Promille-Grenze auf das Niveau der Nachbarländer. Ziel der Senkung ist eine höhere Verkehrssicherheit.

Mit der Senkung der Promillegrenze und der Möglichkeit, in Zukunft “anlasslose Atemluft-Kontrollen” durchzuführen, würde sich die Zahl der Verkehrstoten in der Schweiz um rund 50 pro Jahr senken lassen, argumentierten die Befürworter.

Die bürgerlichen Politiker setzten sich in der Mehrheit für die Beibehaltung der 0,8-Promille-Grenze ein. Die Debatte um das “Gläschen in Ehren” verlief zuweilen recht hitzig.

Benachteiligte Randbevölkerung

Roland Borer, Vertreter der Schweizerischen Volkspartei (SVP), wehrte sich gegen die Senkung des Grenzwertes und begründete dies mit der Tatsache, dass die Unfälle trotz steigender Verkehrszahlen abnähmen.

Weiter brachte Borer das immer wieder zitierte Argument ins Spiel, dass die Randbevölkerung benachteiligt werde. Sie könne nach einem Wirthausbesuch nicht auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen. Auch der Randbevölkerung sei ein Glas zu gönnen.

Der Sozialdemokrat Andrea Hämmerle aus dem Kanton Graubünden konterte: “Herr Borer, ich wohne auch auf dem Land, und Sie helfen den Landbewohnern überhaupt nicht, sondern Sie achten diese äusserst gering, wenn Sie ihr mit höheren Alkohol-Limiten helfen wollen.”

Angst vor dem Risiko

Der Waadtländer Liberale Serge Beck warnte den Rat vor einer keimfreien Gesellschaft: “Die Herabsetzung des Blutalkohol-Grenzwertes auf 0,5 Promille gehört zum Triumph des politisch Korrekten, zur Hysterie und zu den Ängsten einer verstädterten und keimfreien Gesellschaft, die das Risiko, den Unfall und den Tod nicht mehr erträgt.”

Die SVP und die Liberalen erhielten auch Hilfe von den Freisinnigen (FDP) und den Christdemokraten (CVP). Begründet wurde der Sukkurs damit, dass man sich Sorgen um das Gastgewerbe vorab in ländlichen Gebieten mache.

Linke und Grüne waren darüber aufgebracht. “Landgasthöfe sind doch nicht wichtiger als Menschenleben”, rief die Grüne Pia Hollenstein in den Nationalrats-Saal.

“Wesentlich und messbar”

Am Ende setzten sich aber auch in der grossen Kammer die Argumente der Kommission und der Landesregierung durch. Bei 0,8 Promille würden die Aufmerksamkeit, die Reaktionsfähigkeit und die Selbstkontrolle der Lenker beeinträchtigt. Das sei schon ab Werten von 0,5 Promillle “wesentlich” und “messbar”.

Es sei erwiesen, dass sich das Unfallrisiko bei 0,6 Promille bereits verdopple, argumentierte Verkehrsminister Moritz Leuenberger. Bei 0,8 Promille sei es bereits vervierfacht.

Kommissions-Sprecher Ruedi Aeschbacher (EVP) verwies auf die Erfahrungen im benachbarten Ausland. 10 Prozent der Alkoholunfälle erfolgten bei einem Wert von 0,5 bis 0,8 Promille.

Bei Drogen 0,0 Promille

Als noch gefährlicher stuft die Schweizer Regierung zudem den Konsum anderer Rauschmittel ein. Hier werde die Regierung den Grenzwert für Fahrzeuglenker auf 0,0 Promille festlegen, sagte Leuenberger.

Er konterte damit Vorwürfe aus dem Rat, der Alkohol werde ungerecht behandelt.

swissinfo, Urs Maurer

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